Der BUND fordert:
- Meeresschutzgebiete als Ruhe- und Rückzugsräume sichern
- Mindestens 50 Prozent aller Meeresschutzgebiete müssen ohne jegliche wirtschaftlichen Nutzungen sein („Nullnutzungszone“)
- Zerstörerische grundberührende Fischerei abschaffen – zuerst in Schutzgebieten und langfristig überall
- Keine Windparks, Kabeltrassen und Pipelines in Meeresschutzgebieten
- Die zukünftige Meeresstrategie der Bundesregierung muss verbindliche, sektorenübergreifende und kohärente Maßnahmen für einen effektiven Schutz der Meere liefern.
Meeresschutzgebiete: Artenreiche Schatzkisten in Nord- und Ostsee
Vor der deutschen Nord- und Ostseeküste liegen lebendige, bunte und bedrohte Ökosysteme unter der Wasseroberfläche versteckt. Verwunschene Riffe aus großen und kleinen Steinen besiedelt von großen Algen in der Ostsee. Oder eine gigantische Sandbank versteckt in Mitten der Nordsee. Europas kleinster und Deutschlands einziger Wal, der Schweinswal, wandert durch die verschiedenen Schutzgebiete, um sich dort satt zu fressen und seine Jungen aufzuziehen.
Etwa 45 Prozent der deutschen Meeresgebiete und Küstengewässer stehen wegen ihrer hohen Artenvielfalt oder Einzigartigkeit unter Schutz. Von den Nationalparks im Wattenmeer oder der Schatzküste in der Ostsee bis weit draußen im ökologischen Herz der Nordsee auf der Doggerbank.
Meereschutzgebiete sind Natura 2000-Schutzgebiet
Diese Meeresschutzgebiete sind Teil des europaweiten Natura 2000 Schutzgebietsnetzes. Dessen Ziel ist es der Biodiversitätskrise entgegenzuwirken und Schutz für wildlebende Arten und deren natürliche Lebensräume zu sichern. Dafür wurden Lebensräume wie Riffe und Sandbänke als wichtige Lebensräume und Rückzugsort für beispielsweise Schweinswal, Kegelrobbe, Seehund und viele Seevögel unter Schutz gestellt. Doch der Name „Meeresschutzgebiet“ allein schützt nicht unmittelbar.
Riffe sind in der Nord- und Ostsee meist Hartsubstrate, die sich vom Meeresboden erheben. Auf den Felsen und Gesteinsblöcken siedeln sich zum Beispiel Miesmuscheln, die Seeanemonen „Seenelke“ oder in der Nordsee sogar Weichkorallen wie die „Tote Meerhand“ an. In flacherem Wasser findet man auch Bewuchs von Großalgen. Damit bieten Riffe einen Lebensraum für eine Vielfalt an Lebewesen wie Muscheln, Krebse, Seeigel und Seesterne. Oft sind Riffe wie Kinderstuben für Fische und dadurch auch ein wichtiges Jagdgebiet für große Raubfische und Meeressäuger. Auch Seevögel werden hier satt.
In der deutschen AWZ der Nordsee liegen wichtige geschützte Riffe vor der Küste von Sylt im „Sylter Außenriff“ zusammen mit dem Vogelschutzgebiet „Östliche Deutsche Bucht“. Auch vor Borkum liegt der geschützte „Borkum Riffgrund“. In der Ostsee sind schützenswerte Riffe von den Küstengewässern der Kieler Bucht bis zur Pommerschen Bucht anzutreffen. Das größte zusammenhängende Riffgebiet in der AWZ stellt die Rönnebank zusammen mit dem Adlergrund dar. Sie liegen beide im Schutzgebiet „Pommersche Bucht - Rönnebank“.
