Zeitfenster 2030: Solidarisch statt imperial

16. Juni 2017 | Nachhaltigkeit, Suffizienz, Mobilität, Klimawandel

Zu oft entscheidet die Politik nach ökonomischer Wetterlage. Eine nachhaltige Entwicklung aber benötigt Weitblick. Im Rahmen unserer Serie "Zeitfenster 2030" versetzen sich Gastautor*innen ins Jahr 2030. Diesmal imaginieren zwei Politologen das Ende der imperialen Lebensweise.

Oldtimer. Foto: Pawel Kadysz /unsplash.com 2030 hat das Auto als Prestigeprojekt längst Rost angesetzt.  (Pawel Kadysz / unsplash.com)

Von Ulrich Brand und Markus Wissen 

Im Jahr 2030 blicken wir auf markante Veränderungen zurück. Etwa zehn Jahre vorher hatte sich ein Bewusstsein dafür ausgeprägt, dass es so nicht weitergehen kann. Einen wichtigen Anstoß gaben der Abgasskandal der Automobilbranche, die trotz umweltpolitischer Sauereien glänzende Gewinne machte, und die Augenwischerei von vielen Wirtschafts- und Verkehrspolitikern in Sachen Klimaschutz.

Die Bundestagswahl 2017 verdeutlichte, dass keine Partei auch nur im Ansatz thematisierte, wie unsolidarisch, ausbeuterisch und naturzerstörerisch sich das "Modell Deutschland" auf andere Weltregionen auswirkte. Das Fass zum Überlaufen brachte die Art, wie sich Europas Regierungen in Abgrenzung zu den von Trump geführten USA als fortschrittliche Alternative präsentierten – die sie nicht waren. Ging es doch immer und zuerst darum, die Macht der Eliten zu sichern.

Solidarische Gesellschaft

Das bewegte viele Menschen dazu, sich zu politisieren und zu engagieren. "Ya basta" – es reicht: Mit dieser Parole hatten die Indigenen in Mexiko 1994 ihre Geschicke selbst in die Hand genommen. Sie wurde richtungsweisend auch für die Menschen in Europa. Man begann die Umweltpolitik mit sozialen und internationalen Fragen zu verknüpfen. Die "imperiale" Produktions- und Lebensweise wurde als das größte Hindernis für eine solidarische Gesellschaft erkannt. So konnte der Aufstieg des Front National, der FPÖ, der polnischen PiS oder der niederländischen "Partei für die Freiheit" gestoppt werden. Die AfD landete in der Besenkammer des Deutschen Historischen Museums.

Besonders die große Flüchtlingsbewegung seit 2015 schärfte das Bewusstsein dafür, dass die Lebensweise der kapitalistischen Zentren in anderen Regionen für Zerstörung und Leid sorgt – indem sie die autoritären Regime im Nahen Osten stabilisierte, solange die den Ölfluss in den Norden sicherten. Oder indem sie die Klimakrise verschärfte, mit deren Folgen vor allem die Menschen im Süden zu kämpfen haben.

Ein Beispiel: Autofrei mobil

In dem Maße, wie diese Zusammenhänge nicht länger verleugnet wurden, verschob sich die gesellschaftliche Debatte: SUVs wurden für immer mehr Menschen zum Symbol umweltpolitischer Ignoranz und albernen Statusdenkens. Eltern protestierten gegen Stickoxide, Feinstaub und Lärm, soziale Bewegungen demonstrierten für "autobefreite" Städte, Kinder eroberten den jahrzehntelang zugeparkten öffentlichen Raum zurück.

Das Ende des imperialen Lebens

In Berlin, Wien und andernorts bekannten sich die Parteien unter wachsendem öffentlichen Druck dazu, die Lebensqualität wiederherzustellen und Autos aus den Städten zu verbannen. Das Privatauto mit Elektromotor – lange als Alternative des Verbrennungsmotors hochsubventioniert – endete in der Sackgasse. Daran konnte auch der ADAC nichts ändern. Niemand brauchte ihn mehr, er verstummte und löste sich auf.

Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Fahrradinfrastruktur machte die Städte lebenswerter und ihre Menschen mobiler und gesünder. Auch die Mobilität auf dem Land wurde zunehmend öffentlich und gemeinschaftlich organisiert. Alles in allem lebten die Menschen nicht länger auf Kosten anderer. Die imperiale Lebensweise war Geschichte.

  • Was soll sich Ihrer Meinung nach bis 2030 verändern? Wie wollen wir in dreizehn Jahren leben? Schreiben Sie Ihre Ideen an: jenny.blekker(at)bund.net 

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb