Der Gesundheitsschutz muss Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben. Ein Strahlenschutzgesetz, das seinen Namen verdient, hat sich daran auszurichten. Es ist inakzeptabel, dass der Entwurf eines neuen Strahlenschutzgesetzes den Gesundheitsschutz gegenüber wirtschaftlichen Interessen abwägen will. Es gibt nichts Wichtigeres als die Bevölkerung vor Strahlenrisiken zu schützen, das darf auf keinen Fall relativiert werden.
Der Gesetzentwurf lässt jedoch neuere Erkenntnisse über die schädliche Wirkung niedriger Strahlendosen unberücksichtigt. Neue epidemiologische Studien belegen, dass die Wirkung von Niedrigstrahlung bislang unterschätzt wird. Der BUND schließt sich den Empfehlungen der Wissenschaftler an und fordert, die Strahlengrenzwerte für die Bevölkerung um den Faktor 10 zu senken. Beim Rückbau von Atomkraftwerken fordert der BUND den vollständigen Verzicht auf die Freigabe gering radioaktiver Materialien, das sogenannte „Freimessen". Weil es keine untere Schwelle der Gefährlichkeit ionisierender Strahlung gibt, widerspricht die undeklarierte Freigabe gering kontaminierter Reststoffe dem Minimierungsgebot des Strahlenschutzes.
Vier Forderungen an das neue Strahlenschutzgesetz:
1. Da es für Radioaktivität keinen Schwellenwert gibt, unterhalb dessen eine Gefahr für die menschliche Gesundheit ausgeschlossen werden kann, muss das Vermeidungs- und Minimierungsgebot eine zentralere Rolle einnehmen als in der aktuell vorliegenden Gesetzesfassung. Um diese Priorität zu verdeutlichen, sollte § 8 (Vermeidung unnötiger Exposition und Dosisreduzierung) vor § 7 (Dosisbegrenzung) erscheinen.
2. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft wurde die Wirkung geringer Strahlendosen bisher unterschätzt. Viele neue epidemiologische Studien weisen das nach. Daher muss der in §76 genannte Grenzwert für Einzelpersonen der Bevölkerung auf ein Zehntel gesenkt werden: Die Summe der effektiven Dosen durch Expositionen aus genehmigungs- oder anzeigebedürftigen Tätigkeiten darf demnach zukünftig nur noch maximal 0,1 Millisievert im Kalenderjahr betragen.
3. Ebenfalls muss der Dosisgrenzwert für beruflich strahlenexponierte Personen um den Faktor 10 herabgestuft werden.
4. Beim Rückbau von Atomkraftwerken fordert der BUND den vollständigen Verzicht auf die Freigabe gering radioaktiver Materialien. Die Freigabe gering kontaminierter Reststoffe widerspricht dem Minimierungsgebot des Strahlenschutzes. Materialien, für die bisher eine Freigabe entsprechend der Strahlenschutzverordnung vorgesehen war, sollten gesondert und gegen Freisetzungen gesichert aufbewahrt werden. Dies kann in besonders gesicherten Deponien oder in oberflächennahen Endlagern geschehen. Möglich sei auch die Lagerung in entkernten Gebäuden früherer Atomkraftwerke oder verbunkert auf deren Gelände. Diese vier Optionen sollten in den Genehmigungsverfahren für den Rückbau der Atomkraftwerke gleichwertig geprüft werden.
Mehr Informationen
- <link fileadmin user_upload_bund publikationen atomkraft atomkraft_strahlenschutzgesetz_stellungnahme.pdf>BUND-Stellungnahme zum Entwurf des Strahlenschutzgesetzes (PDF)
- <link fileadmin user_upload_bund publikationen atomkraft atomkraft_strahlenschutzgesetz_forderungen_verbaende.pdf>Kurz-Stellungnahme zum Strahlenschutzgesetz von Verbänden und Initiativen (PDF)
- <link fileadmin user_upload_bund publikationen atomkraft atomkraft_radioaktive_stoffe_freigabe.pdf>BUND-Eckpunkte zur Freigabe gering radioaktiver Stoffe (PDF)
Informationen und Rückfragen bei:
Thorben Becker
Leiter Atompolitik
Kaiserin-Augusta-Allee 5,
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Tel. (030) 2 75 86-421
thorben.becker(at)bund.net