Der Garten von Giovanni Malfitano

"Ich bin ein krasser Nerd"

Giovanni Malfitano ist 45 Jahre alt, hat zwei Kinder, war ziemlich erfolgreich im IT-Business tätig und ist jetzt Selbstversorger zu 100 Prozent. Seinen ursprünglichen Job hat er aufgegeben. Zehn bis 14 Stunden pro Tag ackert er nun in seinem westlich von Düsseldorf gelegenen Garten.

Giovanni Malfitano in seinem Garten Giovanni Malfitano in seinem Garten  (Giovanni Malfitano)

Ob Kartoffeln, Salat, Mais, Linsen, Physalis, Äpfel oder Paprika – Giovanni Malfitanos Garten gibt Obst und Gemüse in solchen Mengen her, dass seine Familie seit Jahren nichts mehr davon einkaufen muss. Malfitano – besser bekannt unter seinem Autoren-Pseudonym "Don Giardino" – hat insgesamt 150 Nutzpflanzen auf seinem 1.500 Quadratmeter großen Grundstück, die er jedes Jahr kultiviert.

Seine Leidenschaft ist die Züchtung und die Erhaltung alter Tomatensorten. Deren Samen sowie die von vielen seiner anderen Gemüsesorten verkauft Malfitano online an einen immer größer werdenden Kreis von Gärtner*innen. Immer mehr Menschen setzen auf samenfestes und ökologisches Saatgut, um die Artenvielfalt zu erhalten.

Malfitanos Garten bordet über vor Vielfalt – nicht nur von Pflanzen, sondern auch von Insekten und anderen Tieren. Das Geheimnis der hohen Erträge und der Artenvielfalt ist zum einen eine ganz besondere Art der Permakultur, die er anwendet. Zum anderen aber ist es auch sein unglaublich hohes Engagement. Denn Giovanni Malfitano macht das alles nicht nur für sich, seine Familie oder die Insekten in seinem Garten. Er führt Größeres im Schilde: Mit seiner Art der Landwirtschaft will er die Welt retten. Weil er das alleine nicht kann, motiviert er andere, es ihm gleich zu tun. 

Tomaten von Giovanni Malfitano Das Züchten von Tomaten hat Malfitano von seinem Großvater gelernt.  (Giovanni Malfitano)

BUND: Giovanni, wie kam es dazu, dass Du Dein Leben mit so viel Verve dem Gärtnern widmest?

Ich verdanke es meinem Großvater. Er bewirtschaftete schon in den 1960-er Jahren seinen Garten nach den Prinzipien der Permakultur, nur dass er das nicht wusste. Ich verbrachte in meiner Kindheit viel Zeit in seinem Garten. Sogar meine ersten Gehversuche machte ich dort und plumpste dabei in sein Erbsenbeet. Mein Großvater bläute mir ein, dass man nicht gegen, sondern mit der Natur arbeiten und dafür den Garten immer sehr genau beobachten müsse.

Und das tat ich. Stundenlang konnte ich Insekten zusehen, ich war absolut fasziniert von ihrer perfekten Symmetrie! Ich kam voll und ganz nach seinem Schlag. Er wusste das und brachte mir im Laufe meiner Jugend alles über das Gärtnern und den Erhalt und die Züchtung von Tomaten bei. Ich habe etliche seiner Tomatensorten bei mir und erhalte und züchte sie weiter – in Liebe und Dankbarkeit zu ihm.

Ich war also eigentlich schon immer aus ganzem Herzen Gärtner – nur machte ich zunächst einen beruflichen Schlenker über das Programmieren von Webseiten. Was ein Glück war, denn davon profitiere ich auch heute noch. Ich habe die Möglichkeit, mehr Zeit in den Ausbau meines Wissens in Bezug auf Permakultur sowie Selbstversorgung zu investieren, womit ich andere wiederum inspirieren kann. 

Ernte aus Giovanni Malfitanos Garten Die satte Ernte aus Giovanni Malfitanos Garten  (Giovanni Malfitano)

Was genau ist denn eigentlich Permakultur und wie sieht Deine spezielle Art von ihr aus?

Ganz grundsätzlich geht es in der Permakultur darum, eine Landwirtschaft in Einklang mit der Natur zu führen. Dazu braucht es unter anderem eine kontinuierliche Beobachtung der Pflanzen, der Böden und des Klimas, um zum Beispiel bei eventuellen Befällen durch Insekten oder Krankheiten schnell handeln zu können. Dabei werden natürlich keine synthetischen Dünger oder Pestizide eingesetzt, denn diese greifen massiv in das Bodenleben ein und zerstören dieses.

