- Konservative Politiker*innen torpedieren EU-Pestizidreduktion
- Neue Gentechnik-Pflanzen bedeutet nicht weniger Pestizide
- Mehr Vielfalt und lokal angepasste Sorten sind der Schlüssel
Konservative Politiker*innen torpedieren die EU-Pestizidreduktion und fordern gleichzeitig die Deregulierung des EU-Gentechnikrechts für Neue Gentechnik (NGT). Neue Gentechnik-Pflanzen würden die Pestizidreduktion bringen, so das Versprechen der Agrarlobby. Jetzt droht der politische Kuhhandel: Die EU-Kommission plant, die Deregulierung der Neuen Gentechnik mit der EU-Pestizidreduktion (Sustainable Use Regulation, kurz: SUR) als “Package-Deal” zu verkaufen. Eine Analyse von foodwatch zeigt jedoch, dass die hypothetischen Versprechen von neuen schädlings- oder krankheitsresistenten NGT-Pflanzen ein Ablenkungsmanöver sind. “Neue Gentechnik-Pflanzen bringen keine Pestizidreduktion - im Gegenteil", so die NGOs GLOBAL 2000, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und foodwatch. “Vielmehr würde eine Deregulierung des EU-Gentechnikrechts Agrarkonzernen wie Bayer oder Corteva eine noch stärkere Kontrolle über unser Saatgut geben und das Geschäftsmodell von herbizidresistentem Saatgut inklusive Pestiziden im Paket stützen. Verlierer*innen dieses toxischen Deals wären Umwelt, Biodiversität sowie die Konsument*innen und die Bäuer'innen”.
Pestizideinsatz erhöht – starke SUR gefordert
Dass Gentechnik-Pflanzen dabei helfen, den Pestizideinsatz zu reduzieren, ist bislang nur eine Behauptung der Agrarindustrie. Konkrete Zahlen über ein solches Potenzial der Neuen Gentechnik hat die Europäische Union bislang nicht veröffentlicht. Es gibt auch keine Forschungsdaten dazu. In Ländern mit hohem Anteil an gentechnisch veränderten Sorten wurde in den 25 Jahren seit deren Einführung keinerlei Pestizidreduktion erreicht bzw. hat sich der Pestizideinsatz vervielfacht. “In Brasilien, beispielsweise, hat sich der Pestizidabsatz seit 2000 mehr als vervierfacht. Wenn es um die Reduzierung von Pestiziden in der Europäischen Union geht, ist das Potenzial der Neuen Gentechnik derzeit nahezu gleich Null. Das Potenzial einer Pestizidreduktion durch vorbeugenden Pflanzenschutz und ökologische Aufwertung liegt dagegen bei 60 bis 100 Prozent”, so Lars Neumeister, Studienautor und Pestizidexperte von foodwatch. Die EU ist jetzt gefordert, rasch ein ambitioniertes Gesetz zur verbindlichen Reduktion von Pestiziden sowie ein sinnvolles Messinstrument der Pestizidreduktion auf den Weg zu bringen.
Geschäftsmodell: Pestizid-Teufelskreis
“NGT-Pflanzen werden den Verlust der genetischen Vielfalt beschleunigen, insbesondere wenn die Gentechnik unter der Kontrolle einiger weniger globaler Pestizid- und Saatgut-Konzerne ist. Genetische Uniformität ist eine der Hauptursachen für den Einsatz von Pestiziden. Eine höhere genetische Uniformität führt wiederum zu einem höheren Pestizideinsatz und zum Einsatz noch gefährlicherer Pestizide gegen resistente Unkräuter. Dieser fatale Kreislauf kurbelt den Umsatz der Konzerne an”, erläutert Lars Neumeister. Die sechs größten Saatgutunternehmen haben einen Anteil von etwa 50 Prozent am weltweiten Saatgutmarkt. Vier dieser Unternehmen (Bayer, Syngenta, Corteva, BASF) sind auch die größten Verkäufer von Pestiziden.
EU-Gesetze - Der aktuelle Stand zum drohenden Kuhhandel
Am 5. Juli 2023 wird der Gesetzesvorschlag für das EU-Gentechnikrecht erwartet. Es droht, dass die EU-Kommission NGT-Pflanzen unter dem Vorwand der Pestizidreduktion dereguliert und NGT-Pflanzen künftig ohne Kennzeichnung und ohne ausreichende Risikoprüfung auf den Markt kommen. Gleichzeitig torpedieren vor allem konservative EU-Politiker*innen den Gesetzesentwurf der EU-Pestizidreduktion in den aktuellen Verhandlungen im Rat und im EU-Parlament.
“Die EU-Kommission darf sich nicht auf diesen politischen Kuhhandel einlassen, denn er basiert auf den falschen Versprechen der Agrarlobby. Neue Gentechnik-Pflanzen treiben den Pestizideinsatz in die Höhe und befeuern die Biodiversitätskrise. Für eine resiliente, vielfältige und klimaangepasste Landwirtschaft und die Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion für die nächsten Generationen, braucht es eine starke, gesetzlich verankerte Pestizidreduktion und eine weiterhin strenge Regulierung und Risikoprüfung von Neuer Gentechnik-Pflanzen”, appelliert Brigitte Reisenberger von GLOBAL 2000.
Die echten Lösungen liegen auf dem Tisch
Eine große Vielfalt auf unseren Feldern und lokal angepasste, robuste Sorten sind der Schlüssel für eine Landwirtschaft, die effektiv dazu beiträgt, die Klimakrise und die Biodiversitätskrise zu bewältigen. “Mit weniger oder sogar ohne chemisch-synthetische Pestizide zu arbeiten ist möglich – das zeigt der ökologische Landbau. Auch der integrierte Pflanzenschutz setzt zunächst auf Prävention und Förderung von Nützlingen. So kann schon eine breitere und vielfältige Fruchtfolge zu weniger Schaderregern beitragen. Gentechnisch veränderte Pflanzen mit einer eingefügten Herbizidresistenz helfen dagegen sicher nicht. Ganz im Gegenteil: Ihr mit mehr Pestizideinsatz verbundener Anbau schädigt die Biodiversität weiter. Die Wahlfreiheit für eine ökologische, gentechnikfreie Landwirtschaft, aber auch für Verbraucher:innen, ist nur mit einem starken Gentechnikgesetz gesichert”, so Pia Voelker vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Mehr Informationen
- Hier finden Sie die Analyse von foodwatch
- Die BUND-Themenseite zu Pestiziden
- BUND-Petition für einen besseren Schutz von Mensch und Umwelt vor Pestiziden
Kontakt
- Brigitte Reisenberger, GLOBAL 2000 Landwirtschafts- und Gentechniksprecherin
Tel.: +43 699 14 2000 69
E-Mail: brigitte.reisenberger(at)global2000.at - Heidi Porstner, Leitung foodwatch Österreich
Tel.: +43 660 10 75 327
E-Mail: presse(at)foodwatch.at - Pia Voelker, BUND-Mitarbeiterin Gentechnikpolitik
Tel.: + 49 30 275 86-556
Mobil: +49 151 445 801 82
E-Mail: pia.voelker(at)bund.net - BUND-Pressestelle: Sigrid Wolff | Daniel Jahn | Clara Billen | Lara Dalbudak
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