Der Castortransport 2008 erreicht Dannenberg im Wendland; Foto: Simon Avenia / PubliXviewinG

Atommüll-Endlager: So läuft die Suche

Noch immer gibt es kein dauerhaftes Lager für Atommüll. Seit 2017 läuft in Deutschland die Suche nach einem geeigneten Ort tief unter der Erde für die hochradioaktiven Abfälle aus deutschen Atomkraftwerken.

Was ist ein Atommüll-Endlager?

Ein Atommüll-Endlager soll den strahlenden Müll über Jahrtausende sicher vor Mensch und Umwelt abschirmen. Technische Barrieren, wie beispielsweise dicke Kupfer-Behälter, und vor allem geologische Barrieren, also Gesteinsschichten, sollen vor der Freisetzung von Radioaktivität schützen. In Deutschland soll der hochradioaktive Atommüll aus den Atomkraftwerken so für mindestens eine Million Jahre in einer Tiefe zwischen 300 bis 1500 Meter unter der Erdoberfläche gelagert werden. Weltweit sind sich Wissenschaftler*innen einig, dass diese dauerhafte unterirdische Lagerung die bisher sicherste Option zum Umgang mit radioaktivem Abfällen ist. Der BUND teilt diese Einschätzung.

Welche Risiken gibt es bei der Atommülllagerung? 

Doch auch bei dieser unterirdischen Lagerung von Atommüll bestehen Risiken, wenn beispielsweise durch Risse im Gestein, Erdbeben, undichte Behälter oder Eiszeiten Radioaktivität austritt. Damit diese Risiken möglichst gering bleiben, setzt sich der BUND für eine sorgfältige und wissenschaftliche Endlagersuche ein. Dabei ist der Begriff „Atommüll-Endlager“ genau genommen irreführend: Kein Ort wird für eine Million Jahre vollständige Sicherheit und ein "Ende" des Atommülls gewährleisten. Genau das suggeriert aber der Begriff. Wir nutzen ihn hier dennoch, da es der gebräuchliche Begriff ist, unter dem die Atommüll-Lagerung in Deutschland diskutiert wird.

Wie läuft die Suche nach dem deutschen Atommüll-Endlager?

Das Standortauswahlgesetz legt fest, nach welchen Kriterien der deutsche Endlager-Standort ausgewählt wird und wie das Suchverfahren abläuft. Die Bundesregierung hat die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) damit beauftragt, ein Atommüll-Endlager zu suchen. Dazu prüft die BGE die geologischen Voraussetzungen in Deutschland. In einem vergleichenden, dreistufigen Standwortauswahlverfahren soll der Standort mit der bestmöglichen Sicherheit für ein tiefengeologisches Atommüll-Lager in Salz-, Ton- oder Kristallingestein gefunden werden. Es ist gesetzlich festgelegt, dass die Standortauswahl auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen muss und die Bevölkerung sich an dem Auswahlverfahren beteiligen kann. Das Bundesamt für die kerntechnische Entsorgung (BASE) überwacht das Vorhaben und beteiligt die Öffentlichkeit. Die abschließende Standortentscheidung trifft der Bundestag.

Die drei Phasen des Standortauswahlverfahrens

  • Phase 1: Die erste Phase des Standortauswahlverfahren läuft seit 2017 und soll voraussichtlich Anfang der 2030er Jahre abgeschlossen werden. In dieser Phase werden bestehende Daten des geologischen Untergrundes in ganz Deutschland ausgewertet. Am Ende der ersten Phase bestimmt der Bundestag geeignete Standort-Regionen.
  • Phase 2: Diese Standort-Regionen werden mit übertägigen Methoden erkundet. Die zuständige BGE erhebt in den ausgewählten Regionen eigenes Datenmaterial durch Bohrungen und seismische Messungen. Am Ende der Phase 2 bestimmt der Bundestag mindestens zwei Standorte, die unter der Erde erkundet werden sollen.
  • Phase 3: Die verbleibenden Standorte werden durch die BGE unterirdisch erkundet und ein geeigneter Standort wird identifiziert. Schließlich entscheidet der Bundestag und erlässt ein Gesetz.

Im Standortauswahlgesetz sind aus Sicht des BUND viele richtige Grundsätze, wie die wissenschaftliche Suche mit Beteiligung, vereinbart. Doch schon jetzt zeigt sich, dass diese Grundpfeiler nicht immer umgesetzt werden. Die detailierten BUND-Forderungen zum Standortauswahlgesetz finden Sie hier zum Download (pdf)

Wie weit ist die Suche nach dem Atommüll-Endlager?

