Deutschland nach der Bundestagswahl 2017 – was bringt eine mögliche Jamaika-Koalition für Klimaschutz und den Umbau der Landwirtschaft?

09. November 2017 | Bundestagswahl

Das Ergebnis der Bundestagswahl und die noch am Wahlabend erfolgte Erklärung der SPD, für eine Regierungskoalition nicht zur Verfügung zu stehen, lässt nur eine mögliche Konstellation zu: Union, FDP und Grünen müssen sich in einem Jamaika-Bündnis einigen.

Im Wahlkampf haben ökologische Themen wie der Schutz von Klima und Artenvielfalt kaum eine Rolle gespielt, obwohl sich die Parteien gerade hier sowohl bezüglich des Problembewusstseins als auch hinsichtlich der vorgeschlagenen Lösungswege deutlich unterscheiden. Nun gehören zumindest Klimaschutz und der Umbau der Nutztierhaltung gemäß des "Zehn-Punkte-Plan für Grünes Regieren" zu den zentralen Themen der Sondierungsgespräche. Ob die vier Parteien sich einigen können, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar. Doch gesetzt den Fall, es gelänge: Welche Chancen und Risiken stecken in dem schwarz-gelb-grünen Regierungsbündnis?

Klimaschutz und erneuerbare Energien

Das sofortige Stilllegen der ältesten und dreckigsten Kohlemeiler ist eine der Hauptforderungen des BUND an die neue Regierung. Nur so können die kurz- und mittelfristigen Klimaziele der Bundesregierung eingehalten werden. Auch die Mehrheit der Bevölkerung ist dafür, das Klimaziel 2020 zu erreichen und befürwortet den Kohleausstieg, wie eine Umfrage im Auftrag des BUND im Sommer 2017 ergeben hat.

Wenige Tage vor der Wahl hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel noch versprochen, Deutschland werde Wege finden, das Klimaziel 2020 zu erfüllen, was bedeutet, die nationalen Klimaemissionen um 40 Prozent bis 2020 zu reduzieren. Realistisch gesehen führt dabei am Kohleausstieg kein Weg vorbei, denn mit keiner anderen Maßnahme wäre die nötige CO2-Reduktion noch zu erreichen. Dass Christian Lindner sich jetzt mit dem CSU-Landesgruppenvorsitzenden Alexander Dobrindt gemein macht und die Grünen insbesondere beim Klimaschutz zur Mäßigung ermahnt, lässt sich nur als Verhandlungstrick deuten. Soll hier vielleicht die Abschaffung des Soli durch Zugeständnisse bei der Energiewende erkauft werden?

Denn es ist wohl allen klar: Bündnis90/Die Grünen können einem Koalitionsvertrag, der sich des Kohleausstiegs nicht beherzt annimmt, nicht zustimmen. Aber auch für die Union, unter deren Regierungszeit die Klimaziele beschlossen wurden, sind solche Scheindebatten unwürdig.

Aus Sicht des BUND muss der Kohleausstieg von einer beschleunigten Erneuerbaren-Energien-Wende flankiert werden. Der Ausbau-Deckel für die Erneuerbaren muss aufgehoben werden. Union und Grüne sind sich hier näher und müssen die FDP dazu bewegen, die Förderung für erneuerbare Energien anzuerkennen, mit denen schon jetzt mehr als 350.000 Arbeitsplätze gesichert werden.

Vollkommen offen ist die Frage, wie die Verkehrsemissionen in einer schwarz-gelb-grünen Koalition reduziert werden können. Nur regulierende und kontrollierende staatliche Maßnahmen können sicherstellen, dass gesundheitlich notwendige Abgasgrenzwerte nicht nur auf dem Papier, sondern auch auf der Straße eingehalten werden. Eine Alternative zur Forderung der Grünen nach einem Stopp des Verbrennungsmotors wäre nur, die EU-CO2-Grenzwerte erheblich zu verschärfen, realistische Messverfahren einzuführen und die steuerliche Diesel-Begünstigung abzuschaffen. Da FDP und Grüne gleichermaßen angekündigt haben, einen Subventionsabbau anzugehen, besteht vielleicht eine Chance, dass man sich auf die Beendigung der Subventionen für fossile Energien wie Dieselkraftstoffe einigt.

Es wird davon abhängen, ob sich die Union und die FDP genügend Distanz zur Autoindustrie verschaffen, um ihre jetzige Klientelpolitik zugunsten der deutschen Automobilhersteller einem Realitätscheck zu unterziehen.

Licht und Schatten in der Landwirtschaft

Auch ein Fortschritt in der Agrarpolitik scheint derzeit eine große Herausforderung. Klar ist, die nächste Bundesregierung muss den Umbau der Tierhaltung in Deutschland einleiten. Denn der heutigen Intensivtierhaltung mit ihren tier- und umweltschädlichen Konsequenzen fehlt nicht nur die gesellschaftliche Akzeptanz (siehe Umfrage), sie ist auch wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge nicht zukunftsfähig. Es ist notwendig, dass die Erarbeitung einer Strategie zum Umbau der Tierhaltung bis zur Mitte der Legislaturperiode abgeschlossen und mit einem verbindlichen Finanzierungsplan, einem ambitionierten Zeitplan und gesetzlichen Rahmenregelungen unterlegt wird.

Die mögliche Jamaika-Koalition eint das Ziel, Planungssicherheit für die Landwirtschaft schaffen zu wollen. Unstrittig dürfte auch sein, dass die Betriebe dies nicht alleine stemmen können, sondern mit geeigneten Anreizsystemen und Förderinstrumenten unterstützt werden müssen. Offen ist hingegen, inwieweit unter einer schwarz-gelb-grünen Konstellation das Ordnungsrecht verschärft würde.

Auch hinsichtlich einer von 82 Prozent der Verbraucher*innen befürworteten  verbindlichen staatlichen Haltungskennzeichnung für alle tierischen Produkte gehen die Positionen der Verhandlungspartner deutlich auseinander. Ein weiteres Konfliktfeld wird der Umgang mit Agrogentechnik und Pestiziden sein. CDU und FDP verfolgen hier eine Klientelpolitik zugunsten von Agroindustrie und industrieller Landwirtschaft. Klare Regulierungen für die alte und neue Gentechnik, ein wirksames Pestizidreduktionsprogramm sowie ein Verbot besonders problematischer Pestizide wie Glyphosat und Neonikotinoiden sind unverzichtbare Bausteine, um die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu schützen und Böden, Gewässer sowie Lebensmittel von schädlichen Rückständen freizuhalten.

Die Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Bündnis 90/Die Grünen gehen in die entscheidende Phase. Für den BUND ist die Messlatte klar: Als Ergebnisse der Gespräche müssen in den Bereichen Klima und Artenvielfalt sowohl der Kohleausstieg, begleitet von einem couragierten Ausbau der erneuerbaren Energien, als auch verbindliche Schritte hin zu einer sozial und ökologischen gerechten Agrarwende in der kommenden Legislaturperiode stehen.

Dies ist eine Kurzversion. Die ausführliche Analyse findet sich in der Druckversion der Politische Ökologie, Band 151 (www.oekom.de).

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