Ein Interview von Christine Wenzl
Herr Ahlke, Sie haben anspruchsvolle Ziele. Welche Ihrer Maßnahmen verspricht den größten Erfolg?
Ulrich Ahlke: Der Ausbau der erneuerbaren Energien. Allein bei der Windkraft rechnen wir damit, bis 2018 fast dreimal so viel Energie aus Erneuerbaren erzeugen zu können wie heute. Wir haben erkannt, dass die Energiewende in unserer Region elektrisch ist. Erneuerbar erzeugter Strom kann uns alle nötige Energie liefern. Auch für unsere großen Herausforderungen, Wärmeversorgung und Mobilität, die wir ganz neu gestalten müssen.
Was hat das mit Suffizienz zu tun?
Das eigentlich Revolutionäre des Masterplans ist es ja, dass wir unseren Energieverbrauch bis 2050 halbieren wollen. Die technischen Lösungen sind uns weitgehend bekannt. Wichtig ist es nun, einen gesellschaftlichen Prozess zu gestalten. Wir werden nur Erfolg haben, wenn die Menschen ihre Lebensstile überdenken und im Alltag Veränderungen organisieren, die dazu führen, weniger Energie zu verbrauchen.
Das kann aber nicht nur Aufgabe des Einzelnen sein?
Genau, wir dürfen Suffizienz nicht auf die individuelle Lebensführung reduzieren und in der Verantwortung des Einzelnen belassen. Kommunen, die Länder und der Bund müssen Strategien und Handlungsansätze liefern und den Prozess des Wandels begleiten.
Wie schaffen Sie in Ihrem Kreis Strukturen, die es den Menschen erlauben, weniger Ressourcen zu verbrauchen?
Nehmen wir nur das zentrale Thema der Mobilität: Kommunen sollten hier ganze Wegeketten betrachten – und es ihren Bürgern leichter machen, ohne Auto zum Einkaufen, zur Schule oder ins Büro zu kommen. Mit guten Radwegen, Bürgerbussen, einer Stadt der kurzen Wege. Gefragt sind Angebote, dank derer wir uns im Alltag öfter klimaneutral verhalten können. So müssen Kommunen die Grundversorgung sicherstellen, mit kleinen Dorfläden, Wochenmärkten, Post- und Bankfilialen etc. Sonst wird es im ländlichen Raum ganz schwer, eine Suffizienzstrategie umzusetzen.
Der demografische Wandel spielt in Ihrem Masterplan ebenfalls eine wichtige Rolle.
Ja, in vielen Orten hier geht die Bevölkerung zurück, immer mehr ältere stehen immer weniger jungen Menschen gegenüber. Weisen diese Orte im Wettbewerb um die wenigen jungen Leute neue Baugebiete aus, müssen immer weniger Menschen immer mehr Infrastruktur erhalten – was viele Probleme mit sich bringt. Mein Eindruck ist, dass die Verantwortlichen nun erstmals merken: So geht das nicht weiter. Wir raten unseren Kommunen, sich eher nach innen zu entwickeln. Nichts ist öder als Orte mit zunehmendem Leerstand.
Sie sprechen davon, Ihre Kleinstädte und Dörfer krisenfest machen zu wollen …
Ja, wir planen Beteiligungsprozesse, um gemeinsam herauszuarbeiten, was die Attraktivität der Kommunen stärkt: Wie sichern wir die Grundversorgung? In einem Dorf etwa entstand die Idee, ein "Raumsharing" anzubieten: für Fachärzte, die sich eine Praxis teilen, um einmal pro Woche vor Ort sein zu können.
Was können andere von Ihren Erfahrungen lernen?
Besonders ist bei uns vielleicht, dass wir nachhaltige Regionalentwicklung, demografische Trends, Energiewende, Klimaschutz und Suffizienz zusammendenken. Dafür braucht es eine Koordinierungsstelle, mit gutem Personal, etwas Geld und viel Zeit. Prozesse brauchen Zeit! Dass unser Amt seit Ende der 90er Jahre diesen Handlungsspielraum hat, macht den Erfolg aus. Vergleichbares kann man in jeder Region etablieren.
Entscheidend ist ferner, früh alle Akteure einzubinden, gerade auch die Umweltverbände. Schließlich rate ich, die Prinzipien der Nachhaltigkeit anhand konkret realisierter Projekte abzuleiten. Es ist immer leichter, vom Projekt zum Prinzip zu kommen als umgekehrt.