Der kleine Horrorgarten: Weniger Tun – mehr Lassen!

Anja Klein weiß, wie man beim Gärtnern zu allen Jahreszeiten Lebensräume für Insekten und kleine Tiere erhält.

Anja Klein im Wickentunnel Anja Klein im Wickentunnel  (Andreas Lauermann)

Anja Klein lebt mit ihrer Familie in Köln. Sie ist leidenschaftliche Gärtnerin, Gartenbloggerin und Gartenbuch-Autorin. Gemeinsam mit ihrem Mann beackert sie inmitten einer großen Schrebergartenkolonie in Köln gleich zwei Kleingärten – ohne Pestizide und so naturnah und insektenfreundlich wie möglich. Ihre Oase nennen sie scherzhaft-liebevoll den "Kleinen Horror-Garten"

Anja ist nahezu täglich dort. Der Garten ist nur zehn Fahrradminuten von zuhause und ihrem Büro entfernt. Immer mit dabei ist ihre Katze, die im Fahrradkorb mitfährt. Als ich sie anrufe, macht sie gerade eine Garten-Arbeitspause und hat "den Löffel hingelegt": Es gab eine leckere Minestrone, bei der alle Zutaten bis auf Salz und Nudeln aus dem eigenen, biologischen Anbau stammen: Zucchini, Paprika, Tomate, Mangold, Grünkohl und Borlotti-Bohnen. Dazu Lorbeer, Chillie, Petersilie und Liebstöckel. 

Der Garten vorher Der Garten vorher ...  (Andreas Lauermann)

BUND: Anja, wie und wann bist Du zum Gärtnern gekommen?

Gärten begleiten mich seit meiner Kindheit, als ich oft bei Tante Hack mit im Schrebergarten war. Dort durfte ich schon früh mitmachen, ernten, einkochen und was mit nachhause nehmen. Ich erinnere mich, wie wir wilden Feldsalat auf den Wiesen gestochen und Hagebutten gesammelt haben.

Wir waren bei jedem Wetter draußen unterwegs, immer passierte etwas Spannendes. Für mich stand schon früh fest, dass ich immer die Möglichkeit haben möchte, selbst etwas anzupflanzen, und seien es nur Tomaten auf dem Balkon.

Was schätzt Du besonders am Gärtnern?

Gärtnern gibt mir ein besonderes Gefühl der Zufriedenheit. Im Garten zu sein, Blumen und Gemüse anzubauen, darin liegt eine Ruhe und Kraft, das macht mich glücklich. Es hat auch viel mit Selbstwirksamkeit zu tun, wenn man weiß, wie man Gemüse anbauen und ernten kann. Auch die Schönheit von Blumen ist immer wieder faszinierend. 

Der Garten heute ... und heute.  (Andreas Lauermann)

Ihr habt im Mai 2011 euren ersten Garten im Kleingartenverein übernommen. Wie ging es dann weiter?

Zuallererst haben wir unseren Garten für Blicke geöffnet und die klassische Ligusterhecke entfernt. Dort wachsen jetzt niedrige Pflanzen wie Buschrosen und kriechende Katzenminze.

Vieles blüht üppig und lädt die Spaziergänger zum Verweilen ein. Die Rasenfläche haben wir ersetzt durch eine artenreiche Bepflanzung mit bienenfreundlichen Pflanzen, ein- und mehrjährigen Stauden, beispielsweise vielen verschiedenen Salbeiarten, Agastachen und Monarden (Duftnesseln). Pflanzen also, die Bienen und andere Insekten anlocken und ihnen viel Nahrung bieten. Alles ist aromatisch, blüht und duftet. Und aus fast allem, was dort wächst, kann man Tee machen!

Womit wir beim insektenfreundlichen Gärtnern sind. Was gehört denn insbesondere jetzt im Herbst und Winter dazu?

Das Tolle am insektenfreundlichen und naturnahen Gärtnern ist, dass man sich eine Menge Arbeit NICHT machen muss. Ich lasse zum Beispiel im Herbst alle meine abgeblühten Stauden stehen, die Samenstände bieten den Vögeln Futter und in den Stängeln überwintern viele Insekten.

Artischocken Die Artischockenstaude bleibt im Herbst/Winter stehen.  (Andreas Lauermann)

Die Kunst besteht also darin, erstmal faul zu sein? 

Genau. Das Meiste räume ich erst im Frühling weg, wenn das Wetter wieder schön wird. Wie im Haus mache ich den Frühjahrsputz im Frühjahr und nicht im Herbst. In unserem Garten haben wir auch extra "unordentliche" Ecken: auf einem großen Totholzhaufen landet alles, was aus größeren Rückschnittmaßnahmen im Garten anfällt.

Da leben dann Igel und eine Kröte drin – ein toller Rückzugsraum. Auch Laub bietet Insekten, Spinnen und anderen kleinen Tieren ein ideales Winterquartier. Nicht so viel Ordnung halten – das ist eigentlich ein ganz gutes Stichwort für einen insektenfreundlichen Garten.

Was passiert aber mit dem vielen Laub, das jetzt auch den Rasen bedeckt? Laubbläser kommen ja bei euch nicht zum Einsatz.

Das Laub rechen wir zusammen, der Rasen leidet sonst darunter. Aber: Laub ist ein zu wertvoller Nährstoff für den Garten, als dass man es aus dem Garten schaffen sollte. Wir zerkleinern es mit dem Rasenmäher und bringen es als Mulchschicht auf den Beeten aus.

