"Viele fühlen sich an ihre Kindheit erinnert"

Auf der Mayda-Blumenfarm in Berlin-Pankow werden Schnittblumen regional, saisonal und ohne Pestizide angebaut. Eine Wonne für Insekten und Großstädter*innen.

Imke Glaser Imke Glaser auf ihrer Blumenfarm  (Almut Gaude)

An einem kalten Märzmorgen stapfe ich fröstelnd über einen Friedhof im Norden von Berlin. Ich suche: eine Blumenfarm, mitten in der Stadt. Und zwar eine ganz besondere. Eine Schnittblumen-Gärtnerei, die komplett auf Pestizide verzichtet. Sie soll sich hier irgendwo in der Nähe eines alten Friedhofs befinden.

Und Tatsache, ich entdecke die Farm versteckt hinter der alten Friedhofskapelle. Ich trete auf das von einem schönen Staketenzaun umrandete Gelände zu und sehe: Blumenzwiebeln über Blumenzwiebeln gemütlich eingekuschelt auf hügeligen, von dunklem Humus nur so strotzenden Beeten. Erste Tulpen- und Narzissenblätter räkeln sich der noch schwach scheinenden Sonne entgegen. Ich bekomme sofort, trotz der Kälte, Frühlingsgefühle. 

Im kleinen Gewächshaus auf dem Grundstück treffe ich Imke Glaser (32). Sie und ihr Mann Reuben haben die Mayda Blumenfarm Berlin im Jahr 2021 eröffnet. Beide stecken all ihre Energie darin, hier Schnittblumen regional, saisonal und pestizidfrei anzubauen. Mit ihrem Projekt haben sie sich gleich zwei Herzenswünsche erfüllt: Zum einen sich gemeinsam selbständig zu machen mit einer Arbeit, die sich gut mit ihren zwei kleinen Kindern vereinbaren lässt. Und zum anderen mit einer Arbeit, die ihre Liebe zur Natur mit einem städtischen Umfeld in Einklang bringt. 

BUND: Wie seid ihr darauf gekommen, eure Mayda-Blumenfarm zu gründen?

Ich habe Sozialwissenschaft studiert und eine Ausbildung als Yoga-Lehrerin. Aber eigentlich wollte ich schon immer irgendetwas mit Gartenbau machen. Nur wusste ich – auch nach einigen Gartenbau-Semestern – nicht genau was. Mein Mann ist professioneller Gitarrist und sehr naturverbunden. Als unsere Tochter auf die Welt kam, beschlossen wir uns gemeinsam selbständig zu machen mit etwas, das gut mit dem Familienleben vereinbar ist. Bei seinen Verwandten in den USA wurden wir dann zufällig auf eine Flowerfarm eingeladen. Es war Liebe auf den ersten Blick: Wir wussten sofort, dass wir eine solche Blumenpracht auch in Berlin entstehen lassen wollten. Im Jahr 2020 haben wir dann dieses 1.200 Quadratmeter große Stück Land hier für fünf Jahre gepachtet und losgelegt.

Mayda Blumenfarm Beim Thema Blumenfarm war es für Imke Glaser Liebe auf den ersten Blick  (Imke Reuben)

BUND: Warum war es Euch wichtig, die Blumen pestizidfrei anzubauen?

Ehrlich gesagt war das keine bewusste Entscheidung. Wir sind gar nicht erst auf die Idee gekommen, mit Pestiziden zu arbeiten. Wir haben ganz natürlich ohne Chemie angefangen. Das hat sich jetzt im Nachhinein als unglaublich wertvoll erwiesen – denn wir organisieren ab Frühjahr, wenn es Blumen zum Schneiden gibt, auch Familien-Nachmittage. Dann sind hier überall Kinder, die Dank unseres pestizidfreien Gärtnerns sorgenfrei umhertollen können. Auch die Erwachsenen können ohne gesundheitliche Bedenken ihre Blumen hier selber pflücken. Und wenn im Sommer alles voller Käfer und Schmetterlinge ist – dann macht es jeden Tag mehr Sinn, genau so und nicht anders zu gärtnern. 

Mayda Blumenfarm Der Boden wird auf der Mayda-Blumenfarm als lebendiges System betrachtet  (Imke Reuben)

BUND: Wodurch zeichnet sich Euer Blumenanbau noch aus?

Wo und wann immer möglich arbeiten wir mit der sogenannten No-Till-Methode: Der Boden wird in Ruhe gelassen, nicht gepflügt oder umgegraben, sondern als lebendiges System betrachtet. Wir graben die Tulpenzwiebeln also zum Beispiel nicht ein, sondern legen sie oben auf das mit frischem Mulch und Humus versetzte Beet. Und dann bauen wir dieses mit weiteren Materialien wie Blättern und Pflanzenresten weiter auf. So erhalten und vermehren wir das Bodenleben und reichern die Beete mit wertvollen Nährstoffen an. So können wir auch auf mineralischen Dünger verzichten. Und wir machen alles mit der Hand, Maschinen kommen hier nicht zum Einsatz.

BUND: Wie und an wen verkauft ihr eure Blumen?

