Gebietsbeschreibung
Das Gebiet westlich von Viersen-Dülken zeigt die charakteristischen Züge des linksrheinischen Tieflandes. Geprägt wird es von der Niederung der Nette. Im Untergrund befindet sich der Grundwasserkörper "Hauptterassen des Rheinlandes", einem mehr als 120 Quadratkilometer großen und bis zu 50 Meter tiefen Porengrundwasserleiter. Für die lokale Trinkwasser- und Brauchwasserversorgung nimmt das vor allem aus Sand und Kiesen bestehende Aquifer eine wichtige Funktion ein. Allein das Wasserwerk Boisheim-Dülken betreibt dort sieben Brunnen. Zur Absicherung der Wasserqualität soll ein Wasserschutzgebiet sorgen. Allerdings gelingt es nur mit Hilfe einer Reihe von Tiefbrunnen und anschließender Vermischung bzw. Verdünnung, die Nitratgrenzwerte des abgegebenen Trinkwassers einzuhalten.
Das Areal ist auch ökologisch relevant. So reicht das grundwasserabhängige Naturschutzgebiet Boisheimer Nette und Brüggenerhütte in den Bereich des Wasserschutzgebietes hinein, wo sich u.a. Eichen-Birken-Mischwälder, Feuchtgrünland und Kleingewässer finden. Sie bieten Tieren wie dem gebänderten Feuersalamander einen Rückzugsraum.
Problemlage
Das Grundwasser und die von ihm abhängigen Schutzgebiete weisen eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Nährstoffeinträgen auf. Dies erklärt sich u.a. aus den Deckschichten mit zumeist nur geringer bis mäßiger Schutzfunktion gegen Nährstoffeinträge. Zudem verweilt das Grundwasser lange vor Ort und hat daher ein "langes Gedächtnis".
Aufgrund der in der Region betriebenen intensiven Landwirtschaft mit hohen Nutztierdichten ist der betreffende Grundwasserkörper durch Nitrat stark verunreinigt und verfehlt die Umweltziele der WRRL. Die Ergebnisse der Grundwasser-Messungen innerhalb des Wasserschutzgebietes sind zumeist nicht öffentlich verfügbar.
2017 lagen sie bei bis zu 110 Milligramm Nitrat je Liter (mg/l) und damit mehr als doppelt so hoch als zulässig. Auch bis zur nächsten Frist im Jahr 2021 werden die Qualitätsnormen wahrscheinlich nicht eingehalten, sofern nicht zusätzliche Maßnahmen des Grundwasserschutzes erfolgen.
Wie in NRW üblich, sollte vorwiegend mit auf Freiwilligkeit basierender Kooperation zwischen Landwirtschaft und Wasserversorger die Überdüngung des Grundwassers zurückgeführt werden. Dies schien anfangs durchaus erfolgreich, aber ab 2010 trat Stagnation auf zu hohem Niveau (110 mg/l) ein. Dies belegt, dass es nicht gelungen ist, die Überdüngung kontinuierlich, wie vorgegeben, zu minimieren. Erforderlich wäre eine Reduzierung der des Stickstoffüberschusses im Einzugsgebiet auf maximal 20 Kilogramm Nitrat je Hektar (N/ha) gewesen, tatsächlich liegt dieser bei 50 Kilogramm N/ha (Durchschnittswert für den gesamten Kreis), regional auch darüber.
Trotzdem erteilte der zuständige Kreis Viersen Anfang 2014 die Genehmigung zur Errichtung eines Stalles für 2.200 Mastschweine in diesem Wasserschutzgebiet. Und das, obwohl kein Nachweis erbracht werden konnte, dass die dort anfallende zusätzliche Gülle nicht (zusätzlich) im Einzugsbereich des belasteten Grundwassers verbracht wird. Der BUND Viersen hat zusammen mit dem BUND-Landesarbeitskreis Wasser öffentlichkeitswirksam auf die Risiken hingewiesen und sich bei den zuständigen Behörden intensiv gegen den Bau der Anlage eingesetzt.
