Endspiel um die Kohle – Ausgang ungewiss

25. Mai 2018 | Energiewende, Kohle

Laut Koalitionsvertrag soll eine Kommission noch in diesem Jahr über das Ende der Kohle in Deutschland beraten und einen Ausstiegsfahrplan beschließen. Die Bundesregierung muss die nötigen Voraussetzungen schaffen, damit eine solche konfliktreiche Runde überhaupt effektiv arbeiten kann, erklärt Tina Löffelsend, Energieexpertin beim BUND. Doch die Zuständigkeit von vier Ministerien, ein Vorsitz von langjährigen Braunkohle-Befürwortern und ein Fokus auf den Strukturwandel lässt Zweifel am klimapolitischen Willen aufkommen.

Schornsteine im Nebel; Foto: Kandis / photocase.de Kohlekraftwerke sind die Klimasünder schlechthin  (Kandis / photocase.de)

Ihr Name ist nichtssagend, doch der Auftrag der "Kommission Wachstum, Beschäftigung, Strukturwandel" im Koalitionsvertrag ist klar: sie soll einen Plan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland entwickeln, inklusive des Enddatums. Wie Deutschland noch das Klimaziel 2020 erreichen kann und nicht zuletzt, die strukturpolitischen Herausforderungen in den Kohleregionen löst, stehen dabei ebenfalls auf ihrer Agenda. Das Mandat der Kommission inklusive der Besetzungsliste sollen nun am kommenden Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden. Klar ist, dass die Kommission nur ein Erfolg werden kann, wenn die deutschen Klimaziele und das Pariser Klimaabkommen die Richtung vorgeben.

Strukturwandel first?

Im jüngst bekannt gewordenen Entwurf für das Mandat der Kommission ist allerdings  zunächst viel von der strukturpolitischen Herausforderung die Rede. Offensichtlich wird der politische Wille, die Betroffenen und die heutigen Bergbauregionen nicht im Regen stehen zu lassen – das ist richtig. Falsch wäre, den Klimaschutz hintenanzustellen.

Doch auch für den Vorsitz der Kommission sind bis jetzt nur die ehemaligen Ministerpräsidenten und erklärten Braunkohle-Befürworter Matthias Platzeck (Brandenburg) und Stanislav Tillich (Sachsen) gesetzt. Eine Vertretung für Nordrhein-Westfalen wird wieder gesucht, nachdem Ursula Heinen-Esser nun dort neue Umweltministerin wird und nicht mehr zur Verfügung steht. Im Moment jedenfalls entspricht der Vorsitz nicht einer neutralen Vermittlung. Im Gespräch ist, einen weiteren Platz im Vorsitz mit klimapolitischer Kompetenz zu versehen – das wäre immerhin ein Anfang für mehr Ausgewogenheit bei der Besetzung.

Wer vertritt den Klimaschutz?

Deutlich wird das Umweltdefizit auch dadurch, dass neben der ursprünglich diskutierten Federführung von Wirtschafts- und Umweltressort nun auch Innen- und Sozialministerium im koordinierenden Staatssekretärsausschuss der Kommission sitzen werden. Auch wenn diese Kommission nach dem Vorbild der Kommission zur Finanzierung des Atomausstiegs mit rund 20 Mitgliedern möglichst klein bleiben soll, steckt schon in dieser Grundkonstellation viel Potential zur Verzögerung.

Zwar wurde auch den Umweltverbänden grundsätzlich Platz am Verhandlungstisch eingeräumt, so ist es laut Koalitionsvertrag vorgesehen. Aktuell ist aber unklar, wie dieses Mitspracherecht konkret aussehen wird. Eine starke Umweltseite muss in der Kommission vertreten sein, um eine Dominanz der Kohle-Lobby zu verhindern. Denn schon jetzt besteht zu befürchten, dass es das zentrale Ziel der meisten Beteiligten sein wird, die Arbeit der Kommission und damit den Kohleausstieg zu verzögern und letztlich möglichst hohe Summen für die Stilllegung von Kraftwerken und Tagebauen zu verhandeln. Gehör finden müssen deshalb auch die Vertreter sozialer Organisationen, die Umbrüche in der Gesellschaft begleiten, aber auch vom Bergbau Betroffene. Noch immer ist die Existenz von zahlreichen Dörfer durch die Tagebaue bedroht. Auch diese Menschen müssen eine Stimme in der Kommission haben.

Vertrauen schaffen: Moratorium für neue Kohle-Projekte

Vergangene Woche erst wurde bekannt, dass das <link aktuelles detail-aktuelles news tagebau-hambach-land-nrw-enteignet-bund _blank>Land Nordrhein-Westfalen ein Grundstück des BUND zwangsenteignet hat, damit es der Energiekonzern RWE für den Tagebau Hambach abbaggern kann. Das gießt Öl in einen schwelenden Konflikt, der die Gespräche in der Kommission schwer belasten, wenn nicht vergiften könnte. Deshalb fordern die Umweltverbände ein bundesweites Moratorium für neue Kohlekraftwerke und Tagebaue oder deren Erweiterungen. Es braucht aber insbesondere einen Rodungsstopp am Hambacher Wald – mindestens für die Zeit der Kommission. Vertrauensbildende Maßnahmen sind jetzt nötig, damit der Plan der Bundesregierung aufgehen kann, alle Beteiligten an einen Tisch und die Verhandlungen zum Erfolg zu bringen.

