Ein schneller Kohleausstieg kann den Hambacher Wald retten!

14. November 2018 | Klimawandel, Energiewende, Wälder, Lebensräume, Kohle

Fragen und Antworten rund um den Appell "Legt Kraftwerke still, nicht Bäume um!"

Legt Kraftwerke still, nicht Bäume um! Aufruf an Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Grafik: BUND Unsere Forderung an die Bundesregierung: "Legt Kraftwerke still, nicht Bäume um!"  (BUND)

Mit einem Online-Appell setzt sich der BUND dafür ein, den Hambacher Wald dauerhaft zu retten. Auch wenn das Oberverwaltungsgericht Münster einen Rodungsstopp verhängte, bis über die Klage des BUND gegen die aktuelle Tagebaugenehmigung entschieden ist, plant RWE weiterhin, den Wald vollständig abzuholzen.

Für uns ist klar: Mit einem schnellen Einstieg in den Kohleausstieg und dem Abschalten der ältesten Kraftwerksblöcke von RWE im Rheinland, kann der Hambacher Wald dauerhaft gerettet werden! Wieso, weshalb, warum – die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den Appell finden Sie hier.

Warum ist der Hambacher Wald so wertvoll?

Der Hambacher Wald ist uralt. Er konnte sich seit der Wiederbewaldung nach der letzten Eiszeit ununterbrochen entwickeln. Der Wald ist von unschätzbarer Bedeutung für viele seltene Tiere wie den Mittelspecht, den <link service publikationen detail publication steckbrief-springfrosch _blank>Springfrosch, die Bechsteinfledermaus oder die Haselmaus. Von dem in den 1970er Jahren noch mehr als 4.000 Hektar großen Wald sind durch den Braunkohletagebau jedoch heute noch etwa 550 Hektar vorhanden. Auch aus weiterer ehemaliger Waldfläche, die noch das Wurzelwerk aufweist, kann wieder wertvolle Natur entstehen. Deshalb setzt sich der BUND dafür ein, eine Fläche von insgesamt 900 Hektar als Naturschutzgebiet nach EU-Recht auszuweisen.

Dabei wird häufig die Frage aufgeworfen, ob die rekultivierte Sophienhöhe, eine neu bepflanzte Fläche auf der Abraumhalde des Tagebaugebiets, den Hambacher Wald nicht ersetzen könne. Die Antwort ist aus Naturschutz­perspek­tive ganz klar: Ein ursprünglicher Wald beherbergt Tierarten, die sich in einem künstlich angelegten Gebiet so schnell nicht wieder ansiedeln können. Die Pluralität der bestehenden Flora und Fauna ist unersetzlich, dies kann keine Aufforstungsaktion von RWE leisten. Und auch aus historischer Perspektive ist der Erhalt des Waldes dringend notwendig, wurde er doch von den umliegenden Gemeinden in den vergangenen Jahrhunderten gemeinschaftlich genutzt und geschätzt. Gegen die Rodung des Hambacher Walds regt sich daher schon jahrzehntelang Protest. Seit 2012 gibt es zudem eine Besetzung des Waldes.

Was macht der BUND, um den Wald zu retten?

Der BUND kämpft bereits seit den 1980er Jahren um den Erhalt des Hambacher Waldes. Um den Wald vor den Baggern zu schützen, hat der BUND NRW bereits 1997 ein Grundstück am Tagebaurand und Wald erworben. Da dieses Grundstück den Baggern im Weg ist, hat der Landesverband bereits die Enteignungsankündigung erhalten. Dagegen gehen wir juristisch vor, denn es ist klimapolitisch unverantwortlich, weiterhin große Mengen Kohle aus dem Boden zu holen und zu verfeuern. Wir haben in Studien nachgewiesen, dass die Braunkohleförderung aus deutschen Tagebauen massiv verringert werden muss, wenn die Klimaziele und das Pariser Klimaabkommen eingehalten werden sollen. Das gilt auch für den Tagebau Hambach. Würden nur noch die kli­ma­verträglichen Mengen gefördert und die Tagebaue dann geschlossen, müssten weder der Hambacher Wald noch weitere Dörfer der Braunkohle zum Opfer fallen.

