Neue Gentechnik: Europaparlament stimmt für weniger Prüfung und weniger Erkennbarkeit von gentechnisch veränderten Organismen

08. Februar 2024 | Landwirtschaft

Das EU-Parlament hat gestern für eine weitgehende Aufweichung der Gentechnik-Regelungen gestimmt. Pflanzen, deren Genom durch gentechnische Verfahren verändert wurden, sollen nach Willen des Europäischen Parlaments nicht mehr auf ihr Risiko geprüft werden. Sie müssen nur noch eingeschränkt rückverfolgbar sein. Zudem soll für entstandene Schäden keine Haftung mehr bestehen. Wie Lebensmittel, in denen gentechnisch veränderte Pflanzen enthalten sind, künftig gekennzeichnet werden müssen, bleibt noch offen.

Maispollen. Foto: H. Zell / CC BY-SA 3.0 / wikimedia commons Maispollen können viele Kilometer fliegen. Eine Verunreinigung ist vorprogrammiert.  (H. Zell / CC BY-SA 3.0 / wikimedia commons)

Im zur Abstimmung gestellten Entwurf sollte die Kennzeichnungspflicht nur noch für Saatgut gelten. Damit wäre für Verbraucher*innen gar nicht mehr nachvollziehbar gewesen, ob sich in ihrem Essen Gentechnik befindet – das hätte den Wunsch von mehr als 80 Prozent der Verbraucher*innen ignoriert, die sich eine Kennzeichnung und Risikoprüfung wünschen. Hier soll es nun laut Mehrheit des Parlaments aber Nachbesserungen geben. Wie diese genau aussehen, ist aber noch völlig unklar. Weitere Debatten folgen, wenn auch der Rat seine Position zur künftigen Regulierung von Gentechnik in Europa beschließt.

Regulierung schafft Sicherheit

In Europa gilt bislang für alle gentechnisch veränderten Organismen (GVO) eine strikte Regulierung. Risikoprüfung, Rückverfolgbarkeit, Haftung und Kennzeichnungen sind bisher Bedingungen, die erfüllt sein müssen, wenn sie auf den Markt gehen. Die Aufweichung dieser Regelungen, für die sich gestern nach der EU-Kommission auch das Europäische Parlament ausgesprochen hat, ist nicht nur bei Verbraucher*innen unerwünscht, sondern auch für die ökologische und konventionelle Land- und Lebensmittelwirtschaft fatal. Ein Schutz gegen Verunreinigungen wäre damit nicht mehr vorgesehen. Maßnahmen, die Koexistenz absichern würden, sollen nicht mehr vorgegeben sein. Auch regionale oder nationale Verbote von GVO wären nicht mehr erlaubt.

Konzerne profitieren

Profitieren werden von der Regelung vor allem große Konzerne, die sich die gentechnisch veränderten, nun aber nicht mehr so gekennzeichneten Pflanzen und Produkte, patentieren lassen können. In der Diskussion um Neue Gentechnik wird immer wieder argumentiert, dass mit gentechnisch veränderten Pflanzen höhere Erträge erzielt werden können und weniger Chemie in der Landwirtschaft eingesetzt werden muss. Stattdessen haben wir in den letzten Jahrzehnten gesehen: es werden sogar erheblich mehr Pestizide eingesetzt und die Entwicklung von Resistenzen bei Beikräutern und Insekten beschleunigt sich.

Tomate aus dem Labor

Ein aktuelles Beispiel aus Japan zeigt, wo die Reise bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln hingehen kann: In dortigen Supermärkten wird nun eine im Labor entstandene Gentechnik-Tomate verkauft. Beworben wird sie mit einer „schlaffördernden und entspannenden Wirkung“. Nach Meinung von Expert*innen ist das kaum realistisch. Die Inhaltsstoffe unterscheiden sich stark von denen natürlicher Tomaten. So hat sie einen deutlich erhöhte Wert an Gamma-Aminobuttersäure. Trotzdem fand keine Risikoprüfung statt und es ist völlig unklar, wie die Tomate auf Gesundheit und Umwelt wirkt.

Keine Debatte zu kritischen Punkten

Bei der Abstimmung im Europaparlament wurde eine Vielzahl kritischer Fragen gar nicht debattiert. Dazu gehören unter anderem wissenschaftlichen Bedenken gegen die Festlegungen des Verordnungsentwurfs, die die französische Agentur für Lebensmittel und Gesundheit im Dezember geäußert hatte, die ungelöste Patentierungsfrage und der Zweifel von Expert*innen, dass der Gesetzesentwurf überhaupt mit dem Vorsorgeprinzip und damit einem der Grundpfeiler der europäischen Verträge vereinbar ist. Bislang steht noch eine Positionierung des Agrarminister*innen-Rates aus. Im sogenannten Trilog wird dann aus den Vorschlägen der Kommission, den gestern abgestimmten Ergebnissen im Europäischen Parlament und der Position der Mitgliedsstaaten der neue Gesetzesrahmen verhandelt.

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