Klimaziele als Richtschnur der Verhandlungen

Immerhin sind laut Mandatsentwurf die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung sowie das Pariser Klimaabkommen die Richtschnur für die Verhandlungen der Kommission – mit dem Ziel, Deutschland bis 2050 gemäß dem Klimaschutzplan treibhausgasneutral zu machen.

Nun soll die Kommission zunächst bis Ende Oktober Vorschläge für den Strukturwandel vorlegen. Bis zur nächsten UN-Klimakonferenz Anfang Dezember soll dann ein Bericht zum Erreichen des Klimaziels 2020 und bis zum Ende desselben Monats der Abschlussbericht mit allen Details zum Kohleausstieg vorliegen. Der Zeitplan ist ehrgeizig, aber gleichzeitig zwingend notwendig, wenn insbesondere zum Erreichen des Klimaziels 2020 noch rechtzeitig Maßnahmen ergriffen und eine gesetzliche Regelung für den Kohleausstieg und die strukturpolitischen Begleitmaßnahmen verabschiedet werden sollen. Denn die zitierten Klimaziele und das Pariser Abkommen setzen einen Zeitplan voraus, nach dem Kohlekraftwerke hierzulande vom Netz gehen müssen – und der muss deutlich ambitionierter sein als derzeit von der Bundesregierung diskutiert.

Klimaziel 2020 ist die offene Flanke der deutschen Klimapolitik

Damit das Klimaziel für 2020 erreicht werden kann, muss die Kommission ehrgeizige Maßnahmen entwickeln. Anstatt einer Minderung um 40 Prozent bis 2020 werden nach aktuellen Prognosen von Experten nur 30 Prozent erreicht. Diese neuen Zahlen müssen zugrunde gelegt werden.  Das heißt, dass die Emissionen im Energiesektor auf etwa 200 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr reduziert werden müssen (von heute rund 350 Millionen Tonnen). Das entspricht in etwa der Halbierung der heutigen Kohlekapazitäten oder allen Kraftwerken, die vor 1990 ans Netz gegangen sind. Das ist möglich ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden, wie der BUND jüngst in seinem Abschaltplan dargestellt hat.

Die Entscheidung über ein effektives Sofortprogramm für 2020 muss letztlich von der Bundesregierung selbst getroffen werden oder sie wird ihr klimapolitisches Versagen und die internationale Blamage nicht mehr ausbügeln können. Wenn Wirtschaftsminister Peter Altmaier allerdings ankündigt, die Leistung der Kohlekraftwerke erst bis 2030 halbieren zu wollen, heißt das übersetzt, dass er das Klimaziel 2020 nicht mehr erreichen will. Und es zeigt auch, dass die Zielarithmetik der Bundesregierung nach jahrelanger Untätigkeit nicht mehr zusammenpasst: Da der Energiesektor den Löwenanteil für die Zielerreichung 2020 leisten muss, müsste er kaum noch etwas tun, um das Energiesektorziel für 2030 von 175 bis 183 Millionen Tonnen CO2 zu schaffen. Das Energiesektorziel 2030 gilt daher zu Recht als wenig ehrgeizig. Für den Weg zu einem treibhausgasneutralen Deutschland bis 2050 ist es allemal ungenügend.

Vermächtnis der GroKo: Wird das Klimaziel 2030 sicher erreicht?

Außerdem wird die reale Emissionsentwicklung nicht nur von der Kohleverstromung abhängen, sondern auch von Faktoren wie dem Ausbau der Erneuerbaren, Effizienz, Brennstoff- und CO2-Preisen. Da mit großen Unsicherheiten zu rechnen ist, muss die Bundesregierung zusätzlich einen Mechanismus schaffen, der das Nachsteuern im Energiesektor erlaubt und gegebenenfalls Kohle-Emissionen stärker absenkt. Sonst steht Deutschland womöglich am Ende der nächsten Dekade erneut wie der Kaiser ohne Kleider da. Im Wahlkampf haben Union und SPD das Einhalten des 2020-Ziels versprochen; im Koalitionsvertrag dann außerdem das sichere Erreichen des Klimaziels 2030. Das ist die selbst gesteckte minimale Messlatte.

Es ist am Ende die Bundesregierung, die dafür sorgen muss, dass ein klimagerechter Ausstieg aus der Kohle möglich wird. Denn unabhängig von der Arbeit der Kommission muss sie den Kohleausstieg letztlich besiegeln und gesetzlich verankern. Sie muss gewährleisten, dass die Klimaziele durchgesetzt werden. Die Einhaltung des Zeitplans ist daher genauso ihre Verantwortung wie das Unterbinden von Verzögerungen. Nur dann hat die neue Bundesregierung eine Chance, die klimapolitische Kurve noch zu kriegen.

Mehr Informationen

Informationen und Rückfragen bei:

Tina Löffelsend
Kaiserin-Augusta-Allee 5,
10553 Berlin  
Tel. (030) 2 75 86-421
tina.loeffelsend(a)bund.net

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