Beim BUND arbeiten zahlreiche Expert*innen rund um die Themen Klima-, Umwelt-, und Naturschutz. Oftmals findet die Arbeit hinter den Kulissen statt. In diesem Interviewformat fühlen wir den BUND-Expert*innen auf den Zahn und stellen ihnen auch die Fragen, die unsere Community brennend interessieren. In unserer vierten Ausgabe sprechen wir mit dem BUND-Referenten für Klima und Energie Oliver Powalla über unsere Abhängigkeit von russischem Gas und Mythen rund um neue LNG-Terminals.
BUND-Redaktion: Hallo Oliver, jeder zweite Haushalt in Deutschland heizt mit Gas. Was hält bei dir die Wohnung warm?
Oliver Powalla: Unsere Wohnung wird über Nahwärmenetz versorgt. Für die Einbindung erneuerbarer Energien eigentlich eine gute Voraussetzung, aber leider wird nur herkömmliches Erdgas eingesetzt. Deshalb haben wir seit Beginn des Krieges öfter mal eine warme Decke geholt, anstatt die Heizung aufzudrehen.
Warum fällt es Deutschland so schwer auf russisches Gas und Erdöl zu verzichten?
Beim Erdgas ist das große Problem die leitungsgebundene Versorgung aus Russland. Das heißt, das Erdgas kommt über Leitungen zu den Verbraucher*innen, die nach Russland führen. Dazu gibt es in manchen Regionen Deutschlands keine ausreichende Alternative. Es ist aber möglich russisches Erdgas teilweise zu ersetzen.
Als Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine hat Deutschland den Anteil russischer Exporte am Erdgasverbrauch von 55 auf 40 Prozent reduziert. Ein völliger Verzicht ist aber nicht möglich, ohne in der Industrie oder den Haushalten einen Mangel herbeizuführen. Dies könnte beispielsweise bedeuten, dass die Lieferketten der chemischen Grundstoffindustrie teilweise zum Erliegen kommen würden.
Und beim Öl?
Beim Mineralöl ist unsere Abhängigkeit von Russland vergleichsweise geringer. Auf dem globalen Ölmarkt kann der Import aus einem Land leicht durch ein anderes ersetzt werden. Zudem ist es aus meiner Sicht weniger schwerwiegend, das Tempo auf der Autobahn zu begrenzen, als den Menschen zu erklären, sie müssten in ihrer Wohnung frieren.
Die Bundesregierung hat nun angekündigt zwei sogenannte LNG-Terminals zu bauen. Was ist das eigentlich und wie funktionieren diese Terminals?
LNG steht für Liquified Natural Gas. Erdgas wird hierbei verflüssigt, indem es auf bis zu 164 Grad minus abgekühlt wird. Dies ermöglicht den Erdgastransport per Schiff, in speziell dafür konstruierten Transportschiffen. Es braucht also keine Pipelines an Land oder auf dem Meeresboden mehr wie bei North Stream I oder II. In einem LNG-Terminal können diese Schiffe anlanden und das LNG in das lokale Gasnetz einspeisen. Es wird also aus dem tiefgekühlten Zustand wieder in Gas umgewandelt und kann in den vorhandenen Leitungen verteilt werden.
Woher soll das Flüssiggas dafür kommen?
Australien, Quatar und die USA sind die drei führenden LNG-Exportländer. Direkt danach folgt Russland. Aufgrund seiner Nähe zu Europa ist auch Algerien stark in der Diskussion. Das Land hat nach eigenen Angaben die Möglichkeit seine LNG-Exporte durch Fracking stark zu erhöhen. Auf der Reise von Robert Habeck nach Quatar wurde deutlich, das sehr wahrscheinlich nur die Länder Zugang zu Quatars LNG erhalten, die langfristige Lieferverträge unterschreiben, für etwa 20 Jahre. Damit droht der nächste fossile Lock-In.
Kommen wir nochmal zur Herkunft des Gases: Der BUND ist strikt gegen Fracking. Was ist daran so schlimm?
