BUND-Handbuch: Radverkehr selber machen

Rückenwind für den Radverkehr

In den letzten Jahren ist eine neue Fahrrad-Bewegung entstanden. Ob Critical Mass, Fahrrad-Sternfahrten oder Protestaktionen für geschützte Radfahrstreifen: Zigtausend Menschen machen Jahr für Jahr fürs Radfahren mobil.

Das Erfolgsrezept der neuen Fahrradbewegung: Sie fordert konkrete politische Veränderungen auf lokaler Ebene ein. So engagieren sich immer mehr Menschen in der Stadt- und Kommunalpolitik und erwirken den konkreten Ausbau der Radinfrastruktur vor Ort.

Das Momentum ist da. Machen Sie mit. Auf dieser Seite – und ausführlicher in unserem Handbuch – erklären wir, wie Sie mehr Radwege, Fahrradparkplätze und Fahrradstraßen bei Ihnen vor Ort realisieren können.

Ansprechpartner*in

Team Engagement und Mitmachen


E-Mail schreiben Tel.: + 49 30 275 86-550

Das Handbuch bietet Tipps und Fachwissen auf 20 Seiten.

Mit diesem Handbuch möchten wir BUND-Aktiven eine Handreichung geben, wie sie konkret dazu beitragen können, dass Maßnahmen für mehr Radverkehr möglichst schnell und wirksam die Straßen verändern. Es gibt inzwischen viel Wissen dazu, wie der Radverkehr vor
Ort „von unten“ gestärkt werden kann und welche Hindernisse es hierbei wie zu überwinden gibt. Dieses haben wir in diesem Handbuch zusammengetragen und dafür auch Interviews mit Wissenschaftler*innen und BUND-Aktiven geführt.

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Zentrale Maßnahmen für mehr Radverkehr

Hier lässt es sich einfach besser radeln. Foto: Mickis Fotowelt / Adobe Stock

Es gibt drei Maßnahmen, die sich besonders gut zur Ausweitung des Radverkehrs vor Ort eignen. Dabei handelt es sich um (temporäre) geschützte Radfahrstreifen, um Fahrradstraßen und um baulich getrennte Radwege. Die ersten beiden Maßnahmen sind relativ schnell umzusetzen, da sie keine großen baulichen Veränderungen erfordern, sondern mit einfach zu installierenden Verkehrsschildern, Pollern und Markierungen umgesetzt werden können.

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Geschützte (temporäre) Radfahrstreifen

 Die Streifen sind

  • idealerweise so breit wie eine reguläre Fahrspur,
  • durch Poller oder Flexposts vom Autoverkehr getrennt
  • und auch vom Fußverkehr möglichst baulich getrennt,
  • am sinnvollsten dort, wo Geschwindigkeiten von mehr als 30 km/h gefahren werden, wo viele Lkw oder Busse fahren oder wo viele Fahrspuren für Kraftfahrzeuge vorhanden sind.
  • Sie können dauerhaft oder als temporäre Pop-up-Radwege kurfristig umgesetzt werden.

 

Fahrradstraße

Fahrradstraßen gewähren Fahrrädern auf einer ganzen Straße den Vorrang gegenüber allen anderen Verkehrsmitteln

Wenn nicht anders ausgewiesen, dürfen hier nur Fahrräder und Elektro-Kleinstfahrzeuge fahren (Kfz-Verkehr nur für Anlieger), es gilt Tempo 30 und Fahrräder dürfen nebeneinander fahren, auch in Gruppen. 

Baulich getrennte Radwege

Hier fühlen sich laut Umfragen die meisten Radfahrer*innen am sichersten.

Ein baulich getrennter Radweg ist

  • idealerweise durch Grün- oder Parkstreifen von der Fahrbahn und vom Gehweg abgehoben oder durch bauliche Barrieren getrennt,
  • zum Teil kommt ein anderer Untergrundbelag zum Einsatz als auf dem Gehweg oder der Fahrbahn.