Wir haben im vergangenen Jahr viel experimentiert und mit einem Blumen-Abo angefangen, das sich sehr bewährt hat. Wir liefern wöchentlich ab Saisonbeginn frische Blumensträuße mit einem E-Auto an unsere Abonnenten in ganz Berlin oder verteilen sie an Abholstationen. Das Blumen-Abo ist auch hier direkt in der Nachbarschaft sehr gut angekommen. Vor allem ältere Damen, die die Blumen einmal pro Woche an die Tür bekommen, freuen sich darüber. Es gibt auch ein paar Florist*innen und andere Geschäfte, die unsere Blumen bundweise kaufen. Und dann gibt es noch die Selbstpflücknachmittage. Man kann sich dafür einen Platz online buchen. Für Familien bieten wir Extra-Nachmittage mit Kaffee und Tee an und sie können sich dann selbst auch noch was fürs Picknicken mitbringen. Das ist dann immer wie eine Art Sommerfest.

Mayda Blumenfarm Gärtnern ist etwas für die ganze Familie  (Imke Reuben)

BUND: Legen die Kund*innen denn Wert auf Pestizidfreiheit?

Das ist unterschiedlich. Einigen ist es schon bewusst, dass hier keine Chemie eingesetzt wird und kommen deshalb zu uns. Andere finden es vor allem schön, dass die Blumen aus der Region kommen. Viele unserer Kund*innen fühlen sich hier an ihre Kindheit erinnert, als sie selbst auf Wiesen Blumensträuße gepflückt haben. Wir bewerben unsere Blumen vor allem als ein Produkt, das mit viel Liebe regional angebaut wird und sich ständig dem Wandel der Jahreszeiten anpasst. Jeder Strauß sieht je nach Wetter jede Woche anders aus, das macht sie vielfältig und einzigartig zugleich.

BUND: Welche Blumen baut ihr denn an?

Im Frühjahr natürlich wie jetzt gerade viele Narzissen und Tulpen. Wenn die durch sind, kommt im April die nächste Aussaat mit Sommerblumen. Da gibt es dann einjährige Blumen wie zum Beispiel Dahlien, Cosmeen, Zinnie, Löwenmäulchen. An mehrjährigen Pflanzen haben wir zum Beispiel Lavendel und Bartiris, an zweijährigen unter anderem den Fingerhut.

BUND: Und rechnet sich der Anbau – mit so viel Handarbeit und ohne Pestizide?

Wir hatten am Anfang größere Investitionen zu tätigen für Zäune, die Bewässerung etc. Aber diese Grundausstattung ist nun da. Unsere Blumen sind natürlich teurer als bei Edeka oder Aldi – kosten aber gleichzeitig auch nicht mehr als in einem gut sortierten Blumenladen. Vergangenes Jahr haben wir einige Tausend Sträuße verkauft. Dieses Jahr werden es etwas dreimal so viele, da unser zweites Kind nun in der Kita ist und wir mehr Zeit und Arbeit in die Farm investieren können. Ich denke ab 2022 werden wir schon gut kostendeckend arbeiten können.

Mayda Blumenfarm Als Teil der Slowflower-Bewegung achtet die Maya-Blumenfarm bis zur Verpackung auf Nachhaltigkeit  (Imke Reuben)

BUND: Du warst eine der Gründer*innen der Slowflower-Bewegung. Was genau hat es damit auf sich?

Wir haben im März 2019 mit einer Hand voll weiteren Mitstreiter*innen die Slowflower-Bewegung gegründet. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von Flowerfarmer*innen, Florist*innen und Blumengärtner*innen, die Schnittblumen aus der Region frei von Pestiziden und Giften anbauen und verkaufen. Inzwischen sind wir rund 120 Mitglieder aus ganz Deutschland – der pestizidfreie Blumenanbau boomt! Alle, die bei uns Mitglied werden, verzichten auf Pestizide, düngen nur mit organischem Material, setzen keine genmanipulierten Pflanzen ein und nutzen möglichst biologisch produziertes Saatgut. Wir verpacken unsere Blumen möglichst ohne Einmal-Plastik, verwenden keine Steckmasse und versuchen in Kreisläufen zu wirtschaften so gut es geht. Zentral ist uns neben Regionalität, Saisonalität und Nachhaltigkeit der Punkte der Transparenz. Wir möchten, dass die Verbraucher*innen genau wissen, wo ihre Blumen herkommen und wie sie angebaut wurden. Auf unserer Deutschlandkarte können Interessierte nachschauen, ob es nicht auch in ihrer Gegend eine Slowflower-Gärtnerei oder -Floristin gibt.

BUND: Euer Stück Land ist nun für fünf Jahre gepachtet – wisst ihr schon, was danach kommt?

Die Tendenz ist leider, dass hier nach den fünf Jahren Wohnungen gebaut werden, und über unser Grundstück führt dann wohl eine Straße. Aber wir denken da noch nicht drüber nach. Wir bauen nun erst einmal unsere Blumen an, geben unser Bestes und schauen dann, welche Türen sich in den nächsten Monaten und Jahren noch öffnen werden.  

BUND: Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute auf Ihrem Weg!

Die Interview-Fragen stellte Almut Gaude.

Die Mayda Blumenfarm ist auch auf Instagram.

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