Zudem erfüllt der Hambacher Wald nach Auffassung des BUND eindeutig die Kriterien für einen strengen Schutz nach europäischem Naturschutzrecht (der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) und muss darum als Natura-2000-Gebiet ausgewiesen werden. Für diese Gebiete gilt ein sog. "Verschlechterungsverbot", d.h. es darf darin z.B. kein Wald gerodet werden. Um diese Frage, ob der Wald unter Naturschutz gestellt werden muss und damit vor den Baggern gerettet wäre, geht es bei der Klage des BUND NRW gegen die aktuelle Tagebaugenehmigung (den Rahmenbetriebsplan des Tagesbaus für 2018-2020). Erst erweiterte Klagerechte für Umweltverbände haben diesen Weg ermöglicht.

Der BUND NRW hatte mit der gleichen naturschutzrechtlichen Begründung bereits Ende 2017 einen vorläufigen Rodungsstopp für den Hambacher Wald erwirkt und RWE daraufhin letztlich auf die Rodung zu jener Zeit verzichtet.

2018 setzte der Konzern jedoch massiv darauf, in dieser Rodungssaison mit der Vernichtung des Waldes weiterzumachen. Die Rodungen wurden seit dem Sommer vorbereitet, u.a. indem die Baumhäuser der Waldbesetzer unter massivem Polizeieinsatz geräumt wurden. Daher hat der BUND erneut einen Eilantrag vor Gericht gestellt, um die Rodung zu stoppen.

Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat am 5.10.2018 unserem Eilantrag gegen das Land Nordrhein-Westfalen stattgegeben. Das Ergebnis: Der Hambacher Wald darf vorerst nicht gerodet werden. RWE konnte unter anderem nicht nachweisen, dass die Rodung des Waldes für die sichere Energiever­sorgung notwendig wäre. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Auch wenn im Tagebau Hambach noch immer Kohle abgebaut wird, so darf RWE bis auf weiteres keine Rodungen vornehmen.

Dies gilt, bis über unsere eigentliche Klage über den Schutz des Waldes entschieden ist. Der Erfolg des Eilantrags hat also verhindert, dass RWE durch die Zerstörung des Waldes Fakten schaffen konnte, bevor die rechtliche Lage durch das OVG Münster geklärt ist.

Dies ist ein großer Erfolg für den Naturschutz und war auch ein gutes Signal für den friedlichen Protest tausender Klimaschützer*innen im Hambacher Wald am 6.10.2018 und weit darüber hinaus. Auch für die Bechsteinfledermaus bedeutet dies, dass der BUND vorerst den Lebensraum dieses unter Artenschutz stehenden Tieres sichern konnte. Es ist klar: Die Bechsteinfledermaus benötigt Höhlen in Bäumen und geschützte Nester, die sie immer seltener finden kann. Die Rettung des Hambacher Waldes ist damit auch für den Schutz dieser Fledermaus unbedingt notwendig.

Der BUND setzt sich zudem in der Kohle-Kommission dafür ein, einen schnellen Ausstieg aus der Kohle zu erreichen – und auch auf diesem Weg den Hambacher Wald endgültig vor der Zerstörung zu retten.

Wieso ist der Hambacher Wald noch immer gefährdet?

RWE hat in den 1970er Jahren die Erlaubnis erhalten, 70 Hektar Wald pro Jahr für den Tagebau zu roden. Rodungen dürfen dabei jährlich zwischen Oktober und Februar vorgenommen werden. Der BUND klagt für den Schutz des Hambacher Waldes aktuell in zwei Verfahren. Im kommenden Jahr erwarten wir eine erstinstanzliche Entscheidung zu der Frage, ob der Hambacher Wald als Schutzgebiet nach EU-Naturschutzrecht eingestuft werden müsste. Es ist allerdings zu erwarten, dass der komplexe Fall mehrere Instanzen über mehrere Jahre beschäftigen wird. Bis über die Klage des BUND entschieden ist, darf der Hambacher Wald aller Wahrscheinlichkeit nach nicht weiter gerodet werden.

