Wie kann die sozial-ökologische Mobilitätswende gelingen? Wie können wir den öffentlichen Personennahverkehr ausbauen? Wie gelingt gute Verkehrsinfrastrukturplanung mit Beteiligungsmöglichkeiten und wie eine Bundesbedarfsplanung, die Fragen des Biodiversitäts- und Klimaschutzes berücksichtigt?
Und wie können wir die Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland reduzieren?
Notwendige Weichenstellungen in der Mobilitätspolitik diskutierten wir am 31. Mai 2022 mit dem Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP).
Sie können die komplette Veranstaltung auf dem BUND-Youtube-Kanal nachsehen:
Das nehmen wir aus der Veranstaltung mit:
Der BUND fordert ein umgehendes Moratorium, das den Aus- und Neubau sowie die Planung von Autobahnen und Bundesstraßen stoppt. In der letzten Woche haben wir in einer Veröffentlichung anhand von zwölf Autobahnen und Fernstraßen gezeigt, welche Probleme bei der Planung in Deutschland aktuell bestehen. Etwa bei der A20, deren Weiterbau wertvolle Moore und Feuchtgebiete und damit natürliche Kohlenstoffsenken zerstören würde.
In der Diskussion verweist Bundeverkehrsminister Wissing auf die Bedarfsplanung, die auch vor der veränderten Lage durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine abgewartet werden müsse. Anschließend müsse eine Anpassung mit dem Bundestag abgestimmt werden, der den Bundesverkehrswegeplan beschlossen hat. Als Bundesverkehrsminister sei er an Beschlüsse durch das Parlament gebunden.
Die weitere Förderung des Pkw-Verkehrs rechtfertigt er damit, dass Menschen frei entscheiden sollen. Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt hingegen weist darauf hin, wie viel Geld für den Erhalt und die Sanierung von bestehenden Verkehrswegen benötigt werde. Dies mache die aktuelle Planung neuer, zusätzlicher Fernstraßen noch unverantwortlicher. Er fordert eine klare Priorisierung: Erhalt statt Neubau. Allein 4.000 bestehende Brücken müssten saniert oder neu gebaut werden. Hierfür und für Verbesserungen bei der Schiene müssten Kapazitäten reserviert werden.
Julia Dade aus dem Bundesvorstand der BUNDjugend macht in der Diskussion klar, dass junge Menschen und alle, die keinen Führerschein besitzen oder nicht Auto fahren können oder wollen, eine Wahlfreiheit über ihr Verkehrsmittel haben müssen. Ihnen würde aufgrund des schlecht ausgebauten öffentlichen Personennahverkehrs und unsicherer Radwege im Moment diese Freiheit genommen.
Ein Ansatz wie das 9-Euro-Ticket sei zwar ein guter erster Schritt. Doch müsse auch dauerhaft dafür gesorgt werden, dass Mobilität für alle bezahlbar, barrierefrei und gut ausgebaut sei. Tankrabatte hingegen seien ein Schritt in die vollkommen falsche Richtung und würden ebenso wie das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr zeigen, dass Geld ausreichend vorhanden sei. Und auch im Verkehrsbereich selbst gäbe es genug Geld, es müsste aber anders verteilt werden: weniger klimaschädliche Subventionen für Dienstwagen und Steuerermäßigungen für Dieselkraftstoff und Kerosin, dafür mehr Geld für den Verkehrsverbund aus Fuß-, Rad- und öffentlichem Verkehr.
Minister Wissing betont in der Veranstaltung, dass er sich viel vorgenommen habe: den Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Dekarbonisierung des Flugverkehrs sowie die Digitalstrategie der Bundesregierung. Zusätzlich müsse er sich im Moment um die Getreidebrücke aus der Ukraine kümmern. Als er konkret auf den Abbau klimaschädlicher Subventionen angesprochen wird, den die Ampel-Koalition umsetzen möchte und die G7-Klimaminister*innen gerade noch mal bekräftigt haben, weicht der Bundesminister aus. Er könne sich zwar vorstellen, Kaufprämien zu streichen, um u.a. synthetische Kraftstoffe zu subventionieren. Mit Blick auf die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie sei eine Abschaffung des Dienstwagenprivilegs durch den Bundeswirtschaftsminister aber unwahrscheinlich.
Welche Maßnahme der Verkehrsminister ergreifen will, um die Klimaziele im Verkehrssektor einzuhalten, ließ er ebenso offen. Die Regierung sei beim Klimaschutz-Sofortprogramm noch in Abstimmungen. Obwohl er den Ausbau von Fernstraßen noch mit der veränderten Lage aufgrund des russischen Kriegs in der Ukraine begründet hatte, beantwortet Minister Wissing die häufigste Publikumsfrage nach einem Tempolimit damit, dass dies im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen sei. Olaf Bandt betonte hier noch einmal, dass die Ampel in der aktuellen Lage bereits wiederholt Punkte in die Umsetzung gebracht habe, die nicht im Koalitionsvertrag geregelt seien. Es sei deshalb der Lage nicht angemessen, dass ausgerechnet beim Tempolimit nicht gehandelt würde.
Minister Wissing bekräftigt zum Schluss, dass er aus der Veranstaltung mitgenommen habe, dass es wichtig sei, gesellschaftliche Gruppen wie den BUND in anstehende Prozesse (wie die Planungsbeschleunigung) gut und frühzeitig einzubinden.
Der BUND macht weiter Druck:
Mit einer Petition wenden wir uns gemeinsam an den Minister: Der Autobahnen-Neubau muss gestoppt werden!
- An den dezentralen Aktionstagen zur Mobilitätswende am 18./19. Juni 2022 gehen wir gemeinsam auf die Straße. Seien sie dabei!
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- Verkehrsinfrastruktur: Straßenbau erhöht den Verkehr, nicht die Mobilität!
- Desaster im Dutzend: Zwölf der unnötigsten Fernstraßen-Projekte Deutschlands
- Für mehr Mobilität bei weniger (Auto-)Verkehr: www.bund.net/mobilitaet