Normalerweise sind Kreuzottern eher bräunlich gefärbt. Gerade in kühleren Gebieten wie Mooren und Gebirgen nehmen viele erwachsene Kreuzottern aber eine Schwarzfärbung an. So können sie noch besser Wärme tanken. Höllenotter heißt diese Variante, im Alpenraum auch Bergviper.
(Paul Hien)
Nur sieben Schlangenarten sind in Deutschland heimisch. Eine der bekanntesten ist sicher die Kreuzotter (Vipera berus) mit ihrem Zick-Zack-Band auf dem Rücken. Wie alle Reptilien ist sie wechselwarm. Sie kann ihre Körpertemperatur also nicht selbst regulieren und benötigt regelmäßige Sonnenbäder. Aber als Anpassung an das nördliche Klima kann sie ihren Körper verbreitern, indem sie die Rippen aktiv abspreizt. Die dann größere Körperoberfläche kann beim Sonnen mehr Wärme aufnehmen. So nutzt sie effektiv die wenige Sonnenstrahlung, die da ist. Hat sie genug Sonne getankt, wird sie aktiv und geht auf Nahrungssuche.
Eine weitere Anpassung an das kalte Klima: Die Kreuzotter brütet ihre Eier im Mutterleib aus. So hat sie ihren ungeborenen Nachwuchs ständig beim Sonnenbaden dabei. Würde sie wie die meisten anderen Schlangen ihre Eier in einem Nest ablegen, bekämen diese zu wenig Wärme, um sich rechtzeitig zu entwickeln.
Und was tut sie im Winter? Ab Mitte oder Ende Oktober verkriecht sich die Kreuzotter in ein Versteck unter Baumwurzeln oder in Felsspalten und verfällt in eine mehrmonatige Kältestarre. Je nach Witterung und Höhenlage erwachen die Tiere ab Mitte Februar bis April und gehen wieder auf Suche nach Nahrung und wärmender Sonne. So schlägt die Kreuzotter dem kühlen Klima gleich in mehrerlei Hinsicht ein Schnippchen.
Kein Platz für Schlangen
Vor allem morgens und am späten Nachmittag sucht die Kreuzotter geeignete Sonnenplätze auf, um Wärme und Energie zu tanken. Doch solche Plätze werden immer seltener. Weite Teile der Landschaft werden nicht mehr gepflegt, sie verbuschen oder wachsen beispielsweise mit Fichten oder Kiefern zu. Viele Heidegebiete und Waldrandstrukturen werden zudem bebaut oder zu intensiv bewirtschaftet, so dass auch hier kein Platz mehr für Kreuzottern und andere Schlangen ist. Ihr Lebensraum schrumpft buchstäblich an allen Seiten.
Die Gebiete, in denen sich Kreuzottern wohlfühlen, sind oft zu weit voneinander entfernt. Die Tiere sind daher in einem kleinen Lebensraum eingeschlossen und treffen kaum andere Kreuzottern, mit denen sie sich fortpflanzen können. Paaren sie sich aber immer wieder mit den gleichen Artgenossen und dem eigenen Nachwuchs, leidet der Bestand an Inzucht und wird anfälliger für Krankheiten. Außerdem: Leben in einem Gebiet zu viele Wildschweine und andere Fressfeinde, spüren diese relativ viele Kreuzottern in ihren Winterquartieren auf, und die Schlangen sind in ihrer Winterstarre eine leichte Beute.
Das führt dazu, dass die Kreuzotter und andere Schlangenarten langsam verschwinden: In ganz Deutschland gibt es starke Bestandseinbrüche und es besteht akuter Handlungsbedarf.
Hier fühlt sich die Kreuzotter wohl
Am Grünen Band gibt es noch Gebiete, in denen die Kreuzotter für sie optimale Bedingungen vorfindet ‒ zum Beispiel im Rothbachthal im Inneren Bayerischen Wald. Hier wurden auf mehreren Flächen im Auftrag des BUND Naturschutz in Bayern eine große Menge Fichten entfernt, damit sie die Flächen nicht zuwachsen. Die Bäume würden zu viel Schatten auf das Zuhause der Kreuzotter werfen, darunter Magerrasen und Zwergstrauchheiden, und letzten Endes würden diese Landschaftselemente ganz verschwinden. Stattdessen bieten nun mehrere neu angelegte Asthaufen sowie freigestellte Fels- und Steinstrukturen der gefährdeten Art Verstecke, wohin sie sich nach den Sonnenbädern zurückziehen kann.
Auch reaktivierten die Naturschützer*innen Wassergräben oder gestalteten sie um und sorgten dafür, dass ein Teil der Fläche ihren verlorengegangenen Moorcharakter zurückerhielt. Im Rahmen des Projektes "Quervernetzung Grünes Band" wurden zusätzlich Teiche angelegt oder renaturiert.
Dass die Gegend jetzt viel mehr Wasserfläche aufweist als vorher, gefällt den Grasfröschen, Bergmolchen und anderen Amphibien, die sich hier ausgiebig vermehren. Aber auch die Kreuzottern profitieren davon, denn sie finden hier jetzt genügend Nahrung: Amphibien gehören zu ihren Lieblingsspeisen, speziell bei jungen Kreuzottern.
Auch andere Arten schätzen die landschaftlich jetzt sehr wertvollen Flächen im Rothbachtal: Waldeidechsen, Haselmäuse, die Speerazurjungfer − eine auf Moore spezialisierte Libellenart – und seltene Schmetterlinge wie der Randring-Perlmuttfalter.
Sichere Rückzugsorte
In anderen Teilen des Grünen Bandes, in der nördlichen Altmark bei Arendsee, hilft die Wiederherstellung von Heideflächen der Kreuzotter. Auch hier schafft eine Entfernung von Gehölz mehr Sonnenplätze für die Schlange: Aufkommende Kiefern würden ansonsten die wertvollen Offenlandbereiche aus Heide- und Sandflächen verdrängen.
Zusätzlich wurden mehr als ein Dutzend neue Versteckplätze und Winterquartiere im Grünen Band angelegt. Eine Einzäunung stellt sicher, dass die Tiere in Ruhe überwintern können, ohne Wildschweinen und anderen Raubtieren zum Opfer zu fallen. Dieser Abschnitt des Grünen Bandes stellt einen der letzten Rückzugsorte für diese Schlange dar. Aus allen anderen Gebieten in der Region liegen, trotz intensiver Suche durch den BUND, keine aktuellen Nachweise vor.
Übrigens: Kreuzottern gehören zu den Vipern und sind damit giftig. Der Biss einer Kreuzotter ist für Menschen aber nur in Ausnahmefällen lebensbedrohlich. Trotzdem sollte man niemals eine Kreuzotter reizen oder gar anfassen – sie kann blitzschnell zuschnappen.
Das Projekt "Quervernetzung Grünes Band" wird im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gefördert.