Audio | Jahrestag der Flutkatastrophe im Ahrtal

11. Juli 2022

Die Landesvorsitzende beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Rheinland-Pfalz, Sabine Yacoub, im Gespräch mit BUND-Redakteur Noah Wankner über die Flutkatastrophe im Ahrtal am 14. Juli 2021 (Interview: 6 Minuten): 

Anmoderationsvorschlag:

Am Donnerstag (14. Juli) jährt sich die verheerende Flutkatastrophe im Westen Deutschlands, bei der allein im Ahrtal 134 Menschen ums Leben kamen und Hunderte weitere ihr Zuhause verloren. Während in den zerstörten Gebieten in Rheinland-Pfalz und im ebenfalls betroffenen Nordrhein-Westfalen der Wiederaufbau läuft, stellen sich weiterhin Fragen. Was wurde aus der Katastrophe gelernt? Sind die betroffenen Gebiete und andere Regionen heute besser auf ein solches Ereignis vorbereitet? Darüber und über die Lage im Ahrtal ein Jahr nach dem Hochwasser sprechen wir heute mit der Vorsitzenden des Bund für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND, in Rheinland-Pfalz, Sabine Yacoub.

Sprecher: Frau Yacoub, hätte die Katastrophe vor einem Jahr verhindert werden können. Wer ist schuld, wenn man diese Frage überhaupt so stellen kann?

O-Ton 1 (Sabine Yacoub, 1:33 min): "Ja, Schuldfragen sind bei solchen Ereignissen immer schwierig zu beantworten. Sicher ist aber, dass wir Menschen bei Hochwasserkatastrophen immer zumindest eine Mitschuld tragen. Grundsätzlich ist es ja so, dass Hochwasser natürliche Ereignisse und auch notwendig für die Flüsse sind. Sie werden dann für uns zu einer Katastrophe, wenn wir im Hochwassergebiet siedeln. Im konkreten Fall kann man sagen, dass die Wissenschaftler*innen sich einig sind, dass die verantwortliche Wetterlage, diese sehr langanhaltenden Starkregenereignisse, durch den Klimawandel begünstigt werden und dass wir damit häufiger rechnen müssen. Also, dass man davon ausgehen kann, dass der Klimawandel auch hier eine Rolle gespielt hat. Dann kommt noch dazu, dass die Menschen an der Ahr solche Hochwassersituationen nicht kannten und deshalb völlig unvorbereitet waren. Und auch die Gebäude im Gebiet nicht an Hochwasser angepasst waren. Außerdem waren auch so was wie die Brücken nicht entsprechend angepasst. Also sie waren zu niedrig und hatten auch keine entsprechenden Durchlässe, so dass da auch viel Treibgut hängenbleiben konnte. 

Das Hochwasser war auch höher, als Modellierungen es gezeigt haben, was auch darauf hindeutet, dass da eben diese Treibgut-Geschichte, da sind ja ganze Autos und Campingwagen usw. mitgeschwemmt worden, nicht berücksichtigt wurden. Und es sind offenbar auch Fehler bei der Warnung der Bevölkerung gemacht worden und generell im Katastrophenschutz. Wer da die Verantwortung trägt, das müssen aber andere feststellen."

Sprecher: Was ist seitdem im Ahrtal passiert? Wären wir heute besser auf eine solche Situation vorbereitet?

O-Ton 2 (Sabine Yacoub, 53 Sek.): "Ich fürchte nicht wirklich. Die Ahr und auch ihre ganzen Nebenflüsse, die ja das Hochwasser mit befeuert haben sozusagen, die haben uns eigentlich sehr deutlich gezeigt, wo ihre natürlichen Verläufe sind und wo sie eben bei einem nächsten Hochwasser wieder entlang fließen würden. Und statt das zu nutzen und zu sagen, wir belassen die Ahr jetzt hier und geben ihr auch überall da, wo Bebauung nicht dagegen steht, auch wirklich viel Raum, dass sich das Wasser eben auch verbreitern kann und nicht gleich zum Hochwasser wird. Das hat man nicht gemacht, sondern man hat die Ahr wieder in ihr altes Bett zurückgedrängt und hat sie zum Teil, statt ihr mehr Raum zu geben, sogar noch weniger Raum gegeben, sodass damit zu rechnen ist, dass bei einem nächsten größeren Hochwasser wieder ähnliche Schäden oder zumindest sehr hohe Schäden entstehen werden."