Die Einrichtung von baulich getrennten Radwegen ist mit deutlich mehr Aufwand verbunden als von geschützten Radfahrstreifen oder Fahrradstraßen.

Weitere Maßnahmen für den Radverkehr

Weitere Maßnahmen die den Radverkehr in Städten und Kommunen sicherer machen.

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Parkplätze mit Fahrradbügeln umwandeln

Schaffen Sie mehr Fahrradparkplätze an relevanten Orten (Bahnhof oder Arbeitsstelle) und beantragen Sie Fahrradbügel

Vorgehensweise:

  • Beim zuständigen Verkehrsamt anfragen, ob es schon Planungen gibt.
  • Im formlosen Antrag den genauen Ort nennen, was benötigt wird (Fahrradbügel für Fahrrad- und/oder Lastenradparkplätze) und was dafür eventuell aus Platzgründen entfernt werden muss (Kfz-Parkplätze).
  • Gründe nennen, warum der Bau nötig ist: hilfreich ist der Nachweis warum viele Menschen sich den Bau wünschen, zum Beispiel durch eine Unterschriftensammlung.
Tempo 30 ausweiten auch auf Vorrangstraßen

Tempo-30-Zonen dürfen in Wohn- und Mischgebieten eingerichtet werden, wenn keine Vorfahrtstraße betroffen ist.

Für eine streckenbezogene Temporeduzierung auf Straßen, die keine Nebenstraßen sind, muss aktuell noch eine erhöhte Gefahr für Menschen, z. B. durch eine hohe Unfallgefahr, hohe Schadstoffwerte oder zu hohe Lärmbelästigung bestehen und nachgewiesen werden.

Eine streckenbezogene Temporeduzierung vor bestimmten schützenswerten Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern etc. ist aber auch ohne Gefahrennachweis möglich.

Kreuzungen fahrradsicher machen

Um Unfällen vorzubeugen sollte der Radverkehr eine dem Autoverkehr vorgezogene, geschützte Haltefläche erhalten, die Ampelphasen von Radfahrer*innen und rechtsabbiegenden Autofahrer*innen getrennt werden.

Es können auch kleine Verkehrsinseln an den Kreuzungsecken gebaut werden: Das reduziert die Abbiegegeschwindigkeit der Autofahrer*innen und ermöglicht Blickkontakt mit den Radfahrer*innen.

Superblocks einführen

Ein neueres Konzept, in Berlin als " Kiezblocks" bekannt, sind Stadtviertel ohne Durchgangsverkehr und mit mehr Möglichkeiten zum Aufenthalt.

Ein gut durchdachter Mix von Durchfahrtssperren, Einbahnstraßen oder Tempolimits verhindert, dass Autofahrer*innen ein Quartier als Abkürzung nutzen. Stattdessen wird der Durchgangsverkehr auf die Hauptstraßen geleitet, wo er hingehört.

Weitere Informationen zum Vorgehen, den Ansprechpartner*innen in Politik und Verwaltung und wie Sie zum Beispiel eine Verkehrszählung durchführen, finden Sie in unserem Handbuch.

 

Öffentlichkeitswirksame Aktionen für mehr Radverkehr

Fahrraddemo in Frankfurt am Main. Foto: Georg Wendt / BUND

Fahrrad-Demos, Critical Mass oder Parking Days generieren nicht nur vor Ort Aufmerksamkeit, sondern finden auch immer wieder ihren Weg in die Medien. Forderungen gewinnen so an Zuspruch und einzelne Stimmen erhalten den notwendigen gesellschaftlichen Rückenwind, um die Radinfrastruktur auszubauen.

Ob in Aachen, Berlin, Bamberg, Bremen, Dresden oder München – die Mobilitätswende durch den Ausbau des Radverkehrs ist aufgrund ehrenamtlichen Engagements in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen.

Hier ein paar Tipps für Aktionen mit denen Sie Vorfahrt für's Fahrrad fordern können:

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Bildaktion für geschützten Radfahrstreifen

Um Aufmerksamkeit für eine fehlende Radinfrastruktur zu schaffen, können Sie im Rahmen einer öffentlichkeitswirksamen Aktion einen temporär geschützten Radfahrstreifen an der gewünschten Stelle aufbauen.

