Das Deutschlandticket ist da, jetzt muss der Angebotsausbau bei Bussen und Bahnen kommen

19. Juli 2023

Das Bündnis „ÖPNV braucht Zukunft“ fordert zügiges Handeln der Bundes- und Landespolitik

Seit dem 1. Mai können Reisende das bundesweit gültige Deutschlandticket für den öffentlichen Nahverkehr zum Preis von monatlich 49 Euro erwerben. Wir begrüßen dieses Ticket und setzen uns dafür ein, dass es für die Fahrgäste, die Beschäftigten und das Klima zum Erfolg wird. Ein preiswerter öffentlicher Nahverkehr entlastet die Menschen finanziell, baut Zugangshürden ab und fördert die dringend notwendige Mobilitätswende.

Doch das Ankurbeln der Nachfrage allein reicht nicht aus, damit der Bund sein Ziel zur Verdopplung der Personenverkehrsleistung auf der Schiene erreichen kann. Denn neben einem attraktiven Preis müssen auch Qualität, Angebote und Kapazitäten stimmen. Durch das Deutschlandticket wird die Auslastung des öffentlichen Verkehrs weiter steigen. Deshalb sind zusätzliche Verkehrsangebote, deutlich mehr Personal und weitere Fahrzeuge jetzt dringend notwendig.

Dafür reichen die Finanzmittel des Bundes für den Nahverkehr nicht aus, denn die Kosten sind enorm gestiegen. Bis 2031 rechnen die Bundesländer mit einer jährlichen Kostensteigerung von fast 5 Prozent. Damit das Deutschlandticket noch mehr Menschen überzeugen und der Bund seine Verlagerungs- und Klimaschutzziele erreichen kann, müssen nun erheblich mehr Mittel aufgewendet werden und das dauerhaft.

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Bundesregierung aus dem Jahr 2021 wurde unter der Überschrift „Öffentlicher Verkehr und neue Mobilitätsangebote“ ein Ausbau- und Modernisierungspakt vereinbart.

Darin heißt es:

„Wir wollen Länder und Kommunen in die Lage versetzen, Attraktivität und Kapazitäten des ÖPNV zu verbessern. Ziel ist, die Fahrgastzahlen des öffentlichen Verkehrs deutlich zu steigern. (...) Wir wollen einen Ausbau- und Modernisierungspakt, bei dem sich Bund, Länder und Kommunen unter anderem über die Finanzierung bis 2030 einschließlich der Eigenanteile der Länder und Kommunen und die Aufteilung der Bundesmittel verständigen sowie Tarifstrukturen diskutieren. Regionalisierungsmittel werden ab 2022 erhöht. Gemeinsam werden wir Qualitätskriterien und Standards für Angebote und Erreichbarkeit für urbane und ländliche Räume definieren.“

Die dazu von der Verkehrsminister*innenkonferenz und vom Bundesminister für Digitales und Verkehr einberufene Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte sich vorgenommen, noch in 2023 einen Abschlussbericht vorzulegen. Als Bündnis „ÖPNV braucht Zukunft“ erwarten wir, dass dies eingehalten wird.

