Wildbienen – Lebensräume, Nahrung, Feinde
So groß die Vielfalt unter den Wildbienenarten auch ist, eins haben sie gemeinsam: die Vorliebe für Blüten. Als Blütenbestäuber haben Sie einen riesigen Wert für den Menschen und die Natur. Wildbienen gehören innerhalb der großen Insektengruppe der Hautflügler zu den Stechimmen. Charakteristisch sind zwei Paar durchsichtige Flügel, eine Segmentierung in Kopf, Rumpf und Hinterleib mit Stachel. Man muss aber keine Angst vor ihnen haben. Bienen sind von sich aus nicht angriffslustig, und die kleinen Wildbienenarten können die menschliche Haut mit ihrem Stachel gar nicht durchdringen.
Der Lebenszyklus der Wildbienen
Vom Ei zur Larve zur Puppe zur Wildbiene
Das Wildbienen-Weibchen legt eine Brutzelle an, die sie mit Pollen und Nektar ausstattet. In diese Brutzelle legt sie ihre Eier ab. Wenige Tage nach der Eiablage schlüpfen kleine Larven. Diese machen sich etwa zwei bis vier Wochen lang über den eingelagerten Proviant her. Dabei häuten sie sich viermal. Wenn der Vorrat aufgezehrt ist, beginnen viele Wildbienenarten sich in einen schützenden Kokon einzuspinnen, den sie aus Sekreten einer speziellen Drüse herstellen. So eingesponnen fahren sie ihren Stoffwechsel drastisch nach unten und überdauern als Ruhelarven den Winter. Im Frühjahr, wenn es wieder wärmer wird, verpuppen sich die Larven. Nach zwei bis drei Wochen verwandeln sich Larven zum geflügelten Insekt und die jungen Wildbienen nagen sich ihren Weg aus den Nestern. Zwischen Eiablage und dem Schlupf der Wildbienen vergeht zu diesem Zeitpunkt etwa ein Jahr.
Das Leben einer Wildbiene ist kurz und bedroht
Die meisten Wildbienenarten haben eine Flugzeit von nur vier bis sechs Wochen, bevor sie sterben. Wildbienenweibchen können in dieser kurzen Flugzeit nur etwa zehn bis 30 Brutzellen anlegen. Wildbienen haben also eine relativ geringe Fortpflanzungsrate. Da die Larven zusätzlich durch Pilzbefall, Futter- und Raubparasiten bedroht sind, können sich lokale Populationen schon durch eine längere Schlechtwetterperiode oder ein verkleinertes Blüten- oder Nistplatzangebot stark reduzieren oder gar aussterben.
Verschiedene Lebenszyklen der Wildbienenarten
Der oben beschriebene "Musterzyklus" trifft nicht auf alle Wildbienenarten zu. Manche Arten überwintern als Puppe. Einige Arten, zum Beispiel die Keulhornbienen und die Holzbienen, überwintern unverpaart als voll entwickelte Insekten in geschützten Hohlräumen wie Pflanzenstängeln, Holz- oder Felsspalten. Ihre Nachkommen sind dann bereits im Sommer oder im Herbst aus ihren Brutzellen geschlüpft.
Lebensweise von Wildbienen
Ein großer Unterschied zwischen Wildbienen und den bekannten Honigbienen ist, dass die meisten Wildbienenarten keine Staaten bilden. Stattdessen bauen die Weibchen ihre Nester alleine und versorgen die Brutzellen ohne Hilfe von ihren Artgenossen. Sie sind Solitär- oder Einsiedlerbienen. An besonders gut geeigneten Standorten kann es aber bei einigen Arten zu einer Art Koloniebildung kommen, wenn zum Beispiel in einer sonnenbeschienenen Steilwand viele Weibchen ihre Nester nebeneinander bauen.
