Es sind die Videos und Reels, die uns aufmerksam gemacht haben. Unprätentiös, leichtfüßig, unglaublich kenntnisreich und ansteckend in ihrer Begeisterung. Robingas Garten, der zugleich auch sein Studio ist, verlängert sich in den digitalen Raum – und treibt dort ebenso lebensspendende Blüten. Desto spannender, den Ausgangspunkt seines Schaffens besuchen zu dürfen. Schon beim Betreten des Grundstücks wird klar: Dies ist ein besonderer Ort.
Optisch hebt sich der Garten in puncto Diversität und Wildheit von den meisten Gärten in der Gegend ab. Wenn eine Schwarze Holzbiene vorbeifliegt noch bevor das Gartentor wieder ins Schloss fällt, hat man eine Ahnung, dass Artenschutz hier kein Lippenbekenntnis, sondern erfolgreiche Praxis ist. Es mag einen Moment dauern, bis der Blick sich eingeübt hat in die Gleichzeitigkeit der vielfältigen Pflanzen-Areale auf einem begrenzten Raum. Aber dann kommen die seltenen Dolchwespen, die ganz selbstverständlich um einen Mannstreu kreisen, während sich Hunderte Hummeln direkt daneben den breitblättrigen Lavendel aufteilen und vieles, vieles mehr. Alles fügt sich zusammen und vibriert förmlich vor Leben. Ein idealer Ort auch für ein Gespräch.
Hi Robinga. Kannst du dich unseren Leser*innen kurz vorstellen und sagen, was dein Selbstverständnis als “Plantfluencer” ist, der ja eine riesige Community im Netz mit seinem Pflanzen-Know-how erreicht?
Ja, ich denke darüber tatsächlich relativ viel nach. Ich mache ja nicht nur Pflanzenarbeit. Meine eigentliche Aufgabe war ja, den Leuten die Insektenwelt näherzubringen. Und dafür brauche ich nun mal Pflanzen, weil einige Insektenarten – gerade Schmetterlinge z.B. – hochspezialisiert sind in ihren Ansprüchen darauf, wo sie ihre Eier ablegen. Und so kam ich überhaupt zur Pflanzenwelt. Am Anfang waren es die Schmetterlinge und darüber kam ich dann zu den Pflanzen. Und ja, es ist eine gewisse Verantwortung, die ich da sehr stark verspüre, aber das ist auch gut so! Schön, schön, schön und gut!
Und es geht erst los…
Ja, es hat ja jetzt erst angefangen. Also das ist das Brutale für mich. Ich habe das noch gar nicht so richtig realisiert. Ehrlich gesagt, ich erschrecke mich immer noch, wenn ich mein Instagram öffne und da steht nicht mehr 200 Follower, sondern 100000. Und dass das auch so schnell ging. Ich meine, innerhalb von drei Monaten, von 200 auf 100000 zu kommen ist wirklich krass.
Wow. Absolut. Und du erreichst wahnsinnig viele Menschen, die so vielleicht keine Berührungspunkte mit dem Thema naturnaher Garten hätten.
Das ist auch das große Blessing (Anmerkung der Redaktion: “Segen”), was ich habe, weil nicht viele meiner Zuschauer wirklich im Thema drin sind. Die wussten gar nicht, wie schön die Pflanzenwelt sein kann – bevor ich sie ihnen gezeigt habe. Und das ist das Schönste daran, ja.
Du hast gesagt, du seist hier in deinem Garten eigentlich nur der “Manager”. Was managst du?
Ich manage eigentlich die Population an sich. Ich habe hier alles in zwei-mal-eins-Felder eingeteilt. So versuche ich dafür zu sorgen, dass sich nicht einzelne Arten extrem expansiv ausbreiten und so alles andere verdrängen. Ich manage die jeweilige Population der Pflanze und versuche sie so zu halten, dass alle glücklich nebeneinander her leben können. Das ist mein Ziel. Deswegen auch Manager, weil ich mich nicht als Gärtner empfinde. Also klar gärtnere ich. Aber viele lassen sich von ihrem eigenen Garten in Geiselhaft nehmen und sagen, “Okay, jetzt muss ich noch hier vertikutieren und da wieder aufdüngen” usw. Und das trifft auf mich überhaupt nicht zu, weil ich hier nur Zuschauer oder Manager bin und mich an der Vielfalt erfreue, die hier vor unseren Augen entsteht.
Und was zeichnet für dich einen gelungenen Garten aus?
Für mich ist es ein absolutes Blessing, je mehr Tiere sich hier niederlassen. Und gerade Schmetterlinge sind für mich natürlich der Oberhammer. Aber auch so eine Dolchwespe, die vom Aussterben bedroht ist, die sich hier mal eben so spontan verpaart auf dem Alpenmannstreu ist einfach nur der Hammer. Und dann weiß ich, okay, ich habe irgendwas doch anscheinend nicht ganz so falsch gemacht. Und das ist für mich die Definition von Schönheit und von gutem Garten.
Was war dein schönstes Gartenerlebnis?
