Atommüll: Atomare Nachrichten für die ferne Zukunft

16. Februar 2024 | Atomkraft

Das Bundesumweltministerium arbeitet derzeit an einer Verordnung, welche Daten über den deutschen Atommüll für bis zu einer Million Jahre gespeichert werden sollen. Zukünftige Generationen sollen die Gefahren der Atomkraft kennen und wissen, was bei Havarien oder Unfällen an einem möglichen „Endlager“ zu tun ist. Ein Vorhaben, das die Absurdität der Atomkraftnutzung deutlich vor Augen führt: Gefahren und Risiken werden auf viele zukünftige Generationen verschoben.

Grafische Darstellung einer Strahlenkatze. Strahlenkatzen als Warnsignal: Die Fellfarbe der Katzen sollte sich bei erhöhter Radioaktivität verändern und so vor den Gefahren warnen.  (Bild: erstellt via canva pro)

Wenn einem heute eine Diskette in die Hände fällt, beginnt häufig das große Rätselraten, wie sich die gespeicherten Daten lesen lassen. Menschen, die Mitte 20 oder jünger sind, kennen das Speichermedium nur als historisches Relikt. Dabei war die floppy disk noch bis Ende der 90er Jahre das Standard-Medium, um Daten zu speichern und zu transferieren. Es ist also schon nach einem Zeitraum von 25 Jahren ein Problem, Daten auszulesen. Bei den Zeitdimensionen, die radioaktive Abfälle betreffen, ist das noch gravierender.

Datenspeicherung für mindestens 500 Jahre

Daher suchen in Deutschland Behörden und Wissenschaftler*innen nach einer Datenspeicherung, die mindestens 500 Jahre lang, gerne sogar eine Million Jahre, Bestand hat und gelesen werden kann. Auf diesem Weg zur Langzeitspeicherung schlägt das Umweltministerium nun erstmals vor, welche Informationen überhaupt gespeichert werden sollen: Beispielsweise welcher Atommüll wie und wo gelagert wird. Weltweit hat bisher niemand eine plausible Lösung, wie diese Kommunikation in die ferne Zukunft gelingen soll.

Atompriester und Strahlenkatzen: Kuriose Ideen für ein ernstes Problem 

Seit Anfang der 1980er Jahren diskutieren Wissenschaftler*innen unter dem Schlagwort "Atomsemiotik" die Frage, wie die Gefahren des Atommülls an die Nachwelt kommuniziert werden können. Einige der bisher erdachten Lösungsansätze erscheinen heute schlicht kurios. So wurden für das umstrittene US-amerikanische Atommülllager große Monumente mit Erdwällen und Obelisken erdacht, die über dem „Endlager“ vor der Gefahr warnen sollten. Der Sprachwissenschaftler Thomas Sebeok schlug vor, das Wissen über eine Atompriesterschaft weiter zu geben. Hierzu sollten auserwählte Priester durch Rituale die Informationen über die gefährlichen radioaktiven Stoffe für Jahrtausende weitertragen. Die Philosophen Françoise Bastide und Paolo Fabbri sprachen sich für die Weitergabe der Informationen durch genetische Veränderungen aus. Das wollten sie mit Hilfe von Strahlenkatzen machen: Die Fellfarbe der Katzen sollte sich bei erhöhter Radioaktivität verändern und so vor den Gefahren warnen. Auch heute wird an der Idee der „lebenden Detektoren“ weitergeforscht, etwa in Form von Pflanzen, die radioaktive Gefahren anzeigen. Eine funktionierende Lösung, wie zukünftige Generationen Wissen über den gefährlichen Müll erhalten, wurde bisher nicht gefunden.

Atommüll wird immer mehr

Dabei wachsen die Berge der strahlenden Abfälle weltweit weiter an. Allein in den weltweit rund 400 Atomkraftwerken entstehen jährlich 12.000 Tonnen Atommüll. Auch in Deutschland fällt trotz AKW-Aus weiterhin Atommüll an.  Die Uranfabriken in Lingen und Gronau oder der Forschungsreaktor in Garching bei München sind noch in Betrieb und produzieren entsprechend weiter Atommüll.

Dokumentationsverordnung als deutsche Antwort auf die Strahlenkatze?

Das deutsche Standortauswahlgesetz legt fest, dass in einer „Dokumentationsverordnung“ definiert wird, welches Wissen über Atommüll langfristig (bis zu einer Million Jahre) aufgezeichnet und verwahrt werden soll. Dazu gehören auch Abfallstoffe aus dem Abriss von Atomkraftwerken, die durch sogenannte Freigabe auf normalen Mülldeponien landen. Die Geschichte der bisherigen Atommülllagerung hat gezeigt, dass durch Versäumnisse, aber auch gezieltes Vertuschen, entscheidende Informationen verlorengegangen sind. Diese Fehler dürfen sich nicht wiederholen.

Reine Dokumentation reicht nicht aus

Die Eckpunkte der Verordnung konzentrieren sich hauptsächlich auf die Frage, welche Speicherdaten erfasst und abgelegt werden sollen. Aber ein einfaches „Abheften“ der Dokumente wird dem Problem nicht gerecht. Die Bedarfe zukünftiger Nutzer*innen müssen viel stärker in den Blick genommen werden. Das Wissen muss mit Hintergrundinformationen verständlich gemacht werden und in einen Gesamt-Zusammenhang eingeordnet werden. Auch der Zugang zu den Informationen muss so barrierearm wie möglich gestaltet sein. Bereits jetzt ist ein einfacher Zugang zu dem Wissen rund um Atommüll sinnvoll. Der jetzt laufende und noch lange andauernde Prozess der Standortsuche sollte von allen verstanden werden und es muss möglich sein, fehlende Daten der Dokumentation hinzuzufügen und das Wissen darüber lebendig zu halten.

Atomkraft hat keine Zukunft

Auch nach dem Aus der AKWs in Deutschland wird immer wieder über einen Wiedereinstieg in die Nutzung von Atomkraft diskutiert. Die Frage der Informationsweitergabe in eine ferne Zukunft zeigt, dass das nicht der richtige Weg sein kann. Unser Atommüll wird noch unzählige Generation nach uns beschäftigen. Alleine die Stilllegung und der Rückbau der AKWs kostet Milliarden. In 16 unzureichend gesicherten Zwischenlagern lagern unsere hochradioaktiven Abfälle. Bis heute gibt es keine Antwort auf die Frage nach der sicheren Entsorgung des Atommülls. Die drei Reaktoren, die zuletzt noch im Streckbetrieb liefen, deckten in ihren letzten Betriebsmonaten lediglich zwei Prozent des deutschen Strombedarfs. Atomkraft hat keine Zukunft – der Müll bleibt jedoch für eine Ewigkeit.

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