Berlin. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßt, dass mit der Vorlage des Zwischenberichts Teilgebiete die Auseinandersetzung bei der Suche nach einem Atommülllager nun auf Basis von wissenschaftlich begründeten Erkenntnissen geführt werden kann. Der BUND hat seit Jahrzehnten die geologischen Unzulänglichkeiten des Standortes Gorleben in Studien und Gutachten nachgewiesen und sich für einen Neustart der Suche eingesetzt. Das Ausscheiden des Salzstockes ist ein erster Schritt zu einer vergleichenden und wissenschaftsbasierten Suche.
Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND: "Der Zwischenbericht Teilgebiete bringt endlich mehr Sachlichkeit in die Debatte zurück und stellt die Geologie in den Mittelpunkt. Damit ist der Bericht eine wichtige Grundlage zur Debatte zwischen Bundesbehörden, Bundesländern und Zivilgesellschaft. Ich appelliere an alle Betroffenen diesen wissenschaftlichen Weg mitzugehen und nicht einzelne Gesteinsarten oder Regionen pauschal auszuschließen. Wir fordern daher auch das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) auf, die Gebietsauswahl nicht politisch zu kommentieren und weisen die Aussagen Wolfram Königs zu Gorleben entschieden zurück. Das Suchverfahren muss jetzt beweisen, dass sowohl eine kritische fachliche Prüfung möglich ist, als auch eine umfassende Beteiligung aller Betroffenen. Daher sehen wir mit Sorge auf die am kommenden Wochenende beginnende Fachkonferenz. Wir appellieren an das BASE und das Bundesumweltministerium Zeit, Ressourcen und Mitwirkungsrechte für eine wissenschaftlich fundierte Diskussion bereitzustellen. Andernfalls steht die erste Bewährungsprobe der Öffentlichkeitsbeteiligung bereits zu diesem Zeitpunkt auf der Kippe."
Der BUND fordert, dass bei der Fachkonferenz Teilgebiete Mitwirkung auf Augenhöhe gewährleistet wird. Dies bedeutet, dass die Öffentlichkeit, Kommunen und Verbände mehr Zeit und finanzielle Mittel erhalten, um kritische Expertise zu finanzieren. Der Zwischenbericht Teilgebiete inklusive der beigefügten Dokumente besteht aus über 100.000 Seiten und soll nun in wenigen Monaten kritisch kommentiert werden – bei dem jetzigen Vorgehen ist das kaum möglich. Außerdem müssen die zugrundeliegenden Daten für Interessierte nachvollziehbar offengelegt werden. Derzeit sind nur drei Prozent der Daten, die den Ausschluss bestimmter Gebiete begründen, veröffentlicht.
Ein Scheitern der Suche wäre fatal, denn bisher steht der Atommüll in 16 unzureichend gesicherten Zwischenlagern in ganz Deutschland. Eine Studie des BUND zeigt die vielfältigen und gravierenden Mängel auf. "Auch wenn der BUND Jahrzehnte gegen den Müll und die Atomkraft protestiert hat, sehen wir uns in der Verantwortung, einen Umgang mit dem Müll zu finden", so Edo Günther, Sprecher des Bundesarbeitskreises Atomenergie und Strahlenschutz des BUND. "Eine dauerhafte Zwischenlagerung darf es nicht geben. Mit der Fachkonferenz Teilgebiete muss nun eine gesamtgesellschaftliche Debatte der Frage beginnen, wie wir einen möglichst sicheren Umgang mit dem Atommüll gewährleisten."
Aus Sicht des BUND funktionieren echte Beteiligung und Transparenz am Auswahlverfahren nur kontinuierlich – hier muss das Verfahren deutlich nachgebessert werden. Nachdem die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) im Zwischenbericht Teilgebiete 54 Prozent der Landesfläche als potentiell geeignete Gebiete für Atommülllager ausgewiesen hat, erfolgt nun eine deutliche Eingrenzung der Standortregionen. Diese Auswahl, die unabhängig von der Fachkonferenz Teilgebiete läuft, soll jedoch ohne die Möglichkeit öffentlicher Einblicke oder Mitwirkung vollzogen werden. Der BUND fordert, dass die BGE ihre weitere Auswahl vorerst aussetzt, bis die Öffentlichkeitsbeteiligung vom BASE in vollem Maße gewährleistet ist. Aus Sicht des BUND braucht es eine gläserne BGE, die alle Ergebnisse und weiteren Schritte nachvollziehbar und für alle transparent macht.
Die Aufgabe der Atommülllagersuche ist eine Ewigkeitsaufgabe und betrifft die nächsten 30.000 Generationen – für eine glaubwürdige Lösung müssen daher auch die zukünftigen Generationen umfassend mitgedacht werden. "Im aktuellen Beteiligungsprozess ist die junge Generation noch gar nicht angesprochen. Damit scheitert es schon jetzt, die nächste Generation in die Verantwortung einzubinden – kein gutes Signal bei einem Problem, das uns noch für eine Million Jahre beschäftigen wird", so Alexandra Struck, Mitglied im Bundesvorstand der BUNDjugend.
Der BUND fordert, dass endlich – und spätestens mit der Fachkonferenz Teilgebiete – die gesetzlich vorgeschriebenen Ansprüche auf Transparenz, Beteiligung und Wissenschaftlichkeit ernst gemeint umgesetzt werden.
Mehr Informationen
- Die digitale Auftaktveranstaltung der Fachkonferenz Teilgebiete ist das erste Beteiligungsformat für eine breite Öffentlichkeit – nach drei Jahren Atommülllager-Suche. Die Konferenz besteht aus Bürger*innen, Wissenschaftler*innen, Vertreter*innen aus Verbänden und Kommunen und soll den Ende September vorgelegten Zwischenbericht Teilgebiete bis Juni kommenden Jahres kommentieren.
- Die für den BUND erstellte "Analyse der geplanten Kriterien-Anwendung bei der Suche nach einem Standort für ein tiefengeologisches Lager für radioaktive Abfälle" des Bauingenieurs Christian Flache wirft zahlreiche kritische Fragen zu den Grundlagen des Zwischenberichts Teilgebiete auf. Die Methoden, die zur Anwendung der Kriterien von der BGE entwickelt werden mussten, sind nicht ausreichend wissenschaftlich diskutiert und begründet: So werden beispielsweise im Rahmen der Anwendung der Mindestanforderungen Wirtsgesteinvorkommen, die tiefer als 1.500 Meter liegen, ausgeschlossen. Weder das Standortauswahlgesetz (StandAG) schreibt dies vor, noch wird eine wissenschaftliche Begründung geliefert. Die Analyse zeigt, wie bei mehreren Ausschlusskriterien große Flächen ausgeschlossen werden sollen, bei denen nicht sicher geklärt ist, dass sie auch ein Ausschlusskriterium erfüllen.
- Analyse der geplanten Kriterien-Anwendung bei der Suche nach einem Standort für ein tiefengeologisches Lager für radioaktive Abfälle (PDF)
- Aktuelle Probleme und Gefahren bei deutschen Zwischenlagern für hoch-radioaktive Abfälle (PDF)
- zur Endlagersuche
- Pressekontakt: Juliane Dickel, Leitung Atom- und Energiepolitik, BUND-Expertin für Energiepolitik, Tel. (030) 2 75 86-562, Mobil: 01 76 / 31 26 79 36, juliane.dickel(at)bund.net sowie BUND-Pressestelle (Sigrid Wolff / Daniel Jahn / Judith Freund / Heye Jensen), Tel. (030) 2 75 86-425 / -531 / -497 / -464, presse(at)bund.net