Weichmacher: Gefährliches Hormongift im Urin vieler Menschen entdeckt

26. April 2024 | Chemie

Das Umweltbundesamt hat in jeder vierten Urinprobe Rückstände des Metabolit MnHexP gefunden. MnHexP ist ein Abbauprodukt des weitgehend verbotenen Weichmachers Di-n-hexyl-Phthalat. Der Weichmacher kann die Fortpflanzungsorgane von Föten im Mutterleib schädigen und bei Erwachsenen das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Fettleibigkeit erhöhen.

Eine Badeente aus Plastik und ein Warnzeichen. Der Weichmacher DnHexP wurde lange Zeit als Zusatzstoff verwendet, um PVC-Plastik weich und biegsam zu machen.  (markcarper & mucahiddin via canva.com)

Hinweis: Diese Meldung vom 6.2.2024 wurde am 26.04.2024 aktualisiert.

Die Untersuchungen des Umweltbundesamts im Rahmen der „6. Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit“ sind noch nicht abgeschlossen. Warum der seit Februar 2023 verbotene Weichmacher in so vielen Urinproben gefunden wurde, ist noch nicht abschließend geklärt. Das Umweltbundesamt sieht inzwischen (Stand April 2024) ausreichende Hinweise dafür, dass ein gegebenenfalls mit Di-nhexylphthalat (DnHexP) bzw. Mono-n-hexylphthalat verunreinigter UV-Filter maßgeblich zu den beobachteten MnHexP Ausscheidungen im Urin beitragen kann.

Weichmacher im Urin von Kindergartenkindern

Zunächst wurde ein massiver Anstieg von Di-n-hexyl-Phthalat (DnHexP) bei Urinproben von Kindergartenkindern in Nordrhein-Westfalen entdeckt. Die Untersuchungen haben ergeben, dass sich in einem Zeitraum von drei Jahren der Anteil der belasteten Proben mehr als verdoppelt hat. Gleichzeitig hat sich bei belasteten Kindern die Konzentration des Weichmachers in etwa verzehnfacht. Die Untersuchungen hatten Expert*innen des Landesamts für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz durchgeführt. Laut Umweltbundesamt sind die gemessen Werte aller bisher ausgewerten Urinproben (750) unter dem Wert, der ein Gesundheitsriskio darstellt. Bis zu einem Wert von 60 Mikrogramm pro Liter Urin ist nach der Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamt nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zu rechnen.

DnHeXP ist besonders besorgniserregender Weichmacher

Der Weichmacher DnHexP wurde bereits im Jahr 2013 als besonders besorgniserregender Stoff eingestuft. Im Jahr 2020 wurde er auf die Liste der zulassungspflichtigen Stoffe gesetzt. Demnach dürfte er in diesem Ausmaß eigentlich nicht mehr in menschlichem Urin nachzuweisen sein.

Suche nach Herkunft

Der Weichmacher DnHexP wurde lange Zeit als Zusatzstoff verwendet, um PVC-Plastik weich und biegsam zu machen. Die Weichmacher dünsten nach und nach aus, werden eingeatmet und über die Haut aufgenommen. Dazu gehören Duschvorhänge, Tischdecken, Kunstleder, Bodenbeläge oder Strukturtapeten. 

Weichmacher kann über Online-Handel nach Deutschland kommen

Entsprechend kann er noch in alten EU-Produkten enthalten sein oder über importierte Produkte nach Deutschland kommen, die gegen das EU-Chemikalienrecht verstoßen. Das ist gerade mit Blick auf den rasant wachsenden Online-Handel nicht kontrollierbar. Die Gesetze sind noch für die analoge Welt gemacht, wie ein Rechtsgutachten des BUND aus dem Jahr 2023 feststellt. Eine BUND-Marktrecherche hat gezeigt, dass online gekauftes Spielzeug hohe Konzentrationen an Weichmachern, krebserregenden Nitrosaminen oder hormonell schädlichem Bisphenol A enthalten kann. Puppen aus PVC, Spielzeugschleim oder Luftballons sind besonders häufig betroffen.

Schädliche Wirkung  

Dabei können hormonell wirkende Schadstoffe schon in sehr geringen Mengen ihre schädliche Wirkung entfalten. Sie gelten deswegen auch als Stoffe, für die es keine sicheren Grenzwerte geben kann. Nicht das einzelne Produkt, sondern die Summe der Belastungen aus vielen verschiedenen Quellen stellt das Gesundheitsrisiko dar. Zudem können sich verschiedene Weichmacher in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken. Der BUND und andere Umweltverbände fordern schon seit den 1990er Jahren ein vollständiges Verbot von Phthalat-Weichmachern wie DnHexP. 

Schadstoff-Regulierung hinkt hinterher

Am Fund des Weichmachers DnHexP zeigt sich erneut, wie groß die Defizite bei der Regulierung von gefährlichen Chemikalien sind. Im Schnitt dauert es acht bis zwölf Jahre, bis ein potentieller Schadstoff alle Instanzen durchlaufen hat und EU-weit reguliert werden kann. Um gefährliche Stoffe schneller regulieren und den Markt effektiver kontrollieren zu können, muss die EU-Chemikalienverordnung REACH endlich zügig überarbeitet werden. Gefährliche Stoffe in verbrauchernahen Produkten müssen schnell verboten werden.

Schadstofffreie Produkte

Viele Produkte, die Schadstoffe enthalten, sind aus Plastik oder Weich-PVC. Setzen Sie stattdessen auf plastikfreie Alternativen. Puppen gibt es auch aus unbedenklichen Textilien und zertifiziertes Holzspielzeug ist schadstofffrei. Kaufen sie zertifizierte Naturkosmetika. Scannen Sie Produkte mit der kostenlosen BUND-ToxFox-App. Die App zeigt an, ob das Produkt hormonelle Schadstoffe, PFAS, Nanopartikel, Mikroplastik oder flüssige Kunststoffe enthält. Verzichten Sie auf Produkte aus Weich-PVC. Regelmäßiges Lüften und feuchtes Wischen von Böden und Ablageflächen hilft, die Belastung in Innenräumen gering zu halten.

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