Wie die Gerichte abschließend in dieser Frage urteilen werden, ist nicht vorhersehbar. Deshalb ist der Hambacher Wald nicht dauerhaft gerettet: Denn bis jetzt hat der Konzern RWE durch die Genehmigung seiner Rahmenbetriebspläne die Berechtigung, Kohle abzubaggern und zu verfeuern. Dafür werden auch weiterhin die Tagebaue ausgeweitet, Menschen umgesiedelt und Wälder gerodet.

Doch wir können den Schutz des Waldes und des Klimas nicht nur von rechtlichen Entscheidungen abhängig machen. Deshalb setzen wir uns für eine politische Lösung im Rahmen des Kohleausstiegs  ein. Es gilt, einen schnellen Kohleausstieg einzuleiten, der den Hambacher Wald dauerhaft schützt und erhält.

Wieso brauchen wir eigentlich einen Kohleausstieg?

Die Treibhausgase in Deutschland sind seit rund einer Dekade nicht mehr gesunken, das Klimaziel 2020 wird krachend verfehlt. Das ist Versagen mit Ansage. Natürlich ist in allen Bereichen zu wenig, nur Halbherziges oder auch gar nichts unternommen worden. Aber um einen Fakt kommt man in der deutschen Klima-Bilanz nicht herum: Ohne den Abschied von der Kohle werden die Klimaziele niemals eingehalten.

Die Verbrennung von Kohle ist die größte Quelle des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 – das gilt weltweit und das gilt für Deutschland. Hierzulande werden noch immer fast 40 Prozent des Stroms in Braun- und Steinkohlekraftwerken erzeugt – sie sind allein für rund ein Drittel der deutschen Treibhausgase verantwortlich. Deutschland ist zudem der weltweit größte Braunkohleproduzent, des besonders emissionsintensiven Brennstoffs.  So ist das Rheinische Revier mit seinen Großkraftwerken und Tagebauen die größte CO2-Quelle Europas. Dabei sind mit den Erneuerbaren Energien die Alternativen längst vorhanden. Deutschland benötigt den Braunkohlestrom zu guten Teilen nicht einmal selber, sondern exportiert ihn in die Nachbarländer.

Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, brauchen wir ein schnelles Umsteuern in allen Sektoren. Aber dem Energiesektor kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Einerseits ist hier das Potential zur schnellen, kostengünstigen Senkung der Emissionen am größten, andererseits spielt der Einsatz von sauberem Strom eine entscheidende Rolle, um den CO2-Ausstoß auch in anderen Bereichen – Wärme, Verkehr, Industrie – zu senken.

Zu den vielen guten Gründen für den Abschied von der Kohle gehört auch, dass die Kohlemeiler große Mengen an gesundheitsschädlichen Stoffen wie Stickstoffoxiden, Quecksilber oder Schwefel ausstoßen. Die Kosten für die gesundheitlichen Folgen werden EU-weit auf rund 43 Milliarden Euro beziffert.

Auch die Förderung der Kohle verursacht enorme Schäden. Ob über oder unter Tage: Die Zerstörung der Natur, die Verschmutzung von Gewässern, dauerhafte Schädigung des Wasserhaushalts, Schäden an Häusern und Straßen sowie die Umsiedlung ganzer Dörfer gehören zum Geschäft. Für die Braunkohle fressen sich nach wie vor riesige Schaufelradbagger in die Landschaft. Bisher wurden deutschlandweit 175.000 Hektar Land für die Braunkohle-Tagebaue und etwa 370 Ortschaften vernichtet.

Wer entscheidet über den Kohleausstieg?

Die Aufgabe, einen Weg für den sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohle im Einklang mit den Klimazielen auszuarbeiten, hat bis Ende des Jahres die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung". Kurz gesagt soll diese Kommission über das Ende der Kohle und den daraus folgenden Strukturwandel beraten und die Bedingungen für einen deutschen Kohleausstieg verhandeln, dem alle gesellschaftlichen Gruppen zustimmen können. Auch der BUND ist Mitglied in dieser Kommission.

