Stellen Sie sich vor, giftiger Müll aus Thailand würde nach Deutschland transportiert und in unsere Wälder gekippt werden. Dort sickern Gifte in den Boden und in das Grundwasser und schaden letztlich der Bevölkerung. Wir wären empört!
Tatsächlich verhält es sich genau andersherum. Ein großer Teil unseres Plastikmülls wird sowohl auf legalen wie illegalen Wegen exportiert, vorwiegend in Länder Südostasiens und Afrikas. Aber auch Müll aus anderen EU-Ländern und Nordamerika landet im globalen Süden, wo er oftmals nicht recyclet oder fachgerecht entsorgt werden kann. Eine neue Studie des NGO-Netzwerkes IPEN (International Pollutants Elimination Network), dem auch der BUND angehört, nat nachgewiesen, dass giftige Chemikalien aus Müll in Hühnereier gelangt sind.
Dabei wurden giftige und hormonell schädliche Stoffe identifiziert, die einst als Flammschutzmittel in Elektrogeräten oder als Weichmacher in PVC-Produkten dienten. In den von IPEN untersuchten Hühnereiern fanden sich sehr hohe Konzentrationen von polychlorierten und -bromierten Dioxinen und Furanen. Diese extrem giftigen Verbrennungsprodukte beeinflussen das Hormonsystem und können Auslöser für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes sein. Wer ein halbes derart kontaminiertes Ei isst, nimmt ein Vielfaches der bei uns geltenden Grenzwerte ein.
Der BUND fordert deshalb schon sehr lange ein absolutes Exportverbot für gefährliche und nicht sortenreine Abfälle aus der EU in Länder ohne umweltgerechte Recyclingsysteme. Denn dort werden sie häufig unter unwürdigen Arbeitsbedingungen verwertet und unbrauchbare Reste unter freiem Himmel verbrannt.
Plastik: Chemiecocktail mit teils gefährlichen Substanzen
Das Problem beginnt beim Plastik: Weltweit werden mehr als 10.000 chemische Substanzen in der Plastikproduktion eingesetzt. Immer wieder kommen dabei Substanzen in die Kritik oder werden verboten, da sie etwa als langlebige, giftige Stoffe ("POPs" – Persistente Organische Verbindungen) identifiziert werden. Wenn diese in die Umwelt gelangen, reichern sie sich in Boden und Wasser an und können schließlich in die Nahrungskette gelangen. Während wir auch heute vielen noch zugelassenen problematischen Substanzen ausgesetzt sind, sind auch die längst verbotenen noch in unseren vor Jahren gekauften Plastikgegenständen zu finden.
Hinzu kommt, dass viele Inhaltsstoffe und deren Zusammensetzung in den verschiedenen Kunststoffmaterialien unbekannt sind. Um mehr Transparenz zu schaffen, fordert der BUND deshalb, dass chemische Inhaltsstoffe in Produkten ausgewiesen werden müssen.
Der Plastikberg wächst unaufhaltsam
Die Produktion von Kunststoffen wächst unterdessen ungeachtet weiter und würde sich beim aktuellen Tempo bis 2050 vervierfachen. Dazu trägt nicht zuletzt billiges, durch Fracking gewonnenes Erdgas bei. Schon heute haben viele Recyclingbetriebe damit zu kämpfen, dass neu produziertes Plastik billiger ist als recyceltes. Einen solchen verschwenderischen Umgang mit der Ressource Plastik können wir uns jedoch nicht mehr leisten. Die Chemieindustrie, zu der auch die Plastikherstellung gehört, basiert größtenteils auf den fossilen Rohstoffen Erdöl und Erdgas, verbraucht mehr Energie als jeder andere Industriezweig und trägt somit in erheblichem Maße zu Klimawandel und Artensterben bei.
Weg aus der Krise
Wiederverwertung muss deshalb viel stärker in den Vordergrund rücken. Abfälle aus Deutschland sollten auch hierbleiben und stofflich recycelt werden. Dazu kommt: Das Müllproblem in andere Länder zu verlagern schafft koloniale Ausbeutungsstrukturen, verstärkt soziale Ungerechtigkeit und verwehrt Menschen das Recht auf ein schadstofffreies Leben.
Bleiben wir weiter auf ungebremstem Wachstumskurs, bräuchte es bereits 2030 zwei Planeten Erde, um unseren Konsumhunger zu stillen. Hier ein vernünftiges Maß zu finden, ist also eine Überlebensfrage für die gesamte Menschheit. Wir als BUND fordern deshalb umgehende Maßnahmen für eine Reduktion des absoluten Ressourcenverbrauchs. Das bedeutet, dass auch Plastik-Neuproduktion und –Export begrenzt werden müssen. Mehrwegsysteme müssen zum Standard werden in allen Konsum- und Verkaufsbereichen. Allein ein effizienteres Recycling wird das Problem nicht lösen. Nur so leben wir nicht auf Kosten zukünftiger Generationen und der Menschen im globalen Süden. Und nur so kann das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele 2030, zu denen sich auch Deutschland bekannt hat, in eine halbwegs realistische Nähe gerückt werden.