Wenn man mal einen Regenwurm beobachtet, wie der sich ein Blatt wie ein Röhrchen in die Erde zieht, um es dort zu zersetzen, das ist einfach toll. Das sieht dann aus wie kleine Schornsteine, die aus der Erde gucken.

Mir tut es immer leid, wenn die Leute die riesigen Säcke zur Biomüllanlage bringen und stattdessen dann teuren Dünger kaufen. Es ist viel nachhaltiger, selbst Kompost zu produzieren und damit den Garten fruchtbar zu halten. 

Holzbiene Wildbienen fühlen sich in Anja Kleins Garten pudelwohl.  (Andreas Lauermann)

Herbst bedeutet ja auch Pflanzzeit. Was bringst Du jetzt noch in die Erde, damit es die Insekten im Frühjahr gut bei euch haben?

Frühblüher. Solange der Boden nicht gefroren ist, kann man die Zwiebeln und Knollen setzen. 300 Zwiebeln warten gerade bei mir noch darauf, gesetzt zu werden, unter anderem Schachbrettblumen und Narzissen als Ergänzung zu Krokussen und Hyazinthen für unsere Wildblumenwiese. So blüht die Wiese schon im zeitigen Frühjahr.

Insbesondere Hummelköniginnen sind sehr früh im Jahr, teilweise schon im Januar unterwegs und auf Nahrungssuche und damit auf Blühpflanzen angewiesen. Toll als Frühlingsboten und erste Nektarquellen sind auch Schneeglöckchen und Lenzrosen. 

Zu den Insekten in eurem Garten gehören neben den Honigbienen auch Wildbienen. Was hilft diesen so wichtigen Bestäubern im Garten? 

Mir war früher nicht bewusst, wie viele verschiedene Bienenarten es gibt und worauf die spezialisiert sind. Man kennt ja die Insektenhotels. Aber über 70 Prozent der Wildbienen nisten im Boden und nicht in Insektenhotels. Für sie ist es wichtig, dass man ein paar karge, unbearbeitete Bodenflächen freihält.

In einer kleinen Ecke in unserem Garten, wo der Boden ganz karg und sandig ist, konnten wir in diesem Sommer eine Wildbienenpopulation beobachten. Die Bienen gruben kleine Löcher in den Boden, legten Häufchen daneben und verschlossen die Bruthöhlen wieder. In kleinen Sandflächen oder leeren Wühlmauslöchern haben oft auch Hummeln ihren Bau.

Welche Futterpflanzen sollte man im Garten den Wildbienen bereitstellen?

Das ist sehr vielfältig. Die Zaunrübenbiene zum Beispiel braucht unbedingt die Zaunrübe, eine stark rankende Pflanze, die oft als Unkraut angesehen wird. Aber sie blüht hübsch und wir lassen sie in einigen Ecken im Garten wachsen. Dann gibt es eine Biene, die auf den Wiesenehrenpreis spezialisiert ist. Wir lassen den Ehrenpreis deshalb bei uns im Rasen wachsen und blühen. Die blaue Holzbiene liebt den Muskatellersalbei und Duftwicken.

Anja Klein als Imkerin Anja Klein als Imkerin  (Andreas Lauermann)

Du erntest nicht nur Dein eigenes Gemüse, Obst und Kräuter für Tee, sondern stellst auch eigenen Honig her? 

Ja, ich habe zwei Bienenvölker im Garten. Und ich ernte regelmäßig deutlich mehr Honig hier in der Stadt als ein Landimker, weil hier rund ums Jahr ein viel größeres Nahrungsangebot vorhanden ist.

Wir haben um uns herum die großen Bäume des Parks und natürlich die Schrebergärten, wo immer irgendetwas blüht. Bei den riesigen Monokulturen auf dem Land haben es die Bestäuberinsekten hingegen schwer. Wenn beispielsweise die Rapsblüte durch ist, sind Äcker eine Wüste für Insekten. 

Gärtnern bedeutet für Dich auch Austausch von Erfahrungen. Auf Deiner Webseite und auf Social Media teilst Du viele Tipps und Tricks zum naturnahen Gärtnern.

Ja, man lernt nie aus. Ich habe eine richtige Gärtnercommunity auf Instagram. Man trifft immer auf Leute, die einem was Neues beibringen können, man tauscht Samen aus und Rezepte.

Meine Mission ist es, den Leuten den Spaß am Gärtnern zu vermitteln, wie toll das ist, was man in seinem eigenen Garten umsetzen kann. Die Do-It-Yourself Tipps für meine Webseite entstehen immer nebenbei. Es macht einfach Spaß, sich Sachen auszudenken, die man weitergeben kann. Für mich gibt es keine Alternative zum biologischen Gärtnern! 

Danke Anja für dieses Plädoyer für das insektenfreundliche und naturnahe Gärtnern!

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Bildergalerie: Der Garten von Anja Klein

(zum Vergrößern Bild anklicken)

Mehr Informationen

  • Schauen Sie unbedingt rein in den Gartenblog von Anja Klein! Dort finden Sie auch ihre hilfreichen Do-it-Yourself-Tipps. Ihr gerade erschienenes Buch "Liebe Bienen – wir helfen euch! Das kunterbunte Familien-Bienenretter-Buch" gibt es hier.

Das Interview führte Nora Erdmann. Redaktion: Almut Gaude.

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