Warum nehmen wir Probleme nur ernst, wenn wirklich etwas passiert?
Ich erinnere mich an die Oderkatastrophe von 1997. Damals hatte Bundeskanzler Helmut Kohl gesagt: „Wir müssen den Flüssen mehr Raum lassen!“. Passiert ist leider relativ wenig. Von daher wirkt es immer wieder so, als ob erst eine Katastrophe passieren muss.
Auch das vom Bund erstellte Nationale Hochwasserschutzprogramm wurde nach dem Elbe-Hochwasser 2013 ins Leben gerufen. Bundesländer bekommen damit Geld, zum Beispiel um mehr Raum für Flüsse zu schaffen. Es bewegt sich also schon etwas.
Aber nicht so schnell, wie es sein müsste. Wo liegen denn die Probleme?
Das ist richtig. Rund 15 Prozent des Programms sind in der Bauphase, der Rest noch in Planung.
Oft stehen die Flächen für den Hochwasserschutz nicht zur Verfügung oder der Erwerb gestaltet sich als schwierig und langwierig. Da geht es insbesondere um Fragen der Landnutzung und Besitzverhältnisse. Eine mögliche Flurbereinigung zur Erlangung des Grundbesitzes kann eine Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen zeitlich weit nach hinten werfen. Und durch fehlendes Fachpersonal können sich Projekte auch verzögern – selbst wenn genug Geld zur Verfügung steht.
Wofür werden Flächen gebraucht? Deiche nehme doch kaum Platz weg...
Der Deich selbst ist das Problem. Er verengt das Flussbett. Pegel steigen dadurch schneller und vor allem höher. Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, dann brauchen wir Retentionsflächen, also Flächen, auf denen im Hochwasserfall Wasser hineinfließen kann.
Dass das wirkt, hat uns das Elbe-Hochwasser 2013 bereits gezeigt. Der BUND hatte zuvor 420 Hektar Deich bei Lenzen rückverlegt. Das hat eine Wasserstandsabsenkung von 50 Zentimetern bewirkt.
Zwar sind die sogenannten Polder beim technischen Hochwasserschutz beliebt, weil man sie kontrolliert steuern kann. Wenn die Flut am höchsten ist, öffnet man die Fläche und kappt so gezielt den Hochwasserscheitel.
Doch Deichrückverlegungen haben einen mehrfachen Nutzen, weil sie der Biodiversitätskrise und der Wasserknappheit entgegenwirken. In den wiedergewonnenen Überflutungsflächen können sich wertvolle Auenbiotope entwickeln und Wasser in der Landschaft gehalten werden. In Flutungspoldern ist das prinzipiell auch möglich. Doch werden diese nach einem Hochwasser abgepumpt, um die Flächen wieder für Land- und Fortwirtschaft nutzen zu können.
Und zum Schluss: Wie steht es um das Bewusstsein für Hochwasserbedrohungen in der deutschen Bevölkerung?
Ich nehme schon wahr, dass Starkregenereignisse und deren Folgen anders diskutiert werden – selbst an kleineren Wasserläufen und nicht unbedingt nur an Rhein, Elbe oder Donau. Ob dann jeweils die individuelle Bereitschaft da ist, Nutzungen zugunsten Hochwasserschutz aufzugeben? Das wird sicher noch eine längere Diskussion sein. Da muss auch noch viel Kommunikationsarbeit geleistet werden.
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