Die Ampel springt auf Grün. Eine Radfahrerin nähert sich. Neben ihr rollt ein Lkw heran. Plötzlich biegt er rechts ab. Die Radfahrerin bremst hart. Haarscharf schießt der Koloss vor ihr vorbei. Glück gehabt!
So oder so ähnlich verlaufen Zusammenstöße zwischen Auto- und Fahrradfahrer*innen in Deutschland täglich. Allein in Berlin starben 2020 17 Radfahrer*innen im Straßenverkehr. Deutschland ist aktuell noch immer ein Autoland.
Doch nicht nur in Großstädten ist der Radverkehr für zu viele noch immer nur eine Randnotiz. Auch in ländlichen Gebieten fehlt es an Fahrradinfrastruktur. Selbst wenn Menschen bereit sind auf‘s Rad zu steigen, bleibt ihnen oft nur neben Autos auf Bundes-, Landes- oder Staatsstraßen zu fahren und sich dabei allzu oft in erhebliche Gefahr zu bringen.
Nationaler Radverkehrsplan verspricht Besserung bis 2030
Das muss und soll sich ändern. Zumindest verspricht das der Nationale Radverkehrsplan 2030, den das Bundesverkehrsministerium diese Woche vorgestellt hat. Das Kabinett hat dem Plan bereits zugestimmt. In den nächsten Jahren soll er umgesetzt werden. Doch was steht eigentlich drin und wie wird der Radverkehr der Zukunft aussehen?
Der Nationale Radverkehrsplan formuliert einige begrüßenswerte Ziele. So soll etwa an Bahnhöfen der Bau von Fahrradparkhäusern gefördert werden. Für Neubauten sollen Fahrradstellplätze verpflichtend werden. Außerdem spielt erstmals der Lieferverkehr in den Städten eine Rolle. Über allem steht die Vision eines deutschlandweit lückenlosen Radverkehrs. Damit passt sich die Politik nach und nach den Bedürfnissen der Menschen an, denn schon jetzt planen mehr als 40 Prozent der Deutschen in Zukunft mehr Fahrrad zu fahren. Bis 2030 soll diese Zahl auf 60 Prozent steigen.
Keine klaren Bekenntnisse
Bis 2030 will der Bund rund 30 Euro pro Person und Jahr in den Aufbau einer Fahrradinfrastruktur investieren. Zum Vergleich: Die Fahrradstadt Kopenhagen hat bereits 2018 rund 35 Euro pro Kopf in ihre Fahrradinfrastruktur investiert. Doch dem Radverkehrsplan fehlt es an ambitionierten und klar messbaren Zielen, so gibt der aktuelle Plan keinen angestrebten Radverkehrsanteil für 2030 an. Auch fehlt es an einem konkreten Plan für ein bundesweites Monitoring der angekündigten Maßnahmen.
Das heißt, insgesamt sind viele der Vorhaben aus dem Radverkehrsplan zu unverbindlich gehalten. Was eindeutig fehlt sind gesetzliche Vorgaben, zum Beispiel für mehr Verkehrsberuhigung. Tempo 30 muss die Regelgeschwindigkeit werden, nicht der Ausnahmefall in der StVO. Das würde die Sicherheit im Straßenverkehr deutlich erhöhen. Derzeit sieht der Radverkehrsplan lediglich vor, die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Radfahrer*innen um 40 Prozent zu senken. Da muss man Fragen was eigentlich aus der Vision Zero geworden ist?
Tempo 30 und keine unnötigen Fernstraßenprojekte
Ohne flächendeckend Tempo 30 scheint die Vision Zero, also null Verkehrstote, kaum zu schaffen zu sein. Denn auch der zurückgelegte Weg per Fahrrad soll sich bis 2030 verdoppeln. Aktuell werden in Deutschland täglich schon 112 Millionen Kilometer mit dem Rad gefahren.
Damit der Radverkehrsplan umgesetzt werden kann und zum Meilenstein wird, muss der Ausbau des Radverkehrs gegenüber unnötigen Fernstraßenprojekten priorisiert werden. Aktuell werden weiterhin Bundesfernstraßen ausgebaut. Diese wurden teilweise vor Jahren geplant und werden mittlerweile oder in Zukunft nicht mehr gebraucht. Der Fernstraßenausbau wird zunehmend zu einem steuergeldfressenden Relikt. Deshalb fordert der BUND ein Moratorium für den Straßenbau und -ausbau und eine klare Priorisierung des Ausbaus von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr. Die Mobilitätswende hat begonnen, jetzt muss es die Bundespolitik nur noch erkennen!