Berlin. Anlässlich des heute vorgestellten Berichts zur Lage der Natur betont die Geschäftsführerin für Politik und Kommunikation beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Antje von Broock, die Wichtigkeit von Naturschutz in Zeiten der Klimakrise und des Artensterbens: "Die gute Botschaft des Berichts: Das europäische Netzwerk der Natura 2000-Gebiete funktioniert, wenn es solide finanziert und mit Personal unterstützt wird. Es ist ein Erfolg des Naturschutzes, dass es Arten wie Wildkatze, Kegelrobbe oder Steinbock sowie einigen Lebensräumen heute besser geht. Die schlechte Botschaft: Die Treiber des Artenverlustes wirken vielerorts unvermittelt weiter. Die Zahlen offenbaren, dass die Zukunftsfragen im Naturschutz in Deutschland vielfach immer noch unbeantwortet sind. Das ist nach 28 Jahren Natura 2000 ein Offenbarungseid im Naturschutz."
Die artenreichen Lebensräume in der Agrarlandschaft sind auf ein Rekordtief gesunken, sogar streng geschütztes Grünland in Schutzgebieten geht verloren und das Ende der Pestizidanwendung in Naturschutzgebieten ist in weite Ferne gerückt. Von Broock weiter: "Wir brauchen ein Umdenken bei der Intensivierung der Landwirtschaft mit ihrem Einsatz von Pestiziden und dem übermäßigen Ausbringen von Gülle. In Folge intensiver Viehhaltung zerstören gerade auch Nährstoffeinträge sensible Lebensräume wie Moore und belasten selbst Nord- und Ostsee in erheblichem Maße."
Aus Sicht des BUND ist es dringend geboten, dass die Bundesländer ressortübergreifend ihre Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft der biologischen Vielfalt wahrnehmen. Vor diesem Hintergrund begrüßt der BUND ausdrücklich die Beschlüsse der Umweltministerkonferenz von Mitte Mai. "Naturschutz ist wirksam, wenn die Schutzmaßnahmen konsequent vor Ort durchgeführt werden und die Finanzmittel dafür ausreichen", so die BUND-Geschäftsführerin. "Wir fordern die Ministerpräsidenten der Länder auf, ihre Umweltbehörden mit der Verantwortung für die biologische Vielfalt nicht allein zu lassen. Naturschutz und nachhaltige Nutzung sind ressortübergreifende Aufgaben. Die Agrarpolitik, Verkehrspolitik, Energiepolitik und Wirtschaftspolitik müssen ihre Arbeit an den ökologischen Grenzen des Planeten ausrichten und ihren Beitrag zum Erhalt der Natur in Deutschland effektiv leisten. Die Treiber des Artensterbens zu stoppen, ist da nur ein erster Schritt."
Der BUND ist mit seinen über 2.000 Ortsverbänden einer der großen Naturschutzverbände Deutschlands und kämpft auf allen Ebenen für die Erhaltung der Natur. Dazu erklärt die BUND-Geschäftsführerin abschließend: "Naturschutzarbeit ist Arbeit vor Ort. Für die Rettung unser Natur und zum Erhalt der Artenvielfalt braucht es aber klare und eindeutige Entscheidungen in Deutschland und Europa. Es braucht eine sozial-ökologische Wende, die endlich ernst macht mit dem Erhalt von Arten und Lebensräumen. Auch die aktuelle Pandemie darf nicht dazu führen, diese essentiellen Prioritäten zum Schutz der Natur herabzustufen."
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- Treiber des Artensterbens: Nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz verzeichnen artenreiche Wiesen und Weiden sowohl in der Fläche als auch in ihrer Artenvielfalt starke Rückgänge. Dieser Trend setzt sich seit dem ersten nationalen FFH-Bericht aus dem Jahr 2001 ungebrochen fort. Eine Hauptursache des Artensterbens und des Schwindens der Lebensräume ist laut Analysen des Weltbiodiversitätsrates IPBES (engl. Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services), dass weltweiter Handel und Konsum den Druck auf die Natur in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht haben. So machen die Autor*innen insbesondere die intensive Landwirtschaft, die Abholzung der Wälder, die Überfischung der Meere und den Ressourcenabbau für die Zerstörung der Natur verantwortlich. Derzeit begünstigen bestehende Anreize wie die europäischen Agrarsubventionen in erster Linie natur- und umweltschädigende Aktivitäten und Wirtschaftsmodelle. Der Bericht mahnt dringend Maßnahmen für einen transformativen Wandel unseres ökonomischen Systems zu ergreifen, um den drohenden ökologischen Kollaps zu verhindern. In Deutschland und Europa sind Landnutzungsänderungen und vor allem die Intensivierung der Landnutzung die unmittelbaren Hauptursachen für die Abnahme der Biodiversität und für den Verlust von Beiträgen der Natur für die Menschen. In Europa und Zentralasien hat die Abnahme traditioneller Landnutzungen den Umfang der naturnahen Lebensräume von hohem Erhaltungswert reduziert. Hierzu tragen beispielsweise fehlende finanzielle Unterstützung für extensive Nutzungsformen und eine grundsätzlich nicht auf nachhaltige Landwirtschaft und Waldbewirtschaftung ausgerichtete Nutzung bei. Aber auch Infrastrukturmaßnahmen (z.B. Straßenbau), Stadtentwicklung (z.B. Bodenversiegelung), oder der Abbau von Bodenschätzen, die durch die Umwelt schädigende Subventionen gefördert werden oder die die Interessen und das Wissen der Bevölkerung vor Ort ignorieren, wirken sich oft negativ aus. Darüber hinaus hat auch der Klimawandel zunehmend negative Folgen auf die Biodiversität und die Beiträge der Natur. Mehr dazu...
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- Pressekontakt: Magnus Wessel, Leiter Naturschutzpolitik des BUND, Mobil: 01 60 / 93 72 18 30, magnus.wessel(at)bund.net sowie BUND-Pressestelle (Sigrid Wolff / Daniel Jahn / Judith Freund / Heye Jensen), Tel.: (030) 2 75 86-425/-531/-497/-464, presse(at)bund.net