Zu diesen Schlussfolgerungen kommt der Bericht des Weltbiodiversitätsrates IPBES (engl. Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) zum weltweiten Zustand der Natur, der im Mai diesen Jahres vorgestellt wurde. Drei Jahre lang haben rund 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 50 Ländern den weltweiten Wissensstand zur Situation der biologischen Vielfalt für den Globalen Bericht des Weltbiodiversitätsrates zusammengetragen.
Im Mittelpunkt stehen dabei die Veränderungen der Artenvielfalt und der Ökosysteme in den letzten 50 Jahren, die Umsetzung wichtiger internationaler Verpflichtungen wie das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und die Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SGDs). Weiterhin umfasst der Bericht Prognosen zur Entwicklung der biologischen Vielfalt und der Leistungen der Ökosysteme bis 2050. In der im Mai veröffentlichten Zusammenfassung für Entscheidungsträger*innen („summary for policymakers“) empfehlen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf knapp 40 Seiten Maßnahmen, um den Verlust der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen zu stoppen. Der vollständige Bericht mit rund 1800 Seiten erscheint im Laufe des Jahres.
Verlust biologischer Vielfalt existenziell für Menschheit
Der Bericht des Weltbiodiversitätsrates führt erstmals seit 14 Jahren alle wissenschaftlichen Erkenntnisse über den aktuellen Zustand der biologischen Vielfalt weltweit zusammen. Eine Kernaussage ist, dass der fortschreitende Verlust der Arten und Lebensräume ein existenzielles Problem für uns Menschen darstellt, da eine intakte Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemleistungen für unser Leben ebenso wichtig sind wie ein stabiles Klima. Durch die massiven Eingriffe des Menschen in die globalen Ökosysteme sind laut dem Bericht bereits mehr als ein Viertel der untersuchten Tier- und Pflanzengruppen bedroht – mehr als je zuvor. Die Klimakrise trägt zusätzlich zum Verschwinden von Arten und Lebensräumen bei.
Transformativer Wandel dringend erforderlich, um ökologischen Kollaps abzuwenden
Eine Hauptursache des Artensterbens und des Schwindens der Lebensräume ist dem Globalen IPBES-Bericht zufolge, dass weltweiter Handel und Konsum den Druck auf die Natur in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht haben. So machen die Autor*innen insbesondere die intensive Landwirtschaft, die Abholzung der Wälder, die Überfischung der Meere und den Ressourcenabbau für die Zerstörung der Natur verantwortlich. Derzeit begünstigen bestehende Anreize wie die europäischen Agrarsubventionen in erster Linie natur- und umweltschädigende Aktivitäten und Wirtschaftsmodelle. So ist eine zentrale Empfehlung der Autorinnen und Autoren, jene Anreize zu unverzüglich zu stoppen, die Arten und Lebensräumen schaden. Der Bericht mahnt dringend Maßnahmen für einen transformativen Wandel unseres ökonomischen Systems zu ergreifen, um den drohenden ökologischen Kollaps zu verhindern. Anhaltender Raubbau an unseren Lebensgrundlagen würde verheerende Folgen für Mensch und Natur nach sich ziehen.
Radikale Kehrtwende: Bundesregierung muss jetzt handeln
Der BUND fordert die Bundesregierung auf, rasch wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um zügig eine Kehrtwende einzuleiten, hin zu echter Nachhaltigkeit, weg von dem Wirtschafts-Mantra des ständigen Wachstums und des Raubbaus. Mit dem globalen Biodiversitäts-Bericht gibt es keine Ausreden mehr. Der Ressourcenverbrauch, der immense ökologische Fußabdruck in Deutschland und in Europa führen zur Zerstörung von Lebensräumen und zum Aussterben von Arten in der Welt. So ist etwa unser enormer Konsum an Energie, Fleisch, Palmöl, Papier, Metallen und seltenen Erden für das Verschwinden ganzer Tropenwälder verantwortlich.
Wir müssen endlich die Bereitschaft aufbringen, den Ressourcenverbrauch in Deutschland und in Europa drastisch zu reduzieren und die Art, wie wir leben und wirtschaften, radikal ändern. Hier ist auch jede und jede Einzelne gefragt, doch die Bundesregierung muss den entsprechenden politischen Rahmen für nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltigen Konsum setzen und beispielsweise umweltschädliche Subventionen in der Agrarpolitik, in der Fischerei und im Verkehr stoppen.
Deutschland zur nächsten UN-Biodiversitäts-Konferenz in China gefordert
Der BUND fordert die Bundesregierung auf, sich innerhalb der EU und weltweit mit Nachdruck für ein ambitioniertes globales Regelwerk für den Erhalt der biologischen Vielfalt einzusetzen, das auf den bisherigen Zielen zum Schutz der Biodiversität aufbaut und über diese hinausgeht. Deutschland wird zur nächsten UN-Biodiversitäts-Konferenz in China in 2020, auf der das neue Regelwerk verabschiedet werden soll, die EU-Ratspräsidentschaft innehaben, deshalb kommt der Bundesregierung eine besondere Rolle zu.
Deutschland als reiche Exportnation muss zudem seine finanzielle Unterstützung bei dem weltweiten Schutz und der Wiederherstellung von Ökosystemen ab 2020 verdreifachen: von 500 Millionen auf 1,5 Millarden jährlich. Die Länder des globalen Nordens, die durch ihre Art zu leben, zu produzieren und zu konsumieren entscheidend für das Artensterben verantwortlich sind, müssen nicht nur ihre Wirtschaftsweise ändern und ihren ökologischen Fußabdruck massiv reduzieren, sondern auch den Ländern des globalen Südens beim Schutz von Arten und Lebensräumen finanziell zur Seite stehen.
Mehr Informationen
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Pressemitteilung des Weltbiodiversitätsrates zum Globalen Bericht mit den Kernaussagen und vielen Fakten und Videos (englisch/französisch)
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"Summary for Policymakers" des Globalen Berichts des Weltbiodiversitätsrates (englisch)
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Weitere Berichte des Weltbiodiversitätsrates IPBES (englisch)
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Change the system or face global ecological collapse says global biodiversity assessment
- Bei weiterführenden Fragen wenden Sie sich an Nicola Uhde, BUND-Expertin für internationale Biodiversitätspolitik, Tel.: (030) 2 75 86-498, nicola.uhde(at)bund.net
Auszüge aus der "Zusammenfassung für Entscheidungsträger" des IPBES-Berichts vom UFZ auf deutsch