Fracking gefährdet Mensch und Natur enorm. Beim Fracking werden extrem schädliche Chemikalien eingesetzt, um das Erdgas aus den unteren Gesteinsschichten zu lösen. Der Eintrag eines Gemischs aus Wasser, Sand und Chemikalien führt zudem zu einem Rücklauf, der weitere Schadstoffe wie beispielsweise Quecksilber aus dem Boden lösen kann. Fracking gefährdet deshalb die Qualität des Grundwassers und bedroht auch über die Abwinde Mensch und Natur in der unmittelbaren Nähe der Bohrungen.
Befürworter behaupten, dass LNG-Terminals nur übergangsweise helfen sollen. Aber können diese Terminals überhaupt so schnell gebaut werden?
Vor 2025 wird es wohl keine fertigen stationären LNG-Terminals in Deutschland geben. Sie sind deshalb keine Maßnahme, um die akut drohende Versorgungskrise beim Erdgas im Winter dieses Jahres zu lösen. Schwimmende Terminals könnten schneller in Betrieb genommen werden, aber nicht den ganzen Gasbedarf abdecken.
Immer wieder heißt es, man könne die Terminals später für den Import von Wasserstoff nutzen. Stimmt das?
Dieses Thema ist absolut nebulös. Manche reden davon, dass die Terminals "Green-Gas-Ready" sein sollen, andere sprechen von "H2-Ready". Damit ist nicht einmal klar, ob die LNG-Terminals am Ende vollständig mit Wasserstoff oder mit synthetischem Methan befüllt werden sollen. Keiner der verwendeten Begriffe ist offiziell definiert worden. Es ist auch unklar, ob die Terminals am Ende nur auf zehn oder doch auf hundert Prozent erneuerbare Energie umgestellt werden müssen. Ebenso offen sind die Zeiträume und die Kosten einer solchen Umstellung. Die Bundesregierung hat dazu bislang keine Untersuchungen und Konzepte vorgelegt.
Würde sich das denn rechnen?
Wie eine vollständige Umstellung schnell und kostengünstig gelingen kann, ist nicht gut erforscht. Nach allem was wir wissen, müssten aber viele Komponenten ausgetauscht und Teile des Terminals komplett umgebaut werden. Das könnte am Ende mehr kosten, als die künftigen Wasserstoffterminals neu zu bauen.
Die Bundesregierung sollte jetzt alles daransetzen, den Einstieg in nachhaltige Lieferketten auf Basis erneuerbarer Energien zu schaffen. Weitere Investitionen in fossile Infrastrukturen ohne erkennbaren Mehrwert in der aktuellen Krisensituation lehnen wir ab. Unter anderem weil der Bau neuer LNG-Terminals nicht kompatibel ist mit den selbst gesteckten Klimaneutralitätszielen.
Der BUND fordert den Ausstieg aus fossilem Gas bis spätestens 2035. Wie soll es bis dahin ersetzt werden?
Das wird nur gelingen, wenn wir effizienter mit Energie umgehen und insgesamt weniger verbrauchen. In der Industrie müssen wir die Kreislaufwirtschaft voranbringen und unter anderem ambitionierte Recyclingquoten einführen. Bei der Wärmeerzeugung müssen wir die Gebäudemodernisierung endlich verbindlich regeln und den Ausbau von Wärmepumpen sowie Wärmenetzen beschleunigen. Damit in kritischen Sektoren genug Wasserstoff zur Verfügung steht, darf es im Verkehrssektor keine Verschwendung für Anwendungen geben, die direkt elektrifizierbar sind.
Was können Verbraucher*innen tun, um schon heute weniger oder gar kein Gas mehr zu beziehen?
Ich habe mir einen Sparduschkopf gekauft. Der kann richtig viel Wasser und Wärme sparen, diese Anschaffung kann ich nur empfehlen. Noch günstiger ist es, wenn man nur den Aufsatz für die Leitung kauft. Der kann auch in andere Wasserhähne in Bad oder Küche montiert werden. Wenn alle Bürger:innen, die demnächst eine Energiekostenzuschuss erhalten, einen Teil davon in Energiespartechnik investieren würden, wären wir schon einen Schritt weiter.
Lieber Oliver, Danke für das aufschlussreiche Gespräch!
Sie haben Fragen zu Umwelt- und Naturschutzthemen, die wir unseren Fachreferent*innen stellen sollen? Dann schreiben Sie uns gerne an internet(at)bund.net.