Berlin. Die heute vom Bundeskabinett beschlossene nationale Wasserstoffstrategie (NWS) dient nicht dem Ziel, Deutschland schnellstmöglich in eine klimaneutrale Energieversorgung zu führen. Sie verstetigt einen hohen Energieverbrauch, indem sie zentrale Anforderungen an Energiesparen und Energieeffizienz außer Acht lässt. Und sie führt das Land so in eine hohe Importabhängigkeit. Auch im Verkehr setzt die NWS falsche Prioritäten: Aufgrund des hohen Stromverbrauchs bei seiner Herstellung kann Wasserstoff immer nur die zweit- oder drittbeste Lösung nach der direkten Stromnutzung sein.
Die NWS geht davon aus, dass die Wasserstoffnachfrage künftig weit über der nationalen Produktion liegen wird: 2030 demnach bei 90 bis 110 Terawattstunden. Erzeugt werden dann in Deutschland aber voraussichtlich nur 14 Terawattstunden. Diese Lücke lässt sich aus Sicht des BUND nur verringern, indem durch einen deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien das Wasserstoffangebot erhöht und zugleich durch strikte Energieeffizienzvorgaben die Wasserstoffnachfrage reduziert wird. In ihrer jetzigen Fassung verschiebt die nationale Wasserstoffstrategie diese Herausforderungen auf andere Länder und setzt von vornherein auf internationale Importe.
Antje von Broock, Geschäftsführerin Politik und Kommunikation beim BUND: "Deutschland wird absehbar und selbst verantwortet vor einer gigantischen Wasserstofflücke stehen. Der zusätzliche Ausbau erneuerbaren Stroms muss dringend und drastisch beschleunigt werden, um die Importabhängigkeit zu verringern. Der Ansatz einer grünen Wasserstoffstrategie sollte sein, die erneuerbaren Energien bis 2030 auf einen Anteil von 75 Prozent zu erhöhen. Zugleich muss der Energieverbrauch drastisch gesenkt und die Erneuerbaren so effizient wie möglich eingesetzt werden. Denn nur Wasserstoff, der auf der Grundlage erneuerbarer Energien hergestellt wurde, ist wirklich grün."
Eine echte grüne und nachhaltige Wasserstoffstrategie muss folglich mit einer grundsätzlichen Veränderung der Konsum- und Verbrauchsmuster einhergehen. "Ein deutlicher Anstieg bei der Energieeffizienz muss die Grundvoraussetzung für die Nutzung grünen Wasserstoffs sein und entsprechend umgesetzt werden", so Werner Neumann, Sprecher des Bundesarbeitskreises Energie beim BUND. "Nur durch effizientes Herstellen und Verbrauchen sowie suffizientes Leben und Wirtschaften wird der Bedarf an zusätzlichem erneuerbaren Strom nachhaltig und klimafreundlich zu decken sein. Eine Wasserstoffstrategie, die nicht auf weniger Energieverbrauch und -verschwendung setzt, droht kläglich zu scheitern."
Die Mängel der NWS zeigen sich auch beim Umgang mit sogenanntem "blauen Wasserstoff", der trotz der vehementen Kritik an der Speicherung von CO2 im Erdreich (CCS) übergangsweise eine Rolle spielen soll. Bei seiner Herstellung wird Erdgas reformiert und das freiwerdende CO2 aufgefangen, abtransportiert und im Boden gespeichert. Doch nicht nur die Umweltrisiken sind unzureichend untersucht; auch ist das Verfahren teuer und ökonomisch nicht konkurrenzfähig.
Arne Fellermann, Abteilungsleiter Klimaschutz beim BUND: "Blauer Wasserstoff ist eine kostspielige fossile Energiequelle, die keinen Beitrag zu konsequentem Klimaschutz liefert. Grüner Wasserstoff ist schon heute eine technisch reife Energiequelle, deren Potenziale ausgeschöpft werden sollten anstatt sie durch andere Übergangstechnologien auszubremsen."
Auch im Verkehrssektor werden die Weichen falsch gestellt. Hinsichtlich ihrer Energieeffizienz sind Elektrofahrzeuge klar im Vorteil gegenüber Fahrzeugen mit E-Fuels. E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die mittels Strom aus Wasser und Kohlendioxid produziert werden. Elektrofahrzeuge verbrauchen weniger als das 3,5- bis 5-fache an Strom für dieselbe Wegstrecke. Dennoch hält die Bundesregierung daran fest, dass synthetische Kraftstoffe für Pkw eingesetzt werden können.
"E-Fuels sind keine Alternative für die Verkehrswende", so Fellermann. "Es ist unverständlich, warum die Bundesregierung trotz der Alternative E-Mobilität weiter am Verbrennungsmotor festhält. Synthetische Kraftstoffe sind ein klimapolitischer Irrweg, da ihre Herstellung extrem viel Strom verbraucht und damit äußerst ineffizient ist. Die Anwendungsbereiche für grünen Wasserstoff müssen politisch reguliert und priorisiert werden. Synthetische Kraftstoffe sollten nur für den unvermeidbaren Flug- und Schiffsverkehr genutzt werden. Eine effektive Klimaschutzstrategie muss auf die effizienteste Technik setzen."
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- BUND-Kurzinfo zu Power-to-X-Technologien (PtX)
- Kontakt: Oliver Powalla, BUND-Experte für nachhaltige Power-to-X-Technologien, Tel.: 01 63 / 6 85 43 24, oliver.powalla(at)bund.net sowie BUND-Pressestelle (Sigrid Wolff / Daniel Jahn / Judith Freund / Heye Jensen), Tel.: (030) 2 75 86-425/-531/-497/-464, presse(at)bund.net