Der Begriff “Agro-Gentechnik” bezeichnet gentechnisch veränderte Organismen (GVO), die vor allem in der durch Monokulturen geprägten industrialisierten Landwirtschaft zum Einsatz kommen.
Agro-Gentechnik: Risiken für Umwelt und Ökosysteme
Mehr Pestizide
In der Praxis führt Agro-Gentechnik dazu, dass mehr Pestizide ausgebracht werden. Das zeigen auch Studien. Durch den Pestizideinsatz sinkt die Artenvielfalt und Pflanzen werden anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Der Glyphosat-Einsatz stieg zwischen 1995 und 2014 weltweit um das 15-fache.Viele der kommerziell genutzten GVO-Pflanzen sind herbizidresistent. Herbizidresistent bedeutet, dass die Pflanzen so verändert wurden, dass sie die Anwendung eines Pestizids überlebt, das normalerweise alle Pflanzen abtöten würde.
Negative Folgen für Insekten
Der Anbau herbizidresistenter GVO-Pflanzen reduziert die Vielfalt an Wildkräutern auf und neben den Feldern. Dadurch fehlen Blüten und Samen als Nahrungsquelle für Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten. So wird beispielsweise der massive Glyphosateinsatz in Nordamerika mit dem Rückgang des Monarchfalters in Verbindung gebracht, da seine Futterpflanzen vernichtet werden. Zudem fördert der ständige Herbizideinsatz die Entwicklung resistenter Wildkräuter, was oft einen noch intensiveren Pestizideinsatz oder den Wechsel zu aggressiveren Mitteln nach sich zieht.
Gefährdung von Nicht-Zielorganismen
Insektenresistente Pflanzen (sogenannte Bt-Pflanzen) produzieren kontinuierlich Toxine gegen bestimmte Schadinsekten. Diese Bt-Pflanzen töten Insekten, die von ihnen fressen. Der Bt-Mais MON810 beispielsweise gibt dieses Toxin auch an den Boden ab und es kann in Gewässer gelangen. Dies birgt Risiken für sogenannte Nicht-Zielorganismen: bei einigen heimischen Schmetterlingsarten wurde eine Beeinträchtigung oder erhöhte Mortalität der Raupen durch die Aufnahme von Bt-Pollen festgestellt. Nützliche Insekten, die sich von toxinbelasteten Schädlingen ernähren, können ebenfalls betroffen sein.
Resistenzen bei Schädlingen
Der ständige Einsatz von Bt-Toxinen führt dazu, dass Schadinsekten resistent werden. So wird die Technologie auf lange Sicht unwirksam. Studien weisen zudem darauf hin, dass Bt-Mais Wasserlebewesen wie Köcherfliegenlarven schädigen kann, was sich negativ auf das gesamte Ökosystem von Gewässern auswirken könnte. Folglich haben zahlreiche EU-Länder, einschließlich Deutschland, den Anbau von MON810-Mais verboten.
Auskreuzung und Kontamination
GVO können nach ihrer Freisetzung in die Umwelt kaum kontrolliert oder zurückgeholt werden. Es besteht das Risiko der Auskreuzung von gentechnisch veränderten Pflanzen wie Raps oder Zuckerrüben auf heimische, verwandte Wildpflanzen. Rapssamen beispielsweise zeichnen sich durch eine lange Keimfähigkeit im Boden aus und können als sogenannter Durchwuchs auch auf Flächen auftreten, die nicht für den Anbau von gentechnisch verändertem Raps vorgesehen sind. Durchwuchs wurde ebenso bei Arten ohne heimische Verwandte wie Mais und Kartoffeln dokumentiert. Solche Prozesse erschweren eine gentechnikfreie Produktion und können zu schwer kontrollierbaren Ausbreitungen führen.
Auch Verunreinigung, sogenannte Kontaminationen, gentechnikfreier Produkte sind auf verschiedenen Stufen möglich – vom Saatgut über den Anbau und die Ernte bis hin zu Lagerung, Transport und Verarbeitung. Auch derzeit geltende Mindestabstände, beispielsweise für Mais, bieten keinen vollständigen Schutz vor Kontaminationen, da Pollenflug über Distanzen von mehreren Kilometern beobachtet wurde.
