Europäisches Vorsorgeprinzip bewahren, nachhaltige Innovationen fördern

12. April 2019

Zur heutigen Debatte zum Innovationsprinzip im Deutschen Bundestag erklärt Olaf Bandt, Geschäftsführer für Politik und Kommunikation beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):

Olaf Bandt BUND-Vorsitzender Olaf Bandt  (Foto: Simone Neumann)

"Innovationen sind heute wichtiger denn je, um den ökologischen Herausforderungen unserer Zeit und dem absehbaren Ende fossiler Ressourcen zu begegnen. Eine nachhaltige Landnutzung, der Umgang mit den Herausforderungen der Klimakrise und der Bedarf an nachhaltiger Mobilität sind nur ein paar Beispiele für Fragen, auf die wir in den nächsten Jahren innovative Antworten brauchen. Grundfalsch ist es aber, dafür das europäische Vorsorgeprinzip zu schwächen, wie es mit dem von der Industrie lancierten Begriff des Innovationsprinzips geschehen soll. Gerade in Zeiten des Umbruchs braucht es Leitplanken, die Mensch und Umwelt schützen und die Industrie leiten.

Der BUND befürwortet, dass mehr Ressourcen in die Entwicklung von Ideen gesteckt werden. Aber dies gelingt nicht, wenn berechtigte Schutzinteressen hinter den Gewinninteressen der Industrie zurückstehen müssen. Politik darf sich hier nicht zum Büttel der Wirtschaft machen und eine Deregulierung auf Kosten von Gemeinwohl, Umwelt- und Verbraucherschutz fordern.

Ein nicht näher definiertes Innovationsprinzip dem in Europa als grundlegendes Verfassungsprinzip verankerten Vorsorgeprinzip gleichzusetzen und in Gesetzestexten zu verankern, lehnen wir ab.  Stattdessen ist eine bessere Förderung nachhaltiger Innovationen notwendig. Wir brauchen eine Innovationsforschung, die das europäische Vorsorgeprinzip ernst nimmt.  Folgeabschätzungen müssen von Anfang an mitgedacht werden, bei der Forschung und Entwicklung muss die Berücksichtigung von Umweltfolgen inkludiert werden und die Entwickler nachhaltiger Produkte und Prozesse müssen einen erleichterten Zugang zu Forschungsgeldern bekommen."

Hintergrund

Das Vorsorgeprinzip in Artikel 191 der Verträge von Lissabon zählt zu den Grundpfeilern des europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzrechts. Das Konzept des Innovationsprinzips wurde von Interessensvertretungen der Chemie-, Tabak- und Erdölindustrie mit dem Ziel entwickelt, dieses Grundprinzip auszuhebeln und damit das gesamte europäische Umwelt- und Verbraucherschutzrecht zu schwächen.

Unter Verweis auf nicht näher beschriebene "Innovationen" sollen europäische Rechtstexte nach diesem Ansatz zukünftig einer zusätzlichen industriefreundlichen Folgeabschätzung unterzogen werden. Ein entsprechendes Instrument ("Research & Innovation Tool") wurde von der Europäischen Kommission bereits entwickelt. Danach soll der vorsorgende Schutz für Verbraucher und Umwelt gegen das Innovationsprinzip abgewogen werden. Bei einer Implementierung des Prinzips droht, dass die mit europäischen Steuergeldern finanzierte Forschungsförderung als Instrument für die Schwächung von Umwelt- und Verbraucherschutz missbraucht wird.

Im (noch nicht abschließend beschlossenen) Forschungsrahmen "Horizon Europe" ist der Begriff des Innovationsprinzips nun erstmals in einem europäischen Rechtstext aufgeschrieben, mehr als 60 zivilgesellschaftliche Organisationen haben deshalb die EU-Kommission noch im März auf die Gefahren einer Implementierung hingewiesen, und dazu aufgerufen, die entsprechenden Passagen aus dem Forschungsrahmen zu entfernen.

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