Die Standortsuche befindet sich in der zweiten Hälfte der ersten Phase. Im Herbst 2027 will die BGE einen Vorschlag über geeignete Standortregionen vorlegen. Anschließend starten in jeder Region Regionalkonferenzen, an denen sich die Betroffenen beteiligen können. Seit 2017 schließt die BGE ungeeignete Gebiete in Deutschland aus und grenzt mögliche Regionen immer weiter ein. Im zuletzt veröffentlichten Arbeitsstand (November 2024) sind laut BGE noch 44 Prozent der Fläche Deutschlands im Rennen. Das betrifft alle Bundesländer bis auf das Saarland. Die ausgeschiedenen Regionen verfügen laut BGE nicht über geeignete Gesteinsschichten, weil diese beispielsweise zu flach sind, durch potentielle Erdbebenzonen gefährdet oder zu porös sind. Die Karte der BGE zeigt in grau alle Regionen, die noch weiter im Suchverfahren sind. Es ist gut, dass die BGE wissenschaftlich vorgeht und genau eingrenzt, in der Kommunikation müsste sie aber aus Sicht des BUND geeignete Gebiete viel stärker in den Mittelpunkt rücken, damit Menschen sich frühzeitig in das Verfahren einbringen können. Der BUND hat zum Arbeitsstand 2024 eine kritische Lesehilfe erstellt.

Zwischenbericht Teilgebiete

2020 hat die BGE die erste Hälfte der Phase 1 abgeschlossen und den sogenannten „Zwischenbericht Teilgebiete“ veröffentlicht. Darin wurden 54 Prozent der Landesfläche mit 90 Teilgebieten als noch potentiell endlagertauglich bewertet. Aus Sicht des BUND war der Zwischenbericht unfertig. Es fehlte eine Eingrenzung der Regionen und eine Verkleinerung der Gebiete, was die Datenlage auch ermöglicht hätte. Auch die Beteiligung der Öffentlichkeit an den Ergebnissen war aus Sicht des BUND unzureichend.

Wann wird der Endlager-Standort festgelegt?

Bereits zu Beginn der Suche war dem BUND und vielen anderen Akteur*innen klar, dass das Ziel, bis zum Jahr 2031 einen Standort zu finden, nicht haltbar ist. Nun sehen die aktuellen Zeitabschätzungen eine Standortfestlegung erst für das Jahr 2046 oder gar 2074 vor. Schnell haben Politiker*innen eine deutliche Beschleunigung des Verfahrens gefordert und bereits jetzt werden Gesetzesänderungen vorgeschlagen. Der BUND warnt davor, den Minimalkonsens des Verfahrens aufzukündigen und die Suche auf Kosten von Sicherheit, Transparenz oder Beteiligung zu beschleunigen. Das Verfahren sollte im Sinne eines „lernenden Verfahrens“ – so ist es gesetzlich festgeschrieben – optimiert werden. Dazu muss die Verbesserung im Mittelpunkt stehen und nicht allein die Beschleunigung. Gleichzeitig muss auch die zwischenzeitliche Lagerung des Atommülls nachgebessert werden. Schon jetzt ist die Situation an den Zwischenlagern problematisch und der Müll wird dort noch sehr lange stehen müssen. 

Wer zahlt für die Atommülllagersuche?

Die Atomkonzerne haben im Jahr 2017 24,1 Milliarden Euro an den deutschen Staat gezahlt. Das Geld wurde im Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO) angelegt. Die Verantwortung für den radioaktiven Müll wurde damit an den Staat übergeben. Doch schon jetzt ist unklar, ob die Summe ausreicht. Die nun länger veranschlagten Zeitpläne verschärfen das Problem. Wenn das Geld nicht reicht, müssen die Steuerzahlenden aushelfen.

Gibt es Alternativen zum unterirdischen Endlager?

Nein. Bisher sind alle diskutierten Lösungen viel zu riskant, gescheitert oder technisch nicht umsetzbar. Vor allem die viel besprochene Transmutation, also die Umwandlung des Atommülls, existiert auf absehbare Zeit nur in der Theorie und würde mehr Probleme schaffen als lösen.

Was ist mit dem Salzstock Gorleben?