Das Bodenleben ist in der Permakultur von zentraler Bedeutung. Durch intensives Mulchen der Böden steigen die Zahl der Mikroorganismen und die Bodenfruchtbarkeit. So können Fruchtfolgen und Erträge pro Jahr erhöht werden. Umgraben ist verboten, das schädigt die Mikroorganismen. Wir erhalten stattdessen die Bodenschichten und bauen sie weiter auf. Beikräuter verdrängen wir durch das Mulchen und halten sie durch den Anbau bestimmter Kulturen klein. Es wird nie gegen, sondern immer nur mit der Natur gearbeitet. Dem Garten wird von außen nichts zugeführt, er ist ein geschlossener Kreislauf und bringt Ertrag.

Ich habe seit Beginn meiner Gärtnerzeit im Jahr 2017 immer wieder versucht, die Grenzen des Machbaren auszuloten: Wie viel mehr an Artenvielfalt und wie viel mehr an Ertrag kann ich als Einzelperson in einem Permakulturgarten schaffen? Im Laufe dieser Grenzsuche habe ich die "Regenerative Misch-Permakultur" entwickelt – kurz: ReMiPerma.

Das Besondere ist, dass in meinem Garten ein Agroforst enthalten ist mit Bäumen und Sträuchern zwischen den Beeten. Dann gibt es das Ackerareal, aufgeteilt in sechs Parzellen, auf dem ich die kultivierende Permakultur anwende. Hier baue ich jeweils bis zu drei unterschiedliche Gemüse-Fruchtfolgen pro Jahr an. Und es gibt den Gartenteil der permanenten Permakultur, auf dem u.a. Kräuter, Artischocken, Blaubeeren und Teefenchel wachsen. Sie kommen jedes Jahr wieder und stellen mit ihren Blüten den Insekten bestes Futter bereit. Das ist der "faule" Teil meines Gartens, weil er sich selbst erhalten könnte ohne mein Zutun und dennoch Nahrung für Mensch und Tier liefert. 

Bläuling in Giovanni Malfitanos Garten Zahlreiche Insekten, so wie dieser Bläuling, tummeln sich in Giovanni Malfitanos Garten.  (Giovanni Malfitano)

Und? Wie viel Ertrag und wie viel Artenvielfalt schaffst Du nun damit?

In meinem Garten leben 40 verschiedene Wildbienenarten, dutzende Falter- und Käferarten, Kröten, Molche und Igel, meine Böden sind reich an Regenwürmern und Mikroorganismen, der Habicht besucht mich, aber auch Feldmäuse oder Kartoffelkäfer. Aber die schaden meiner Ernte nur wenig. Meine Ernteerträge liegen nachweislich 30 bis 50 Prozent höher, als bei allen anderen derzeitigen Anbaumethoden – ob konventionell oder biologisch. Inzwischen versorge ich nicht mehr nur meine Familie, sondern auch Freunde und Nachbar*innen mit Gemüse und Obst. Ab 2022 ist es mein Ziel, mehr Flächen zu pachten und andere Menschen zu unterrichten, um zu beweisen, dass ReMiPerma marktwirtschaftlich tragfähig ist. 

Denn: Wir befinden uns durch die herrschende Form der Landwirtschaft am Rande des Exodus. Wenn es so weiter geht, stehen wir in zehn Jahren vor dem Boden-Burnout und werden auch die Artenvielfalt nicht mehr retten können. Durch den hohen Einsatz synthetischer Pestizide und Dünger sowie die intensive Bodenbearbeitung werden Böden und die Biodiversität tot sein. Unsere Lebensmittelversorgung gerät in eine riesige Krise, wenn wir die erkannten Fehler nicht korrigieren.

Mein Ziel ist, dass Permakultur auf alle Felder kommt und die gesamte Landwirtschaft auf sie umgestellt wird. Nur so können wir unsere Lebensmittelversorgung nachhaltig sichern. Ich werde so lange weiter arbeiten und Menschen darüber informieren, bis dieses Ziel erreicht ist. Und ich werde es erreichen, denn: Ich bin ein krasser Nerd, den man nicht unterschätzen sollte! Und: Täglich wächst die Gemeinschaft jener, die nachhaltig gärtnern möchten.

Regenwurm auf Hand Reichlich Würmer zeichnen einen guten Boden aus.  (Giovanni Malfitano)

Für Hobby-Gärtner*innen wie mich: Wenn ich noch nicht nach Permakultur arbeite, wie kann ich am einfachsten damit beginnen?