Das ist aber eigentlich nur der erste Schritt. Denn für die Ergebnisse der Kohlekommission müssen anschließend von der Bundesregierung  in Gesetzen verankert und vom Bundestag beschlossen werden.

Ein schneller Kohleausstieg muss also auch noch politisch durch- und umgesetzt werden; die Arbeit der Kommission kann dafür lediglich die Weichen legen. Daher ist es notwendig, dass die Regierung wie geplant 2019 die entsprechenden Gesetze auf den Weg bringt – nicht zuletzt, um für das Klimaziel 2020 noch Maßnahmen treffen zu können.

Was muss die Kohle-Kommission tun?

Die Kohle-Kommission hat gleich mehrere Aufträge: Für die Bundesregierung und die betroffenen Bundesländer ist ein sozialverträglicher Strukturwandel in den Braunkohlerevieren besonders wichtig.

Zugleich soll die Kommission Maßnahmen vorschlagen, um das Klimaziel 2020 so weit wie möglich zu schaffen, das Klimaziel 2030 – dann doch – sicher zu erreichen und letztlich einen Plan für das Auslaufen der Kohle inklusive Enddatum entwickeln. Dabei ist klar, dass die Pariser Klimaschutzziele insofern erst genommen werden müssen, als dass ein schneller Kohleausstieg gleichzeitig zum Erhalt des Hambacher Waldes führt, da dieser dann durch Drosselung der Kohleförderung nicht mehr abgebaggert werden muss.

Ein Zwischenbericht zum 2020-Ziel soll bis zur nächsten UN-Klimakonferenz Anfang Dezember vorgelegt werden, der Abschlussbericht schon kurz darauf, Mitte Dezember.

Warum rettet ein schneller Kohleausstieg den Hambacher Wald?

Deutschland wird sein Klimaziel für das Jahr 2020 krachend verfehlen, wenn jetzt nicht schnell Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Die alte, besonders dreckige Hälfte der Kohlekraftwerke muss jetzt vom Markt – dabei stehen die uralten Braunkohlemeiler von RWE ganz oben auf der Liste. Werden acht der alten Kraftwerksblöcke in Neurath und Niederaußem stillgelegt, kann der Hambacher Wald stehen bleiben.

Ein schneller Kohleausstieg macht die Ausweitung von Tagebauen in ganz Deutschland überflüssig und verschont damit nicht nur Menschen vor der Umsiedlung, sondern auch Wälder davor, gerodet und abgebaggert zu werden. Durch das Herunterfahren der dreckigsten Kraftwerke wie das von RWE im Rheinischen Revier betriebene Kraftwerk Neurath, kann auch die Braunkohleförderung in Tagebauen wie Hambach gedrosselt und schließlich beendet werden.

Wenn die Klimaziele der Bundesregierung bis 2030 erreicht werden sollen, dürfen noch maximal 162 Millionen Tonnen Braunkohle im Tagebau Hambach gefördert werden – viel weniger, als noch möglich wäre, ohne den Hambacher Wald anzutasten (490 Mio. Tonnen).

Um eine Rodung des Waldes alternativlos erscheinen zu lassen, hat der Konzern RWE jedoch auch immer wieder argumentiert, der Wald müsse unabhängig von der Fördermenge von Braunkohle gerodet werden. Grund dafür sei die notwendige Abflachung der Böschungen hin zum späteren Tagebausee (so genannter "Restsee"), argumentiert RWE. Nur so könnten die Uferböschungen stabil bleiben und künftige Rutschungen verhindert werden.

Die Untersuchungen des BUND NRW zeigen jedoch, dass selbst nach RWE-eigenen Planungen gar keine solche starke Abflachung vorgesehen und entsprechend auch nicht notwendig ist. Zudem ist vorgesehen bzw. möglich, im Innern der Tagebaugrube Boden anzuschütten, um die Böschungen zu stabilisieren. So kann sogar noch weiterhin Kohle gefördert werden, ohne den Wald antasten zu müssen. Es stimmt also nicht, dass mit dem Rodungsstopp der Tagebau sofort still steht. Aus Klimaschutzgründen ist das allerdings sehr begrenzt.

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