Notwendig hierfür:

  • bei den zuständigen Ordnungsbehörden (meist Polizei oder das Ordnungsamt) eine Versammlung unter freiem Himmel anmelden,
  • notwendige Materialien (Verkehrshütchen, evtl. roter Teppich, Plakate) organisieren,
  • Presse und politisch Verantwortliche einladen,
  • Fotos machen und die sozialen Netzwerke bespielen.
Critical Mass organisieren

Laut Straßenverkehrsordnung dürfen mehr als 15 Radfahrende auf der Fahrbahn einen geschlossenen Verband bilden und dann auch zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren.

In der Regel empfiehlt es sich jedoch, trotzdem eine Fahrraddemonstration anzumelden. Denn dann können Sie mit der Critical Mass auch politische Botschaften und Forderungen in Form von Plakaten etc. transportieren und am Anfang und Ende Reden halten. Auch das Mitführen von Soundanlagen ist bei einer angemeldeten Versammlung klart geregelt.

Schulstraßen-Demo

Eine genehmigte und ausgewiesene Schulstraße bedeutet, dass die Straße vor der Schule meist für eine halbe Stunde um den Schulbeginn und um das Schulende für den Autoverkehr von Seiten der Kommune offiziell gesperrt wird.

Um eine Schulstraße vor Ort zu erwirken, können Sie gemeinsam mit der Schule bzw. den Eltern und den Schüler*innen eine Schulstraßen-Demo organisieren. Die Demo muss bei der Polizei angemeldet werden, die dafür die Straße sperrt.

Parking-Day organisieren

An jedem dritten Freitag im September findet der internationale PARK(ing) Day statt.

Es werden dabei Parkplätze kreativ in kleine Parks bzw. Erholungs- oder auch Kulturflächen (Lesungen, Konzerte) umgewandelt. 

Wichtig:

  • die Aktion bei der Ordnungsbehörde als Versammlung rechtzeitig anmelden,
  • die Presse rechtzeitig informieren,
  • Anwohner*innen und ggf. Geschäftsinhaber*innen informiern und einladen,
  • Fotos von der Aktion machen und diese in den sozialen Medien verbreiten.

Im Kontext Radverkehr eignet sich diese Aktion gut dafür, geschützte Radwege oder Fahrradbügel statt Parkplätzen zu fordern.

Unterschriftensammlung für einen Einwohnerantrag

Der Einwohner*innen- bzw. Bürger*innenantrag ist ein Instrument der direkten Demokratie, das es in fast allen Bundesländern gibt. 

BUND-Aktive können einen Einwohner*innenantrag in ihrem Bezirk bzw. Stadtteil starten, um eine Radverkehrsmaßnahme in die politische und damit auch öffentliche Diskussion zu bekommen. Sie sollten den Antrag zunächst im Bezirksamt absprechen und die formale Zulässigkeit überprüfen und bestätigen lassen. Um die benötigten Unterschriften zu sammeln, erstellen Sie eine Unterschriftenliste und sammeln Sie gemeinsam mit Mitstreiter*innen am besten auf gut besuchten Orten (Märkten, vor Einkaufzentren) Unterschriften ein. Sie können Listen auch an wichtigen Orten in Ihrem Bezirk auslegen oder aber auch online zum Unterschreiben aufrufen zum Beispiel über das Portal https://www.openpetition.de.

Gute Argumente gegenüber Politik und Öffentlichkeit für mehr Radverkehr

Grünes Licht für den Radverkehr. Foto: Animaflora PicsStock / Adobe Stock

Bei der Beantragung von Radinfrastruktur sind harte Fakten wie zum Beispiel die Erhöhung der Verkehrssicherheit vor Ort, das Schaffen von Ordnung im Verkehr oder eine hohe Nutzung durch Radfahrende zu nennen.