Wer aktuell über kein angelegtes Beet verfügt, sollte am besten jetzt schon mit Vorkehrungen beginnen. Die schnellste Methode ist das Auslegen einer Pappe auf die Grasnarbe. Auf die Pappe kommen dann 20 Zentimeter Kompost. Innerhalb von zwei Monaten wird die Grasnarbe von Mikroorganismen und Würmern zerfressen und der Boden mit Humus und Nährstoffen angereichert.

Als erste Kultur bietet sich die Kartoffel an, es ist eine optimale Pionierkultur und durch das Anhäufeln unterdrückt man Beikraut. Nach der Ernte im August wird dann Spinat ausgesät, so hat man das Beet gleich im ersten Jahr für zwei Ernten genutzt. Wer drei Ernten haben möchte, sollte im März Spinat aussäen, im Mai dazwischen Buschbohnen setzen und dann Anfang September alle Buschbohnen abernten und vorgezogene Winterkohl-Pflänzchen auspflanzen.

Die Selbstversorgung klingt ja einerseits unglaublich attraktiv, andererseits ist es auch enorm abschreckend wegen der vielen Arbeit. Was empfiehlst Du Einsteiger*innen?

Für mich ist es auch schon Selbstversorgung, wenn man eine Nutzpflanze so anbaut, dass man sie über einen längeren Zeitraum nicht mehr kaufen muss. Wer 20 bis 30 Tomatenpflanzen anbaut, wird damit Tomatensoße machen können, die das ganze Jahr über reicht. Somit ist man schon Teil-Selbstversorger*in. Je nach Zeit, die man investieren kann und möchte, erweitert man seinen eigenen Selbstversorgungsradius mit weiteren Kulturen. 

Je weniger Gemüse und Obst wir importieren müssen, desto besser. Man kann natürlich nicht alle Menschen zu Selbstversorger*innen machen. Aber Gärtnern ist auch ein innerliches Ur-Bedürfnis, das man befriedigen sollte. Gartenarbeit ist unheimlich wohltuend und entspannend für Körper und Seele. Es ist eine ideale Therapie gegen Depressionen und Burnout. Das Gefühl, etwas aufzubauen oder den Pflanzen bei ihrer Entwicklung zuschauen zu können, hat heilende Wirkung. Man ist stolz auf sich, wenn die Ernte toll ist und lernt eine Form der Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln.

Tomaten in allen Variationen Wie züchtet man solche Prachtexemplare? Auf das Timing kommt es an!  (Giovanni Malfitano)

Da Du ja ein absoluter Tomatenexperte und -liebhaber bist und die Zeit des Vorziehens ansteht: Wie geht man dabei am besten vor? 

Nach meinen Erfahrungen sollte man auf keinen Fall zu früh mit dem Vorziehen beginnen. Denn je länger die Tomatenpflanzen in den Vorziehtöpfen bleiben, desto eher bleiben sie später in ihrer Entwicklung zurück. Das Timing ist entscheidend. Es ist zentral, die goldenen Wachstumstage in den ersten zwei Lebensmonaten einer Tomatenpflanze zu nutzen.

Die beste Zeit zum Vorziehen ist demnach Mitte März. Man lässt dann die Pflänzchen drei Wochen im ersten Töpfchen wachsen, topft sie dann ins nächstgrößere um und wieder drei Wochen später in das letzte Töpfchen. Wichtig ist auch genügend Licht. Je nach Klimazone können die jungen Pflanzen dann entweder schon Ende April oder Mitte Mai ins überdachte Freiland. Wer noch ein paar Tipps zur Anzucht von Jungpflanzen benötigen sollte, findet einen hilfreichen Artikel in meinem Blog. Und wer noch keine Samen hat, kann die sehr gerne bei mir online bestellen!

Vielen Dank für das Gespräch! Wir wünschen Dir alles Gute und viel Erfolg auf diesem Weg!

Die Interview-Fragen stellte Almut Gaude.

Mehr über Giovanni Malfitanos Geschichte, seine Art der Permakultur sowie praktische Tipps zur Selbstversorgung und leckere Rezepte gibt es in seinem 2020 erschienenen Buch "Mein Weg in ein nachhaltiges Leben und die Vision einer besseren Welt!". Malfitano ist zudem sehr aktiv auf Twitter und Instagram

Bildergalerie: Der Garten von Giovanni Malfitano

(zum Vergrößern Bilder anklicken)

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