Erkundungsbergwerk am Salzstock Gorleben; Foto: Fice / Wikimedia Commons Der Salzstock Gorleben ist im Jahr 2020 als Endlager-Standort aus der Suche ausgeschieden.  (Fice / Wikimedia Commons)

Schon in den 1970er Jahren, als Gorleben für ein Endlager vorgeschlagen wurde, war klar, dass der Salzstock geologisch ungeeignet und für Atommüll viel zu unsicher ist. Der BUND hat sich als Teil der Anti-Atomkraft-Bewegung schon früh klar gegen Gorleben positioniert. Mit dem zweiten Atomausstieg 2011 wurde auch die Endlagerfrage neu diskutiert. Schließlich haben Bundestag und Bundesrat im Jahr 2014 die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ – kurz Atommüll-Kommission, einberufen. Diese sollte Empfehlungen für den Ablauf des neuen Endlager-Suchverfahrens erarbeiten. Auch der BUND hat daran konstruktiv mitgewirkt, konnte dem Abschlussbericht jedoch aufgrund der vielen Mängel nicht zustimmen. Unter anderem sollte Gorleben weiter als potentielles Endlager im Suchverfahren bleiben. Der BUND hat ein Sondervotum veröffentlicht. Der Salzstock Gorleben ist schließlich folgerichtig im Jahr 2020 aus der Suche ausgeschieden, da er geologisch nicht geeignet ist und ein viel zu großes Risiko darstellen würde.

Auch für schwach- und mittelradioaktive Abfälle fehlt ein sicheres Endlager

Neben dem hochradioaktiven Abfall lagern in Deutschland auch hunderttausende Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Etwa die Hälfte dieses Mülls soll – trotz massiver Bedenken hinsichtlich der Sicherheit – in das Erzbergwerk Schacht Konrad in Niedersachsen eingelagert werden. Für den Rest des Mülls fehlt bislang eine langfristige Lagerung. Das sind unter anderem Abfälle aus dem havarierten Versuchsendlager Asse II, die noch zurückgeholt werden müssen, und Uranabfälle aus der Uranfabrik Gronau. Laut Gesetz könnten diese Abfälle theoretisch am gleichen Standort wie der hochradioaktive Müll lagern, in einem benachbarten Endlager. Wenn das die Sicherheit der ersten Lagerstätte nicht beeinträchtigen würde. Auch hier braucht es dringend eine ehrliche, transparente Debatte und eine verantwortungsvolle Suche.

Der BUND fordert

  • Keine Beschleunigung des Auswahlverfahrens zu Lasten von Beteiligung und Wissenschaftlichkeit. Bei der Suche dürfen nicht ganze Gesteine oder Regionen aufgrund von politischen Festlegungen herausfallen. Die BGE muss eine wissenschaftlich begründete Auswahl vornehmen. Dabei muss ausreichend Zeit für Beteiligung eingeplant sein. Im Sinne eines lernenden Verfahrens sollten Optimierungs- und Verbesserungspotentiale ständig überprüft, öffentlich diskutiert und umgesetzt werden.
  • Stärkerer Fokus auf Strahlenschutz. Die Belastung zukünftiger Generationen und der Umwelt müssen auch unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte so weit wie möglich vermieden werden. Denn jede noch so geringe Strahlungsmenge birgt ein Risiko.
  • Verbindliche und kontinuierliche Beteiligung. Das BASE muss endlich Beteiligungsformate und -bedingungen schaffen, die guten Standards entsprechen. Dazu braucht es unter anderem eine nachvollziehbare Informationsgrundlage, festgeschriebene Wirksamkeit der Beteiligung und finanzielle Unterstützung der Zivilgesellschaft, beispielsweise für unabhängige wissenschaftliche Expertise.
  • Transparenz aller Daten und Entscheidungen: Die BGE muss nachvollziehbar und kontinuierlich Transparenz über Arbeitsstände und Fortschritte der Suche schaffen, damit sich Menschen beteiligen können. Dazu dürfen keine Informationen mehr zurückgehalten werden.
  • Blick auf das gesamte Atommüllproblem. Auch die Probleme der Zwischenlager und der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle müssen jetzt vom Bundesumweltministerium, dem BASE und der BGE stärker in den Blick genommen werden. Es braucht eine wissenschaftsbasierte Suche für alle Arten des Atommülls. Für die Zwischenlager braucht es ein durchdachtes Gesamtkonzept

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