Das war vor einem Jahr. Ich hatte einen alten Obststamm, in den die sich Holzbienen eingenistet haben. Die fressen sich selbstständig Gänge in das Holz und legen dann dort ihre Nachkommen ab. Und das war der absolute Oberhammer. Wie so zehn, zwölf Holzbienen umeinander rumschwirren, so a la “Hey was machst du? Ach, ich geh noch ein bisschen Pollen und Nektar holen – und du so? Ja, allet jut”. Und das war geil zu sehen. Die sind ja auch echt groß, so wie der Daumen ungefähr. Und ja, das sind echt geile Viecher. Aber ich entdecke eigentlich jeden Tag was. Gestern habe ich einen pinken Grashüpfer gesehen. Eine Mutation, die halt einfach mal auftritt. So bei ungefähr 1 % der Grashüpfer.
Wie viel deines Gartens hast du schon zu Reels verarbeitet? Das Potenzial ist ja endlos, oder?
Sehr viele Leute haben große Angst, dass ich irgendwann keinen Content mehr habe. Und das ist sehr süß und lieb gemeint. Aber wir haben in Deutschland über 8000 Pflanzenarten. Da sollte es mir nicht an Material mangeln. Ich habe 18,19, 20 Beiträgen zu “Pflanzen, die ich liebe” (Anmerkung erfolgreiche Serie von Robinga auf Instagram) gemacht und allein hier im Garten über 150 Arten versammelt.
Woher hast du dein ganzes Wissen?
Ich habe die Krefeld Studie gelesen und war dann vollkommen schockiert, dass das Artensterben vor unserer Haustür so heftig ist, wie es ist. Und dann habe ich mir vom Kosmos Verlag ein Buch geholt, wo ca. 150 Schmetterlinge drin standen. Da konnte ich dann sagen: Okay, Schmetterling XY, was brauchst du, um deine Raupen groß zu ziehen?
Ah, okay, hier Saalweide, okay, Alpenmannstreu okay, Brennnessel okay und habe dann eine Pflanzenliste erstellt und mir all diese Pflanzen, die Raupenfutterpflanzen sind, zusammengekauft.
Ja, das Wissen. Das finde ich immer so erstaunlich, wenn die Leute zu mir sagen, du weißt, du bist ja so der Hammer. Und ich denke mir nur so: Oh, wenn die wüssten, wie viel ich nicht weiß. Ach, du heilige Mutter! Es gibt ja allein schon rund 570 Wildbienenarten bei uns. Und es gibt nicht umsonst Experten, die ihr Leben lang nichts anderes machen, außer sich mit einzelnen Wildbienenfamilien auseinanderzusetzen. Und ich habe nur quasi so die Eierschalen eines Wissensfundus, der eigentlich noch viel größer ist. Trotzdem ist es natürlich ein Blessing, dass die Leute mich für vielwissend halten. Aber ich weiß, dass ich nichts weiß. Und ich weiß, ein paar Pflanzennamen, paar Insektennamen, ein paar Schmetterlinge, aber da ist noch soviel kennenzulernen, soviel zu erforschen, das ist für mich der Hammer.
Wie verhält sich das hier mit den Nachbarn? Es sind ja vielfach eher gestutzte Gärten zu sehen …
Ganz am Anfang wurde ich ausgelacht, aber das gehört dazu. „Also was machst du mit deinen Unkräutern“, und „Kann man das nicht ordentlicher machen“, und bla bla, dies, das, Ananas. Ich muss dazu sagen, dass ich das immer weglächele. Die Leute können wirklich wahnsinnig gut meckern und das Negative in Dingen sehen. Deswegen hat mich das immer kalt gelassen. Und jetzt nach Fernsehauftritten, nach Interviews usw. sind die Leute eher neugierig und fragen: „Was machst du hier noch mal genau?“, wenn ich hier irgendwas rumwerkele. „Du, ich habe hier eine Frage zur Pflanze sowieso“. Ja, das ist ganz süß, wie sich das Narrativ auch ein bisschen ändert.
Was sind deine drei Tipps für private Kleingärtner*innen?
Keine Angst vor Bäumen und Sträuchern im Garten. Nummer eins. Viele Leute haben immer Angst, wenn sie einen Baum pflanzen, dass der sofort 40 Meter hoch wird innerhalb von einem Jahr. Was ich nicht ganz verstehe, weil Bäume kann man ja sehr stark erziehen. Es gilt auch für Apfelbäume und Co. Dann, zweitens, lasst Pflanzen auch mal blühen, also werdet eure eigenen Saatgut-Produzenten. Gerade wenn ihr einen Gemüsegarten habt, dann versucht so unabhängig wie möglich zu sein und züchtet dort eure eigenen Samen heran. Das ist auch super einfach und wunderschön noch dazu und Insekten freuen sich wie Sau. Nummer drei: Gibt der Natur ein bisschen Platz zurück. Vor allem Nutz- und insektenfreundliche Pflanzen gehen manchmal auch Hand in Hand. Gerade bei Obstbäumen, die sind wahnsinnig insektenfreundlich sind und gerade dort ist es so, dass Mensch und die Insektenwelt profitieren. Also mischt einfach euer Ding zusammen, aber gebt der Natur mehr Raum!