Es gibt auch Wildbienenarten, wie die stumpfzähnige Zottelbiene (Panurgas calcaratus), die eine Art Wohngemeinschaft gründet. Mehrere Weibchen benutzen dann einen bereits gegrabenen Haupteingang und legen erst unter Tage ihre eigenen Nistkammern an. Hummeln und einige Arten der Furchen- und Schmalbienen gehören zu den wenigen Wildbienen, die einjährige Staaten aufbauen und mit einer Königin und den Arbeiterinnen eine Arbeitsteilung organisieren.
Fast ein Viertel der in Deutschland vorkommenden Arten hat sich allerdings auf eine sehr spezielle Form der Arbeitsteilung spezialisiert: Die Kuckucksbienen warten, bis andere Wildbienenarten ihr Nest gebaut und die Brutzellen mit Proviant ausgestattet haben. Im richtigen Moment schmuggeln sie dann ihre eigenen Eier in die Brutzelle. Nach dem Schlupf der Kuckuckslarve vernichtet diese dann das Wirtsei oder tötet die Wirtslarve und verzehrt bis zur Verpuppung deren Pollen- und Nektarproviant.
Wenn die Wildbienen bei schlechtem Wetter und Dunkelheit ihre Aktivitäten einstellen, ziehen sich die Weibchen zum Ruhen und Schlafen meist in ihre Nester zurück. Die Männchen und die Kuckucksbienen, die keine Nester bauen, suchen sich geeignete Schlafplätze in Hohlräumen, beißen sich mit ihren Oberkiefern an Halmen oder Stängeln fest oder finden sich teilweise zu Schlafgemeinschaften in Blüten zusammen, wie denen der Glockenblume, des Storchenschnabels oder der Malve.
Paarungsverhalten der Wildbienen
Der Kontakt zwischen Weibchen und Männchen beschränkt sich bei den Wildbienen auf die Paarung. Die meisten Männchen schlüpfen etwas früher aus dem Nest als die Weibchen und patrouillieren dann vor den Nestausgängen. Sie warten auf den Schlupf der Weibchen, um diese möglichst früh zu begatten. Doch für viele Arten sind die von Weibchen besuchten Blüten der lohnenswertere Ort für ein Rendezvous. Einen Großteil ihrer kurzen Flugzeit verbringen die Männchen mit der Suche nach paarungswilligen Weibchen an geeigneten Blütenständen, wobei manche Arten ein Blütenrevier sogar aggressiv gegen Konkurrenten verteidigen.
Wildbienen-Nester: kreativ & individuell
Der Nestbau ist bei den Wildbienen Aufgabe der Weibchen. Ist der richtige Brutplatz gefunden und die Brutzelle gebaut, legt das Wildbienenweibchen meist ein Ei in die Brutzelle. Vorher hat das fleißige Bienchen ausreichend Proviant für die Entwicklung der Brut eingelagert. Danach verschließt die Wildbiene die Zelle und beginnt mit dem Bau der nächsten.
Ein Großteil der in Deutschland vorkommenden Wildbienenarten baut seine Nester in selbst gegrabenen Gängen im Erdboden. Aber auch vorhandene Hohlräume in Totholz, hohle Pflanzenstängel oder Fels- und Mauerspalten werden von verschiedenen Arten zum Nestbau genutzt. Die Zweifarbige Schneckenhaus-Mauerbiene (Osmia bicolor) nistet gar in leeren Schneckenhäusern. Einige Arten wie die gehörnte Mauerbiene bauen ihre Nester oberirdisch in Mauerritzen oder Wildbienennisthilfen.
Die Brutzellen sind das Herzstück der Wildbienennester. Je nach Art verwenden die Wildbienen ganz unterschiedliche Baumaterialien: Erde, Laub- oder Blütenblattstücke, Pflanzenwolle, Harz, zerkautes Blattmaterial, Mark- oder Holzpartikel. Die Mohn-Mauerbiene (Osmia papaveris) trennt kleine Stückchen aus den Blütenblättern der Mohnblume heraus und tapeziert damit die Wände ihrer unterirdisch angelegten Brutzellen. So schützt sie ihre Nachkommen und deren Proviant vor dem Austrocknen. Die Garten-Wollbiene (Anthidium manicatum) hingegen baut ihre Brutzellen aus mühsam abgeschabten Pflanzenhaaren von Ziest, Silberraute, Lichtnelke oder Quitten. Viele Wildbienenarten imprägnieren ihre Brutzellen mit wasserabstoßenden Drüsensekreten, um sie vor eindringender Feuchtigkeit und gefährlichem Pilzbefall zu schützen.
