Der Diesel ist kein Klimaschützer

23. Mai 2017 | Mobilität

Mit dem Märchen vom Diesel als angeblichem „Klimaschützer“ versuchen die Spitzen der deutschen Autokonzerne vom Stickoxidproblem abzulenken und den Diesel in ein besseres Licht zu rücken als ihm zusteht.

BUND Verkehrsexperte Jens Hilgenberg BUND Verkehrsexperte Jens Hilgenberg  (Jörg Farys / BUND)

Alternative Fakten sind kein neues Phänomen. Auch die deutsche Autoindustrie bedient sich ihrer seit vielen Jahren. Das aktuellste Beispiel hierfür ist die Diskussion um gesundheits- und klimaschädliche Diesel-Fahrzeuge. Glaubt man Matthias Wissmann, Deutschlands oberstem Auto-Lobbyisten, so ist der Diesel „notwendig für den Klimaschutz“. Mit dem Märchen vom Diesel als angeblichem „Klimaschützer“ versuchen Wissmann ebenso wie die Spitzen der deutschen Autokonzerne, Kanzlerin Angela Merkel und erst vor wenigen Tagen  Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, vom Stickoxidproblem abzulenken und den Diesel in ein besseres Licht zu rücken als ihm zusteht. Schließlich hat sich der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid im Pkw-Verkehr hierzulande zwischen 2008 und 2015 um mehr als fünf Millionen Tonnen jährlich erhöht und dies, obwohl der Dieselanteil im Fahrzeugbestand stetig anstieg.

Was die CO2-Werte betrifft, gingen viele Medien und Verbraucher bis vor kurzem davon aus, dass Dieselfahrzeuge im Vergleich zu Benzinern weniger klimaschädliches Kohlendioxid in die Luft blasen. Inzwischen wurde jedoch ein internes Papier des Kraftfahrtbundesamtes publik, demzufolge sämtliche von der Behörde getestete Wagentypen mindestens zehn, teils bis zu 36 Prozent mehr CO2 ausstoßen als angegeben. Und da diese Daten nicht unter realen Bedingungen, sondern im Labor erhoben wurden, dürfte der tatsächliche Klimagas-Ausstoß auf der Straße noch einmal deutlich höher liegen.

Doch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Kanzlerin Merkel, aber auch grüne Politiker wie Kretschmann, lassen solche Statistiken außer Acht und stellen sich  öffentlich demonstrativ an die Seite der Automobilindustrie. Der Diesel galt ja auch politisch viele Jahre als Heilsbringer in Sachen Treibhausgasminderung. Dass sich infolge der staatlichen Diesel-Förderung die Hoffnung auf weniger CO2 schon deshalb nicht bewahrheitet, weil die Autoindustrie auf immer größere, schwerere und leistungsstärkere Fahrzeuge setzt, müsste die Politik jedoch eigentlich längst zum Umdenken bewegen.

Regierungen anderer Staaten, die ebenfalls Automobile exportieren, setzen verstärkt auf alternative Antriebe wie Elektromotoren oder Benzin-Hybride. Langsam stellen sich auch die deutschen Hersteller darauf ein, pochen aber bei Diesel-Autos, die nach wie vor mit viel öffentlichem Geld subventioniert werden, auf eine Sonderrolle. Auffällig ist, dass vonseiten der Bundespolitik und der Hersteller immer wieder das Klimaschutzargument in die Diskussion um Belastungen durch Feinstaub und vor allem Stickoxide in Städten und Kommunen eingestreut wird. Offensichtlich will man von den Problemen der  Luftverschmutzung ablenken und vermischt dafür zwei Themen, die so gut wie nichts miteinander zu tun haben. Und selbst wenn ein größerer Anteil von Diesel-Autos zu einer geringfügigen Reduzierung der Treibhausgasemissionen des Pkw-Verkehrs führen würde, rechtfertigt dies noch lange nicht, dass viele tausend Menschen die hohen innerstädtischen Belastungen mit Stickstoffdioxid mit Gesundheitsschäden oder gar mit ihrem vorzeitigen Ableben bezahlen müssen. Auch erhöhte volkswirtschaftliche Kosten für Krankheiten und Umweltschäden fallen ins Gewicht.

Gegenwärtig scheint die Bundesregierung das Problem auszusitzen oder auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschieben zu wollen. Seit Bekanntwerden des Abgasskandals ist fast nichts passiert. Nach Berechnungen des BUND kommen jeden Tag rund 3500 fabrikneue Diesel-Pkw auf die Straßen, die im Realbetrieb die geltenden Grenzwerte deutlich überschreiten. Dabei zeigen manche Hersteller, dass eine Grenzwerteinhaltung auch im Realbetrieb längst technisch möglich und finanziell tragbar ist. Solange dies jedoch politisch nicht verbindlich eingefordert wird, werden die Hersteller auf Gewinnmaximierung setzen und die klima- und gesundheitsgefährdenden Fahrzeuge weiter verkaufen. Leidtragende sind die durch Autoabgase gefährdeten Bewohner von Städten und Kommunen, Diesel-Kunden, die inzwischen mit Fahrverboten rechnen müssen, und das Klima.

Der Diesel war nie ein Klimaschützer, und selbst mit noch so optimierter Abgastechnik kann er auch nie zum Klimaschützer werden. Wer das Klima und die Gesundheit wirklich schützen will, muss Alternativen zum Auto mit Verbrennungsmotor fördern, vor allem im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs. Noch bleibt der Automobilindustrie eine Galgenfrist, sich auf die neuen Erfordernisse einzustellen, aber mit jedem Tag ihrer Diesel-Fixierung wird die Zeit knapper

Dieser Artikel erschien auch am 23. Mai als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau.

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