FDP will Rechtsschutz für Bürger*innen aushebeln – BUND gegen Pläne des Justizministers zur Planungsbeschleunigung

12. September 2022 | Mobilität, Lebensräume, Naturschutz

Anlässlich eines Gesetzentwurfs aus dem FDP-geführten Bundesjustizministerium zur Planungsbeschleunigung bei Infrastrukturprojekten warnt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) vor gravierenden Folgen für die Rechtssicherheit. Ein vom BUND in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten legt erhebliche verfassungsrechtliche- und europarechtliche Probleme offen. Insbesondere die geplante Abschaffung des Eilrechtsschutzes stellt einen schwerwiegenden Eingriff dar.

Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender: „Seit mehr als 30 Jahren versucht der Gesetzgeber, die Planungsverfahren im Infrastrukturbereich zu beschleunigen. Bislang führte aber keine der Änderungen tatsächlich zu einer schnelleren Umsetzung naturverträglicher Projekte. Jetzt droht von Seiten der FDP ein weitreichender Angriff auf den Rechtsschutz: Selbst schwerste Fehler bei den Planungen könnten künftig ignoriert werden, wenn sich die FDP-Pläne durchsetzen. Auch klimaschädlicher und überteuerter Bauwahn bei immer größeren Flughäfen, fehlgeplante Autobahnen und im Braunkohlabbau wäre davon nicht ausgenommen.“

Die geplanten Änderungen sind unnötig und nicht zielführend. Sie schwächen den Rechtsstaat und betreffen nahezu alle Verfahren im Bereich Infrastruktur, darunter auch gesundheitsgefährdende Projekte und längst überholte Mobilitätsvorhaben.

Bandt: „Mit den Plänen von Bundesjustizminister Buschmann soll das Ende des Eilrechtsschutzes für die Bürger*innen eingeläutet werden. Betroffen wären dabei nicht nur Umweltverbände, sondern insbesondere auch Bürgerinnen und Bürger, deren Einflussnahme und Schutz vor staatlicher Willkür stark beschnitten würden. Über Jahrzehnte gewachsene gesellschaftliche Errungenschaften dürfen nicht einfach so und aus populistischen Gründen eingeschränkt werden.“ 

Umweltverbände und private Kläger*innen könnten bei Umsetzung der Ministeriumspläne künftig selbst bei groben Verstößen gegen Umweltgesetze wie Planungsfehler oder drohende Natur- und Umweltzerstörungen nicht mehr durch Eilverfahren stoppen, weil Gerichte „heilbare“ Fehler außer Acht lassen, beziehungsweise im Nachgang zum Beispiel Umweltprüfungen anordnen könnten. Sind dann jedoch erst einmal Tatsachen geschaffen – wie etwa beim Bau naturzerstörender Infrastruktur –, lässt sich im Nachhinein dagegen nichts mehr ausrichten.

Bandt: „Der FDP-Entwurf ist ein fundamentaler Angriff auf unsere grundrechtliche Werteordnung. Er wird ohne Notwendigkeit geführt. Gerichtliche Eilverfahren dauern aktuell ohnehin meist kein Jahr, oft sind sie deutlich kürzer. Das Beschleunigungspotenzial der geplanten Einschränkungen ist somit sehr gering.“

Nicht Gerichtsverfahren verzögern Infrastrukturplanungen, wie Untersuchungen der Bundesregierung ergaben. Die meiste Zeit geht in der langen Planungsphase des Vorhabenträger verloren. Die Hauptgründe sind fehlende Daten und Standards sowie fehlende Fristen und Personalmangel in Behörden.

„Wenn die FDP sich als Beschleuniger-Partei verdient machen will, kann sie sich ohne Verzögerung auf anderen Feldern hervortun: bei einer echten Mobilitätswende, beim Verbrenner-Aus, dem Abbau klimaschädlicher Subventionen und einem sozialen ÖPNV-Ticket, beim Umbau unserer Flusslandschaft hin zur Klimaneutralität durch natürlichen Klimaschutz. Das sind nur einige der Aufgabenbereiche, bei denen die Liberalen ganz schnell zukunftsfähige Politik machen könnten, wenn sie wollten“, so Bandt.  

Hintergrund: Aus Sicht des BUND ist insbesondere der neue § 80c VwGO verfassungswidrig und verstößt gegen Art. 19 Absatz des Grundgesetzes. Gleichzeitig ist er völkerrechtswidrig (Verstoß gegen Art. 9 Absatz 4 der Aarhus-Konvention) und er ist europarechtswidrig (Verstoß u.a. gegen Art. 47 EU-Grundrechtecharta u.w.m.). Nach dem Eilrechtsschutz können Bürger*innen vor Gericht eine vorläufige Entscheidung beantragen, wenn Planungen gegen Umweltgesetze verstoßen. Diese Möglichkeit haben sie vor Verfahrensabschluss, beziehungsweise je nach Fall sogar noch bevor Beginn eines Verfahren in der Hauptsache. So lassen sich etwa Verwaltungsakte oder andere Maßnahmen vorerst stoppen.  

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