Sprecher: Wie sehen denn adäquate Maßnahmen für Hochwasserschutz aus, die jetzt eigentlich nötig gewesen wären und anscheinend auch immer noch nötig sind?

O-Ton 3 (Sabine Yacoub, 34 Sek.): "Also wir brauchen Maßnahmen in verschiedenen Bereichen. Ganz wichtig ist ein wirksamer Klimaschutz, damit es eben zu solchen Starkregenereignissen gar nicht mehr so oft kommt. Dann muss ich ökologischen Hochwasserschutz betreiben und ich brauche natürlich einen wirksamen Katastrophenschutz, weil es wird immer wieder zu Hochwassern kommen. Wir werden die nicht alle verhindern können. Hochwasser sind einfach natürliche Ereignisse und wir sind mittlerweile so viele Menschen, dass wir es auch nicht schaffen, gar nicht mehr in Hochwasser-Bereichen zu siedeln."

Sprecher: Was genau ist denn dieser ökologische Hochwasserschutz, von dem Sie sprechen?

O-Ton 4 (Sabine Yacoub, 1:02 min): "Ja, der besteht aus verschiedenen Maßnahmen. Eine ganz wesentliche Maßnahme ist, dem Gewässer da wo es geht, mehr Raum zu geben, dass sich das Gewässer in die Breite ausbreiten kann, weil dann muss es nicht nach oben. Und dann kann ich eben das Hochwasser verhindern oder zumindest minimieren. Ein anderer Bereich ist gerade in so einem Raum wie dem Ahrtal, das ja auch sehr steil ist, wo ich gar nicht immer die Möglichkeit habe, dass ich auf jeden Fall gucke, dass so viel Boden wie möglich unversiegelt ist, dass das Wasser auch in den Boden versickern kann. Zum Beispiel ist es so, dass gerade Waldboden sehr viel Wasser aufnehmen kann. Grünland Boden auch noch. Und das wird dann eben schon bei Ackerboden schwieriger. Das heißt, ich muss dann eine angepasste Landnutzung haben und selbst in Städten kann ich gucken, dass ich eben möglichst viel unversiegelte Fläche habe oder eben Möglichkeiten gebe zum Versickern. Das kennt man vielleicht unter dem Begriff, dass Städte zu Schwammstätten werden müssen."

Sprecher: Es gibt also wirklich noch jede Menge zu tun. Wer genau wäre denn dafür verantwortlich, diese Maßnahmen umzusetzen?

O-Ton 5 (Sabine Yacoub, 56 Sek.): "Also im Grunde sind alle gefragt, beim Klimaschutz natürlich jeder selbst. Aber da sehe ich gerade auch bei der Bundesregierung und auch bei der Landesregierung eine hohe Verantwortung, da jetzt wirklich die Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass es eben vorangeht mit dem Klimaschutz. Im Hochwasserschutz sind die Länder gefragt, vernünftige Rahmenbedingungen zu geben aber zum Beispiel auch die Kommunen sind gefragt.
Also wir haben immer noch Kommunen, die in Auenbereiche, in Bereiche, wo bekannt ist, dass sie Hochwassergebiet sind, Bauprojekte planen. Und das darf auf keinen Fall mehr passieren. Also wir müssen wirklich das, was wir an Flächen, die jetzt noch frei von Bebauung sind, noch haben, das müssen wir auf jeden Fall freihalten. Und Land und Kommunen müssen eben gemeinsam auch gucken: Wo sind die Flächen für den ökologischen Hochwasserschutz, wo können wir Auengebiete auch vergrößern?"

Abmoderationsvorschlag:

Das war Sabine Yacoub vom Landesverband Rheinland-Pfalz des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kurz BUND. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Yacoub.

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