Wirtschaftliche Risiken und Abhängigkeiten
Bio-Landwirtschaft schließt den Einsatz von Gentechnik aus.
(Bild: Sonja Herpich/Bioland)
Landwirte, die gentechnikfrei produzieren, verlieren Einnahmen, wenn ihre Ernten durch gentechnisch veränderte Pflanzen verunreinigt werden. Diese Kontaminationen können an vielen Stellen passieren – vom Feld über den Transport bis zur Lagerung. Die Folge ist, dass die Ernte nicht mehr als "bio" oder "gentechnikfrei" verkauft werden kann, was zu geringeren Einnahmen oder dem Verlust von Zertifizierungen führt. Gleichzeitig treibt der Aufwand, eine Verunreinigung zu vermeiden, die Produktionskosten in die Höhe. Je mehr gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, desto schwieriger und teurer wird die Trennung. Dies bedroht langfristig die Wahlfreiheit der Landwirt*innen und Verbraucher*innen, sich für gentechnikfreie Produkte zu entscheiden.
Abhängigkeit durch Patente
Das Patentrecht auf gentechnisch veränderte Pflanzen hat zu einer starken Konzentration auf dem Saatgutmarkt geführt und kann Landwirt*innen in eine Abhängigkeit von wenigen global agierenden Konzernen bringen. Diese Unternehmen kontrollieren wesentliche Teile des Marktes für gentechnisch verändertes Saatgut. Landwirte müssen Lizenzgebühren für patentiertes Saatgut zahlen und dürfen es aus eigener Ernte meist nicht wiederverwenden. Die Patente gelten oft auch für die Nachkommen der Pflanzen und die Ernte, was die unternehmerische Freiheit einschränkt. Zudem versuchen Konzerne, diesen Patentschutz auch auf konventionell gezüchtete Tiere und Pflanzen auszuweiten.
Wertminderung von Agrarflächen
Samen von GVO-Pflanzen bleiben im Boden und erschweren eine spätere Umstellung auf gentechnikfreie Bewirtschaftung. In den USA erzielen Flächen mit resistenten Wildkräutern geringere Pachtpreise, da die Bekämpfung dieser Unkräuter höhere Kosten verursacht.
Verbraucher*innenschutz und Wahlfreiheit
Bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln kann sich das Nährstoffprofil stark ändern. Hier besteht die Gefahr eines unbeabsichtigten übermäßigen Verzehrs, weshalb eine spezielle Kennzeichnung oder gesonderte Vertriebswege erforderlich sein könnten. Ein konkretes Fallbeispiel ist ein mittels CRISPR/Cas9 modifiziertes Baumwollsaatenöl. Zur Verlängerung der Haltbarkeit wurde dessen Gehalt an Linolsäure von 58,62 Prozent auf 6,85 Prozent gesenkt. Wenn Lebensmittel durch neue genomische Techniken (NGT) in ihrer Zusammensetzung erheblich verändert werden, greift Expert*innen zufolge die EU-Verordnung für neuartige Lebensmittel (Novel Food). Selbst wenn eine NGT-Pflanze von der strengen GVO-Regulierung ausgenommen würde, erfordert eine solche Veränderung eine Sicherheitsbewertung nach Novel-Food-Recht. Dies soll die Sicherheit für Verbraucher gewährleisten, was beispielsweise bei Produkten wie der blutdrucksenkenden GABA-Tomate relevant ist. Grundsätzlich lässt sich zudem festhalten: GVO-Lebensmittel sind in Deutschland und in der EU ein Angebot ohne Nachfrage. Daran hat sich seit ihrer Einführung auf den EU-Markt seit 1996 nichts geändert. Die große Mehrheit der Verbraucher*innen möchte wissen, wenn GVO auf ihrem Teller landen. Dieser Wunsch nach Transparenz darf von der Politik nicht ignoriert werden.