Lebensräume: wählerische Wildbienen
Die allermeisten Wildbienen sind echte "Schönwetter-Insekten": Sie lieben es warm und trocken und sind nur bei entsprechend hohen Temperaturen unterwegs. Die meisten Arten schränken bei Regen und wechselhaftem Wetter ihre Aktivitäten stark ein. Eine Ausnahme bilden die Hummeln: Sie fliegen bis zu Temperaturen von null Grad, denn sie können durch Muskelbewegung Wärme erzeugen und speichern. Deswegen können Hummeln schon früh und bis in den späten Herbst hinein fliegen. Wildbienen brauchen ausreichend blühende Pflanzen als Nahrung, Nistmöglichkeiten und Material für den Nestbau. Geeignete Lebensräume sind je nach Art zum Beispiel naturnahe Gärten, blütenreiche Wegränder, breite Wald- und Heckensäume, Acker- und Wiesenbrachen, Flussauen, Kies- und Lehmgruben, Streuobstwiesen oder Felshalden. Die verschiedenen Wildbienenarten stellen dabei wegen ihrer unterschiedlichen Nistweisen und Blütenvorlieben unterschiedliche Ansprüche an ihren Lebensraum.
Lange Wege zwischen Wildbienen-Nest und Nahrung
Oft finden Wildbienen ihre Nistmöglichkeiten nicht in unmittelbarer Nähe von geeigneten Nahrungspflanzen und müssen so mühsam den Pollenproviant für ihre Brut aus der Umgebung zusammensuchen. Bei Sammelflügen legen die Weibchen Distanzen zwischen 300 und 1.500 Metern zurück. Dafür ist der sprichwörtliche "Bienenfleiß" von Nöten, denn der Blütenbedarf ist enorm: Die Weibchen mancher Wildbienenarten müssen teilweise über 100 Blüten für die Versorgung eines einzigen Nachkommens besuchen. Um Wildbienen ausreichend Lebensraum zu geben, müssen verschiedenste Lebensraumtypen erhalten werden. Besonders gefährdet sind trockene und halbtrockene Biotoptypen, die in den letzten Jahrzehnten der industriellen Landwirtschaft und dem hohen Flächenverbrauch zum Opfer gefallen sind und fallen. Auch Hecken und bunte Feldränder werden immer seltener. In der Stadt können alte Friedhöfe, Kleingärten und Brachen ein Wildbienen-Paradies sein.
Wildbienen-Nahrung: Blüten, Blüten und noch mal Blüten
Alle Wildbienen sind bei ihrer Ernährung auf Blüten angewiesen – und das sowohl als Larve als auch als erwachsene Biene. Die Wildbienenlarven ernähren sich von Pollen und Nektar, der von den Weibchen in den Brutzellen angelegte wurde. Pollen sind eine reichhaltige Eiweißquelle für die Larven. Als vollentwickeltes Insekt decken Wildbienen ihren Energiebedarf hauptsächlich mit Blütennektar, fressen aber auch Blütenpollen.
Spezialisierung auf wenige Pflanzen
Manche Wildbienen sind "polylektisch": Das heißt, sie sammeln an ganz unterschiedlichen Pflanzen Pollen und Nektar ein. Andere Wildbienenarten sammeln dagegen nur Pollen einer Pflanzenfamilie oder Pflanzengattung. Das nennt man "oligolektisch". Die Spezialisten haben es heute besonders schwer. Die Agrarindustrie zerstört Futterangebot und Lebensraum viele Wildbienenarten, da sie zu artenarmen und naturfernen Landschaften führt. Etwa die Hälfte der heimischen Wildbienenarten steht deswegen auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Doch jede*r kann einen Beitrag dazu leisten, dass Wildbienen genug Nahrung finden: Den eigenen Garten bienenfreundlich gestalten und Pflanzen für Wildbienen wählen.