In der Diskussion mit Politiker*innen oder der Öffentlichkeit sollte jedoch auch mit der grundsätzlich höheren Lebensqualität in der Stadt argumentiert werden, die durch den Ausbau des Radverkehrs erreicht werden kann. Es wird bessere Luft zum Atmen geben, mehr Platz für Freizeit und sichere Bewegung, für Kinder, für Kinderwagen, mobilitätseingeschränkte Personen und für ältere Menschen. Das soziale Miteinander verbessert sich und auch der Einzelhandel profitiert von der Laufkundschaft – was wiederum die Innenstädte belebt.

Gegenüber hochrangigen Politiker*innen kann dafür geworben werden, dass die Stadt anerkannte Vorreiterin für eine hohe Lebensqualität werden kann.

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Das Fahrrad als zentrales Verkehrsmittel für die Mobilitätswende vor Ort

Das Fahrrad ist emissionsfrei, leise, gesundheitsfördernd und bezahlbar. Der Fahrradverkehr benötigt viel weniger Fläche als der Autoverkehr und ist allen anderen Verkehrsarten in Hinblick auf Lärm, Abgasen und Feinstaub überlegen. Gleichzeitig sind 70 Prozent aller mit dem Pkw zurück gelegten Fahrten kürzer als zehn Kilometer, die Hälfte sogar kürzer als fünf Kilometer. Das sind Distanzen, die – inzwischen durch E-Fahrräder auch in hügeligen Gegenden oder auch für ältere Menschen – leicht mit dem Fahrrad zurückzulegen sind. Das Fahrrad hat somit eine Schlüsselrolle, den Pkw auf mittleren Strecken zu ersetzen und damit unsere Städte lebenswert zu machen.

Die Kommunen müssen sich der Klimakrise anpassen

In städtischen Gebieten wirkt sich die Klimaerwärmung noch stärker aus, als im grünen Umland:  Aufgrund des hohen Bebauungs- bzw. Versieglungsgrades wird es in den Städten heißer und die Hitze speichert sich länger. Deswegen rufen immer mehr Städte und Kommunen den Klimanotstand aus und räumen der Eindämmung der Klimakrise und seiner Folgen höchste Priorität ein. Um die Hitzefaktoren abzumildern und Wasser in der Stadt zu halten, sollen in sogenannten „Schwammstädten“ Flächen entsiegelt und mehr Grünflächen geschaffen werden. Die Frage nach der Flächengerechtigkeit in den Städten spitzt sich zu. Das Fahrrad kann als sehr flächenschonendes Verkehrsmittel einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, mehr Raum zu schaffen. Der Ausbau des Radverkehrs ist eine zentrale Maßnahme im Klimanotstand.

Der Handlungsdruck wächst

Der Verkehr ist der Sektor, der bislang nichts zum Klimaschutz beiträgt. Sein Treibhausgasausstoß lag laut Berechnungen des Umweltbundesamts im Jahr 2022 bei 148 Millionen Tonnen CO2. Damit liegt er rund neun Millionen Tonnen über der im Bundesklimaschutzgesetz für 2022 zulässigen Jahresemissionsmenge. Der Verkehr ist der einzige Sektor, der gleichzeitig sein Ziel so deutlich verfehlt und einen Emissionsanstieg gegenüber 2021 verzeichnet. Ob Dürresommer, schmelzende Gletscher oder ausgetrocknete Flüsse im Februar: Die Klimakrise spitzt sich zu. Es müssen auf allen Ebenen schnell wirksame Maßnahmen ergriffen werden, die dem Klima und damit uns Menschen helfen – besonders im Verkehr.

Aktionspaket Mobilitätswende jetzt

Aktionsschilder, Fahnen, Aufkleber und Infomaterialien zum Verteilen – mit unserem Aktionspaket sind Sie startklar für die Mobilitätswende. Mit guten Argumente und öffentlichkeitswirksamen Aktionen können Sie Ihr Anliegen für mehr Radverkehr vor Ort besser realisieren. BUND-Gruppen und Aktive können die Materialien hier kostenlos bestellen:

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