Entwicklung
Die Errichtung der Tiermastfabrik konnte trotz anhängiger Klagen Dritter nicht verhindert werden. Eine UIG-Anfrage des BUND zum Verbleib der Gülle aus dem Betrieb endete, angeblichen aus Datenschutzgründen, völlig ergebnislos. Der Betreiber hat zusätzlich eine Muldenversickerungsanlage eingerichtet, die angeblich darauf ausgelegt ist, nur gering verunreinigtes Niederschlagswasser von den Dächern und Teilflächen des Hofes aufzunehmen.
Der BUND Viersen konnte aber mit einer eigenen Untersuchung nachweisen, dass in die Grube offensichtlich auch stark verkeimte Gülle hineingelangte. Gemessen an den Güteanforderungen für das Grundwasser hatte diese u.a. fast zehnfach überhöhten Nitrat- und tausendfach überhöhten Ammoniumwerte, wie auch eine spätere Analyse des Kreises bestätigte.
Diese Belastung ist umso folgenschwerer, als das belastete Abwasser über unbestimmte Zeiträume ungehindert in den Untergrund versickern konnte. Der BUND hatte daraufhin Strafanzeige gestellt, die acht Monate später mit hanebüchener Begründung* seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft ergebnislos eingestellt wurde. Dies ist jetzt Thema einer Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft. Es dauerte über zwei Monate, bis der Kreis sich nach öffentlicher Aufforderung endlich zu einer Entsorgung des belasteten Muldenwassers bequemte.
*In der Begründung der zuständigen Staatsanwältin v. 16.5.2018 zur Einstellung heißt es:
- Die Beschuldigte bestreitet die Tat.
- Wasser und Erde (aus der Mulde) könnten als Düngemittel auf den umliegenden Feldern verwendet werden.
- Der Vorwurf der Gewässerverschmutzung nach § 324 StGB sei nicht erfüllt, da es sich bei der Mulde nicht um ein Gewässer handele, sie habe ja kein Gewässerbett.
- Eine Verunreinigung des Grundwassers sei nicht gegeben, da das versickernde Wasser keine solche Stoffe enthalten haben kann, die das Grundwasser nachteilig verändern. (Hinweis auf Analyse BUND/Kreis: CSB 340mg/l, Nitrat 440 mg/l, Ammonium: 520 mg/l, Phosphat: 7,3 mg/l sowie erhebliche Belastung mit Ecoli und coliformen Keimen)
- Sofern die Anlage genehmigungskonform betrieben wird, ist keine Grundwasserverunreinigung zu befürchten.
Der regionale Wasserversorger blieb trotz mehrfacher Aufforderungen im gesamten Verfahren nach unserem Eindruck absolut passiv und tatenlos.
Forderungen
Angesichts des massiven Versagens lokaler Behörden und weiterer zuständiger staatlicher Stellen bei der Einhaltung des Grundwasserschutzes muss aus Sicht des BUND NRW die Landesregierung endlich entschiedener zur Behebung der Missstände vor Ort beitragen. Neben personellen Konsequenzen ist über die Anwendung von Aufsichts- und Durchsetzungspflichten darauf hinzuwirken, dass der Verursacher den Schaden zeitnah beseitigt. Doch damit allein ist es noch nicht getan.
Der BUND NRW fordert für den Schutz der Grundwassers vor Überdüngung folgende Vorkehrungen:
- Keine Genehmigung von neuen oder zusätzlichen Tiermastställen und Biogasanlagen über Grundwasserkörpern, in denen die Qualitätsnormen und Aktionswerte für Nitrat und Ammonium überschritten werden.
- Rückbau von bisherigen Tiermastfabriken zu Betrieben, in denen eine artgerechte Tierhaltung erfolgt und die Nährstoffbilanzen nach der Brutto-Hoftor-Berechnung im Einklang mit einer grundwasserverträglichen Kreislaufwirtschaft stehen. Diese Anstrengungen sollten entsprechend finanziell gefördert werden.
- Erarbeitung von Sanierungsplänen für jedes belastete Grundwasser, die verbindliche Maßnahmen gegen die Überdüngung konkret verorten und mit Umsetzungsfristen hinterlegen. Diese Konzepte sollen auch die Anforderungen für den Schutz der vom Grundwasser abhängigen Lebensräume sowie der Trinkwasserressourcen behandeln. An ihrer Erstellung und Umsetzung sind Fallmanager und Umweltverbände qualifiziert zu beteiligen.