
Infoblatt: Atommülllager-Suche
Gesucht wird ein möglichst sicheres Atommülllager – doch das aktuelle Verfahren weist Mängel auf.
Mit der Veröffentlichung des "Zwischenberichts Teilgebiete" hat die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) deutschlandweit Regionen vorgestellt, die für eine "Endlagerung"* von Atommüll in Frage kommen. Damit sind 90 Gebiete und 54 Prozent der Landesfläche Deutschlands potentiell von Atommüll erneut oder erstmals betroffen. Der Salzstock Gorleben ist jedoch nicht dabei.
Der Standort Gorleben war jahrzehntelang politisch gewollt, aber nie geologisch geeignet. Das Ende Gorlebens ist auch ein Erfolg der Arbeit des BUND und den jahrzehntelangen Protesten im Wendland. Dass der Standort aufgrund von wissenschaftlichen Kriterien ausgeschieden ist, ist auch eine Bestätigung unserer fachlichen Arbeit.
Mit ihrem Zwischenbericht hat die BGE mehr als die Hälfe der Landesfläche Deutschlands als potentiell geeignete Gebiete ausgewählt. Dazu hat die BGE in den vergangenen drei Jahren geologische Daten gesammelt und ausgewertet.
Weder der BUND noch andere Verbände wurden im Vorfeld in diese Arbeit einbezogen. Eine unabhängige Prüfung der Suche und eine kritische Einschätzung der Auswahl waren somit unmöglich.
Bei der Betrachtung des Berichtes drängen sich kritische Fragen auf: Der Bericht umfasst tausende Seiten und ist auch für geübte Leser*innen nicht nachvollziehbar aufbereitet.
Auch die Datengrundlage und -qualität sind zu hinterfragen. Aktuell sind nur knapp drei Prozent der Daten, die für den Ausschluss von Gebieten herangezogen wurden einsehbar.
Versprochene Transparenz ist nicht gegeben.
Bei der großflächigen Gebietsausweisung bleibt zudem völlig offen, wie die BGE zu kleineren Standortregionen kommen soll. Klar ist jedoch: Für diesen Schritt ist bisher keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen.
Im Anschluss an die Veröffentlichung des Berichts richtet das zuständige Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE) die "Fachkonferenz Teilgebiete" ein. In diesem Beteiligungsgremium sollen alle Betroffenen den Bericht an drei Terminen kommentieren. Dabei drängt die Zeit: Ein erster Auftakttermin steht bereits im Oktober 2020 an – und bis Juni 2021 müssen alle Einwände vorgebracht werden. Gleichberechtigte Beteiligung auf Augenhöhe ist unter diesen Bedingungen nicht möglich.
Zentrale Voraussetzung für eine glaubwürdige Teilgebietsauswahl ist der Einblick in die zugrundeliegenden Daten. Es bleibt die Frage: Welche geologischen Informationen wurden wie bewertet?
Auch mit der Veröffentlichung des Zwischenberichts ist eine vollständige Antwort darauf nicht möglich. Im Bericht sind bisher fast alle Daten geschwärzt. Zahlreiche verwendete geologische Daten gehören Rohstofffirmen und können nicht ohne weiteres offengelegt werden. Die strittigen Daten landen, laut neuem Geologiedatengesetz, in einem Datenraum. Hier hat nur das Nationale Begleitgremium (NBG) Einblick – vollständige Transparenz: Fehlanzeige!
Mängel weißt auch die "Fachkonferenz Teilgebiete" auf, die nun in vier statt gesetzlich eingeräumten sechs Monaten eine Kommentierung des Zwischenberichts leisten soll. Betroffene müssen in einem Eilverfahren ein Ergebnis überprüfen, das die BGE in drei Jahren erarbeitet hat. Bei der Diskussion des Berichts stehen Betroffene einem gut vorbereiteten und ausgestatteten Unternehmen gegenüber. Eine Befähigung der Zivilgesellschaft zum Austausch auf Augenhöhe, beispielsweise durch finanzielle Mittel für kritische Gutachter*innen, wurde abgelehnt.
Zudem ist nicht sicher, ob die eingebrachte Kritik Wirkung zeigt. Rechtlich haben die Beratungen keine bindende Wirkung. Außerdem arbeitet die BGE zeitgleich am nächsten Schritt der Suche weiter. Das heißt: Unter Umständen kommentiert die Konferenz ein im Juni schon veraltetes Dokument.
Es wird also darauf ankommen, die Beteiligung jetzt zu verbessern. Denn im nächsten Schritt grenzt die BGE Standortregionen ein und bennent dabei deutlich kleinere Gebiete. Bei dieser Auswahl müssen kritische Wissenschaft, Verbände und Bürger*innen beteiligt sein!
Der BUND mahnt, die Atommüll-Lager-Suche nicht scheitern zu lassen. Die Verantwortung für die sichere Lagerung des Mülls haben Politik und Atomindustrie jahrzehntelang vor sich hergeschoben. Bis heute lagert der Müll in havarierten Lagerprojekten wie Morsleben und Asse oder steht in unsicheren Zwischenlagern. Die Atommüll-Lager-Suche muss auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie angepasst werden und echte Beteiligung und Transparenz ermöglichen.
* Der Begriff "Endlager" täuscht eine Lösung vor, die es nicht geben kann. Kein Ort wird für eine Million Jahre vollständige Sicherheit und ein "Ende" des Atommülls gewährleisten. Deshalb vermeidet der BUND das Wort "Endlager" oder setzt es in Anführungszeichen.
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