+++ Gemeinsame Pressemitteilung von BUND und Heinrich-Böll-Stiftung +++
Berlin. Die Heinrich-Böll-Stiftung und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordern von der deutschen und europäischen Politik einen grundlegenden Umbau der Fleischproduktion und gezielte Strategien für einen Verbrauchsrückgang um mindestens die Hälfte. Der heute veröffentlichte "Fleischatlas 2021" zeige, dass die weltweite Fleischproduktion ohne Kurswechsel bis 2028 um 40 Millionen auf rund 360 Millionen Tonnen im Jahr steigen könnte. Eine derartige Zunahme bei einem weiterhin zu hohen Pro-Kopf-Konsum in den Industrieländern verschärfe die Auswirkungen der Klimakrise für viele Menschen und weltweit, denn schon jetzt verursache die Tierhaltung 14,5 Prozent der globalen Emissionen. Zudem befördere die Fleischproduktion den globalen Artenschwund massiv.
Die Bürgerinnen und Bürger insbesondere der jüngeren Generationen verlangten zudem deutliche Veränderungen: Eine repräsentative Umfrage im "Fleischatlas 2021" zeigt, dass mehr als 70 Prozent der 15 bis 29-Jährigen die Fleischproduktion in Deutschland in ihrer jetzigen Form ablehnten. Vierzig Prozent der Befragten geben an, wenig Fleisch zu essen und 13 Prozent ernähren sich ausschließlich vegetarisch oder vegan – doppelt so viele wie im Gesamtdurchschnitt der Bevölkerung. Begründet ist die kritische Haltung nicht zuletzt durch die deutliche Ablehnung der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie, die mehr als 70 Prozent der Befragten als abstoßend empfinden.
Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sagte: "Die industrielle Fleischproduktion ist nicht nur für prekäre Arbeitsbedingungen verantwortlich, sondern vertreibt Menschen von ihrem Land, befeuert Waldrodungen, Pestizideinsätze und Biodiversitätsverluste – und ist einer der wesentlichen Treiber der Klimakrise. Alleine die fünf größten Fleisch- und Milchkonzerne emittieren mit 578 Millionen Tonnen so viel klimaschädliche Gase wie der größte Ölmulti (Exxon) der Welt und erheblich mehr als Frankreich oder Großbritannien." Der Wachstumstrend in der globalen Fleischproduktion sei trotz Schweinepest im Kern ungebrochen. Immerhin ende in Deutschland als westeuropäischem Schlusslicht wenigstens dank der Gewerkschaften nun die Zeit der Leiharbeit und Werkverträge.
"Trotz Covid-Krise in den deutschen Schlachthöfen und dem von Frau Klöckner einberufenen Fleischgipfel im Sommer: Eine echte Fleischwende ist nicht eingeleitet. Keine Werkverträge mehr sind zwar ein gutes Zeichen, ein Ende der Ausbeutung markieren sie aber nicht. Die wirtschaftlichen Interessen der milliardenschweren Fleischindustrie und die Reformverweigerung der Politik halten uns auf einem dramatischen Irrweg, der die ökologischen Grenzen des Planeten sprengt. Das sehen inzwischen auch die jüngeren Generationen so: Sie akzeptieren das Geschäftsmodell der Fleischindustrie nicht mehr. Über 70 Prozent sind bereit, mehr für Fleisch zu zahlen, wenn die Produktionsbedingungen sich grundlegend ändern", so Unmüßig weiter. "Doch viel entscheidender ist: Eine Mehrheit von über 80 Prozent sieht vor allem die Politik in der Pflicht, endlich für eine bessere Tierhaltung und eine klimafreundliche Ernährung einzutreten."
Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND, sagte: "Die Politik muss dem gesellschaftlichen Wunsch nach dem Umbau der Tierhaltung Rechnung tragen. Dies erfordert eine weitreichende politische Neuausrichtung der Agrarpolitik, aber die Agrarwende wird ohne eine Ernährungswende nicht zu schaffen sein. Niedrige Preise machen es den Bäuerinnen und Bauern schwer, auf die gestiegenen Anforderungen nach mehr Umweltschutz und mehr Tierwohl zu reagieren. Daher sind die derzeitigen Proteste der Bäuerinnen und Bauern gegen die Preispolitik des Lebensmitteleinzelhandels vollkommen richtig. Auch deshalb muss Frau Klöckner ihre Verantwortung wahrnehmen und die Ergebnisse des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung umsetzen. Denn damit würde eine tierschutzgerechte Tierhaltung endlich verlässliche finanzielle Grundlagen bekommen."
Deutschland hat die Spitzenposition bei der Erzeugung von Schweinefleisch und Milch in der EU und erreicht Marktanteile von über 20 Prozent. Bandt: "Riesige Mengen werden exportiert. Diese Abhängigkeit vom Weltmarkt schadet der Umwelt, den Tieren und den bäuerlichen Betrieben. Auf immer weniger Höfen leben immer mehr Tiere. Wir dürfen hier keine weiteren bäuerlichen Betriebe verlieren, wenn wir den Umbau schaffen wollen." Seit 2010 ist die Tierzahl pro Betrieb bei Mastschweinen von 398 auf 653 gestiegen. Bedenklich sei, dass die Zahlen bei Schweinen besonders in Nordrhein-Westfalen und Niedersachen gestiegen sind – dort, wo bereits überdurchschnittlich viele Tiere gehalten werden. Damit wird die Verschmutzung des Grundwassers in diesen Regionen weiter verschärft.
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- Interview zum Thema Fleischkonsum mit BUND-Agrarexpertin Katrin Wenz: "Wie wir zu weniger Fleischkonsum und mehr Tierwohl kommen"
- Kontakt: BUND-Pressestelle (Sigrid Wolff / Daniel Jahn / Judith Freund / Heye Jensen), Tel. (030) 2 75 86-425 / -531 / -497 / -464, presse(at)bund.net