„Sandbänke mit nur schwacher ständiger Überspülung durch Meerwasser“ sind Erhebungen des Meeresgrundes, die bis dicht unter die Meeresoberfläche reichen können, aber bei Niedrigwasser nicht frei fallen. Das sandige Sedimenten besteht aus gröberen, bis hin zu Steinblöcken, und feineren Korngrößen wie Schlick. Dieser Lebensraum kommt europaweit in allen flachen Meeresgebieten nah an der Küste aber auch weit bis in die offene See vor. Mitten in der Nordsee erstreckst sich zum Beispiel die „Doggerbank“, eine Sandbank die 350 km lang und 120 Kilometer breit ist. Nur ein Teil davon liegt in der deutschen AWZ. In der Ostsee sind großflächige Sandbänke wie die Oderbank und Teile des Adlergrundes im Naturschutzgebiet „Pommersche Bucht – Rönnebank“ zu finden. Im Naturschutzgebiet „Fehmarnbelt“ gibt es außerdem eine Sandbank mit einem Megarippel. Die welligen Sandrippel, wie man sie auch vom Sand am Strand kennt, stehen hier zum Teil bis zu 3 Meter hoch.
Sandbänke sind oft frei von Vegetation oder nur spärlich von größeren Pflanzen, wie Algen und Seegräsern, bewachsen. Doch hier sammeln sich große Mengen von Kleinstlebewesen wie Zooplankton, die die Grundlage der Nahrungskette im Meer bilden. Fische und andere Meerestiere kommen in diese Lebensräume, um sich satt und groß zu fressen.
Schweinswale (Phocoena phocoena) sind die einzigen Wale, die in Nord- und Ostsee regelmäßig vorkommen. Sie jagen ihre Beute mithilfe von Ultraschall-Klickfolgen, die auch zur Orientierung und Kommunikation dienen. Das Vorkommen von Schweinswalen ist stark abhängig von dem Vorkommen ausreichender, insbesondere fettreicher Nahrungsfische, so dass sie sich vermehrt an Frontensystemen oder nährstoffreichen Auftriebszonen aufhalten.
Kegelrobben (Halichoerus grypus) sind das größte Raubtier Deutschlands. Sie sind hervorragende Taucher und können bis zu 300m tief tauchen. Das breite Beutespektrum ist dominiert von Heringen und Sprotten. Die Paarung kann im Wasser, bei Liegeplätzen oder in größerer Entfernung von der Küste stattfinden. Im Gegensatz zu Seehunden kann eine Paarung aber auch an Land erfolgen. Die Jungen der Kegelrobbe unterscheiden sich mit ihrem weißen Embryonalfell in den ersten Wochen von dem Nachwuchs der Seehunde. Nachdem die Kegelrobbe in der Ostsee fast ausgerottet wurde, erholt sich der Bestand wieder und kehrt auch wieder an die deutsche Küste zurück.
Seehunde (Phoca vitulina) sind die zweite Art Robben, die an den deutschen Küsten und in den Meeresschutzgebieten zu finden sind. Sie halten sich vor allem in der Fortpflanzungs- und Haarwechselperiode (Juni bis September) längere Zeit auf Sandbänken, Stränden oder Inseln auf. Sie können sowohl im Wasser als auch an Land gut sehen. Ihre Beute nehmen sie aber vor allem mithilfe ihrer Vibrissen, also Barthaaren, wahr. Seehunde werden im Alter von drei bis fünf Jahren geschlechtsreif.
Basstölpel brüten auf Felseninseln und haben damit ihren einzigen Brutplatz in Deutschland auf Helgoland. Sie fressen fast ausschließlich Fisch, zumeist Makrelen, Sandaale, Heringe und Sprotten. Basstölpel jagen ausschließlich bei Tageslicht. In den Morgenstunden stürzen sich dann die eleganten Gleitflieger mit bis zu 100 km/h in die Wassermassen und tauchen bis in 22 m Tiefe. Lediglich zum Start müssen die Vögel etwas unbedarft Anlauf nehmen um in die Luft zu kommen.
Schutzgebiete ohne Schutz?
Nach der Ausweisung der Schutzgebiete müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Schutzgüter zu erhalten oder sogar wieder zu renaturieren. Denn Untersuchungen zeigen, dass Nord- und Ostsee in einem schlechten Zustand sind. Laut nationaler Roter Liste sind fast ein Drittel der marinen Arten gefährdet. Auch der Zustand der deutschen Meeresschutzgebiete konnte kaum verbessert werden. Es ist noch fast alles in den Meeresschutzgebieten erlaubt.