  • Wir erwarten im Abschlussbericht einen Zeitplan mit konkreten Schritten, wie der Pakt umgesetzt werden soll, damit eine Verdopplung des ÖPNV bis 2030 erreicht wird.
  • Wir erwarten Klarheit darüber, welche Kosten dabei entstehen und wir brauchen eine verbindliche Verabredung, wer welche Kosten trägt. Bund, Länder und Kommunen müssen sich auf eine Aufteilung einigen, wie die Kosten des ÖPNV-Ausbaus fair verteilt werden. Dabei müssen deutlich mehr Bundesmittel für zusätzliche Verkehrsangebote, mehr Personal und weitere Fahrzeuge bereitgestellt werden.
  • Die Verkehrsbetriebe des Nahverkehrs müssen in die Lage versetzt werden, attraktive Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu schaffen, damit die Jobs attraktiver werden. Hierzu gehören unter anderem eine gute Bezahlung und Arbeitszeitmodelle, die es ermöglichen, Arbeit und Familie besser vereinbaren zu können.
  • Wir fordern die Verpflichtung für hohe soziale Standards bei Personalübergang nach Ausschreibungen und bei eigenwirtschaftlichen Verkehren.
  • Wir fordern eine Mobilitätsgarantie, um Zugangshürden zum ÖPNV abzuschaffen. So sollen von allen Orten ab 200 Einwohner*innen mindestens im Ein-Stunden-Takt ÖPNV-Angebote ins nächste Mittel- oder Oberzentrum fahren.
  • Wir fordern Mobilitätskonzepte, bei denen mobile Teilhabe nicht am Geldbeutel scheitert. Dazu gehören kostenlose Nutzung für Kinder und Schüler*innen und ein bundesweit gültiges Sozial- sowie Jugend-, Azubi- und Studierendenticket im Rahmen des Deutschlandtickets, das nicht teurer als 29 Euro monatlich sein darf.
  • Barrierefreiheit muss endlich rechtlich ohne Ausnahmeregelungen bundesweit und für jede Verkehrsart verankert werden.
  • Von den Ländern fordern wir Transparenz bei der Mittelverwendung und ein vollständiges und zweckgebundenes Einsetzen der vom Bund bereitgestellten Gelder. Der Flickenteppich der Ausschreibungskonzepte mit unterschiedlichen Tarifsystemen und Vertriebswegen muss abgebaut und Fahrpläne müssen besser koordiniert werden. Dafür muss auch die Zahl der 27 SPNV-Aufgabenträger in den 16 Bundesländern deutlich reduziert werden.
  • Wir brauchen eine Bevorrechtigung im Straßenverkehr, um den ÖPNV schneller und damit attraktiv zu machen. Das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die Straßenverkehrsordnung (StVO) sind so zu reformieren, dass Kommunen in der Lage sind, selbstständig Bus- und Radstreifen sowie Tempo 30 anzuordnen, ohne dass hierzu gesondert eine Begründung bezüglich einer Gefahrenlage oder der Nutzung durch mindestens 20 Bussen in der Stunde.

Da die Regionalisierungsmittel zuletzt lediglich angehoben wurden, um das Deutschlandticket zu finanzieren, jedoch keine zusätzlichen Mittel in den Ausbau des Nahverkehrs geflossen sind, fordern wir:

  • Im Bundeshaushalt 2024 müssen erhebliche Mittel für den Angebotsausbau im Öffentlichen Verkehr bereitgestellt werden.
  • Die Regionalisierungsmittel für den SPNV müssen für 2023 um drei Milliarden Euro und in den Folgejahren zusätzlich zur gesetzlichen Dynamisierung um jeweils mindestens 1,5 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr erhöht werden.
  • In den naturverträglichen Aus- und Neubau der Schieneninfrastruktur müssen jährlich mindestens 4 Milliarden Euro investiert werden.
  • Bis 2030 müssen im ÖPNV jährlich mindestens 1,8 Milliarden für den Erhalt investiert werden. Darüber hinaus sind umfangreiche Investitionen in die Sanierung und Modernisierung der ÖPNV-Infrastruktur von mind. 8 Milliarden Euro pro Jahr nötig.

  • Um die Verdopplung der Verkehrsleistung zu erreichen, ist es notwendig, 70.000 Beschäftigte neu einzustellen. Gemessen an den Löhnen des Jahres 2022 entspricht das einer Summe von rund 5 Milliarden Euro im Jahr 2030.

  • Die Zukunftsfähigkeit des ÖPNV muss durch einen Ausbau- und Modernisierungspakt von Bund, Ländern und Kommunen sichergestellt werden. Für eine Verdoppelung des ÖPNV bis 2030 sind jährliche Investitionen von 16-18 Mrd. Euro ab 2024 notwendi

Dem Bündnis „ÖPNV braucht Zukunft“ gehören unter anderem die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG, der ökologische Verkehrsclub VCD, der Umweltschutzverband BUND, Attac, die NaturFreunde Deutschlands und der Verein Changing Cities an.

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