Viele Produkte im Onlinehandel enthalten schädliche Chemikalien, die so nicht verkauft werden dürften. Das zeigt eine neue Testreihe der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA). So verstießen von 2.629 der überprüften chemischen Stoffe und Alltagsprodukte, die den Bestimmungen der EU-Chemikalien-Verordnung REACH unterliegen, ganze 2.042 gegen geltende Verbote und Beschränkungen – also mehr als drei Viertel.
Das ECHA-Projekt wurde im Laufe des Jahres 2020 in 29 Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums durchgeführt. Überprüft wurden sowohl chemische Stoffe und Gemische für professionelle Anwender*innen, wie auch Artikel des alltäglichen Konsums, darunter Textilien, Spielzeug und andere Produkte für Kinder, Schmuck und Lederartikel. Insgesamt wurden 5.730 Produkte überprüft.
Krebserregende Stoffe auf Knopfdruck
Die Inspektoren untersuchten dabei Produkte, die bei Firmen und Online-Plattformen wie Amazon gekauft werden können. Hier wurden potentiell gefährliche Substanzen und Gemische, etwa zur Schädlingsbekämpfung angeboten. Diese und weitere Konsumprodukte unterliegen häufig der EU-Chemikalien-Verordnungen REACH, CLP (Kennzeichnung, Labelling und Verpackung) oder BPR (Verordnung über Biozidprodukte). Sie werden reglementiert, weil sie gesundheits- oder umweltschädlich sein können.
Mehr als 1.800 der im Verlauf des Projekts identifizierten Substanzen waren sogenannte CMR-Stoffe, also krebserregende, erbgut- oder fortpflanzungsschädigende Stoffe – darunter Blei und Borsäure. Obwohl Produkte, die CMR-Stoffe enthalten, nur an professionelle Anwender*innen verkauft werden dürfen, wurden sie nahezu ausnahmslos der breiten Öffentlichkeit angeboten.
Grenzwerte werden häufig überschritten
Insgesamt hätten 95 Prozent der überprüften Substanzen und Gemische sowie 25 Prozent der Konsumprodukte nicht in der EU verkauft werden dürfen. Die niedrigere Quote bei den Alltagsprodukten ergibt sich daraus, dass es für sie in der Regel keine Kennzeichnungspflicht hinsichtlich der Inhaltsstoffe gibt. Also wurden auch keine Laboranalysen zur Ermittlung von Inhaltsstoffen durchgeführt. Die Dunkelziffer könnte also weitaus höher liegen.
Unzulässige Grenzwerte wurden dennoch anhand der zugänglichen Daten für Phthalat-Weichmacher in Spielzeug und Cadmium in Schmuckwaren ermittelt. Darüber hinaus entsprachen 2.065 von gut 2.750 Produkten, die einer Kennzeichnungspflicht unterliegen, nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Die ernüchternden Ergebnisse des REF-Tests belegen, dass die ohnehin mangelhaften Kontrollen vollends versagen, wenn Waren aus dem Onlinehandel Grenzen überschreiten. Mit ein Grund für die vielen Gesetzesverstöße, sind auch fehlende Sanktionen. Mehr als den Rückruf eines Produkts haben Handel und Hersteller in der Regel nicht zu fürchten.
Deutschland muss globale Standards durchsetzen
Effizientere Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Verbraucher*innen sind möglich und notwendig. Eine echte Lösung des Problems wären global geltende, verpflichtende Standards für die Qualität von Produkten, Transparenz zu Inhaltsstoffen und für den generellen Umgang mit gefährlichen Stoffen und Abfällen.
Die EU und speziell Deutschland als größter Chemiestandort Europas sind hier gefordert. Eine Gelegenheit, endlich eine Wende einzuleiten, sind die laufenden Verhandlungen für ein neues Abkommen zum Internationalen Chemikalienmanagement (SAICM) unter deutscher Präsidentschaft.
Sicher shoppen mit der ToxFox-App
Auch ohne Kennzeichnungspflicht haben Verbraucher*innen in der EU ein Auskunftsrecht zu besonders besorgniserregenden Stoffen (SVHCs) in Produkten. Die ToxFox-App vom BUND scannt den Barcode von Spielzeug, Elektroartikeln, Kleidung und vielen weiteren Alltagsprodukten. Anschließend verschickt die App automatisch die Giftfrage für das Produkt an den Hersteller oder Händler. Die Antwort des Unternehmens wird in einer europaweiten Datenbank gespeichert und steht beim nächsten Scan mit der App sofort zur Verfügung. So werden alle schlauer und Firmen merken: Wir wollen Produkte ohne Gift!