Laute Schiffe fahren durch die Schutzgebiete, militärische Manöver dürfen auf und unter Wasser geübt werden. Teilweise wird noch Sand und Kies aus den geschützten Lebensräumen entnommen, während gleichzeitig Kabel und Fundamente für den flächendeckenden Ausbau der Offshore-Windkraft in oder auf den Meeresboden gelegt werden. Derzeit wird sogar geprüft, wie ein Offshore-Windpark im Nordsee-Schutzgebiet Doggerbank gebaut werden kann.
Fischerei in Meereschutzgebieten weiter erlaubt
Sogar die Fischerei ist noch großflächig in den Meeresschutzgebieten erlaubt. Dabei werden die Stellnetze den Seevögeln und Meeressäugern zum Verhängnis und schwere Grundschleppnetze graben den Meeresboden um. Die Hälfte der deutschen Schutzgebiete wurde durch Grundschleppnetze zerstört. Das Schutzgebiet auf der Doggerbank ist fast vollständig betroffen.
Die Doggerbank: Das ökologische Herz der Nordsee
Wo vor 10.000 Jahren noch Berge eine Verbindung zwischen Großbritannien und dem Festland bildeten, ist heute das Zuhause für unzählige Fische und Schweinswale, Minkwale oder Weißschnauzendelfine. Die Doggerbank ist die größte Sandbank in Mitten der Nordsee und dauerhaft von Meerwasser überdeckt. Durch die besonderen Meeresströmungen herrschen hier hervorragende Bedingungen für das Wachstum von kleinsten Algen. Diese bilden die Basis des gesamten marinen Nahrungsnetzes.
Deswegen wurde der deutsche Teil der Doggerbank 2017 als Meeresschutzgebiet ausgewiesen. Doch die zerstörerische Fischerei mit Grundschleppnetzen ist dort weiterhin erlaubt und der besondere Fischreichtum wird ausgebeutet. Große Netze werden mit schweren Metallketten oder Kufen über den Boden gezogen. Sie hinterlassen tiefe Spuren der Verwüstung im Meeresboden und trübe Sandwolken im Wasser.
BUND geht Rechtsweg zum Schutz der Doggerbank
Dieser Zustand in der Doggerbank und den weiteren Schutzgebieten ist nicht mehr tragbar. Deswegen hat das BUND-Meeresschutzbüro prüfen lassen, ob diese zerstörerische Nutzung in der Doggerbank rechtmäßig ist. Das Rechtsgutachten hat bestätigt, dass die Fangerlaubnis für Grundschleppnetze in der Doggerbank nach europäischem Naturschutzrecht unrechtmäßig ist. Anfang 2024 haben wir deswegen Widerspruch gegen diese Fangerlaubnis eingelegt und bestreiten damit den Rechtsweg. Europäisches Naturschutzrecht muss auch in den deutschen Meeresschutzgebieten richtig angewandt werden!
Warum brauchen wir Meeresschutzgebiete?
Schutzgebiete sind essenziell, um der fortschreitenden Biodiversitätskrise entgegen zu wirken. Gerade findet nahezu eine Industrialisierung im Meer statt. Umso mehr braucht es Räume wo keinerlei menschliche Nutzung und direkte Beeinträchtigungen vorkommen. Diese sogenannten "Nullnutzungszonen" können, wenn sie in geeigneten Bereichen ausgewiesen werden,
- als Ruhe- und Rückzugsgebiete für bedrohte Arten dienen,
- bedrohte und seltene Lebensräume erhalten und
- natürliche Erholungs- und Entwicklungsprozesse zulassen.
Dieser einfache und schnell umsetzbare Weg der Renaturierung kann die Meeresumwelt wiederbeleben und ein Reaktor der Artenvielfalt sein. Die Gebiete könnten als wertvolle Referenzgebiete dienen, die uns einen Blick auf das gewähren, was unter den heutigen, schlechten Umweltbedingungen ohne direktes menschliches Eingreifen an mariner Natur – nämlich an mariner Wildnis – möglich ist. Der BUND fordert endlich einen realen und effektiven Schutz der Natura-2000-Gebiete.
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