Natürliche Feinde der Wildbienen
Fressfeinde und Räuber
Einige Fressfeinde oder Räuber erbeuten die Wildbienen als Vollinsekt. Dazu gehören Spinnen wie die Krabbenspinnen (Thomisidae), die ihrer Beute auf den Blüten auflauern, oder einige Grabwespen (Sphecidae), die erbeutete Wildbienen durch einen Stich lähmen und als Nahrung für ihre Larven nutzen. Einige Raubfliegenarten (Asilidae) und Raubwanzenarten (Reduviidae) jagen Wildbienen, um dann die Körper ihrer Opfer auszusaugen. Dickkopffliegen legen ihre Eier während des Fluges in den Hinterleib von Wildbienen, wo die Larven die Wirtsbiene dann bei lebendigem Leibe auffressen. Auch eine bekannte Vogelart schuldet ihren Namen der Tatsache, dass Wildbienen bei ihr auf der Speisekarte stehen: der Bienenfresser. Auch andere Insektenfressende Vögel wie Spechte, Schwalben, Mauersegler oder der Neuntöter verschmähen Wildbienen als Nahrungsbestandteil nicht. Und alle Singvögel, auch wenn sie Körner und Samen bevorzugen, ernähren ihre Brut mit Insekten, darunter auch Wildbienen.
Bienen-Parasiten und Kuckucksbienen
Neben diesen Räubern gibt es aber noch andere Arten, die Nutznießer der Wildbienenbrut sind. So befallen einige Buntkäfer- und Wollschweberarten und viele Wespenarten direkt die Larven der Wildbienen. Auch auf das Futter haben es einige Tiere abgesehen: Diese Futterparasiten ernähren sich von dem zusammengetragenen Pollen in den Brutzellen, allen voran die Kuckucksbienen. Diese Gruppe der Wildbienen hat sich darauf spezialisiert, ihre Eier in die Brutzellen bereits errichteter Nester anderer Wildbienenarten zu legen. So umgehen sie den Aufwand des Pollensammelns und des Nestbaus. Die meisten Kuckucksbienenarten sind auf eine oder wenige Wirtsarten spezialisiert, so dass sie auf deren Existenz angewiesen sind. Stirbt eine Wirtsbienenart aus, besiegelt dies das Schicksal für die jeweilige "Schmarotzerart". Auch Wildbienenweibchen derselben Art brechen manchmal Brutzellen ihrer eigenen Artgenossen auf, um vorhandenen Eier gegen ihre eigenen zu tauschen. Aus diesem Verhalten haben sich wahrscheinlich im Laufe der Evolution die Kuckucksbienen entwickelt.
Pilze und Bakterien
Für die Wildbienenbrut, die sich über einen langen Zeitraum in den geschlossenen Brutzellen entwickelt, kann der Befall des Nestes mit Schimmelpilzen oder Bakterien vernichtend sein. Um dagegen vorzubeugen, sind viele Wildbienenarten extrem wählerisch bei der Nistplatzwahl. Sie bevorzugen zum Beispiel trockene und warme Standorte. Viele Arten "imprägnieren" ihre Brutzellen auch mit körpereigenen Sekreten oder kleiden sie mit Pflanzenharz aus, um einen Pilz- oder Bakterienbefall zu verhindern.
Fragen und Antworten rund um Wildbienen
Wann schlüpfen Wildbienen?
Wenige Tage nach der Eiablage im (Früh-) Sommer schlüpfen die Wildbienen-Larven.
Wie lange leben Wildbienen?
Die meisten Wildbienenarten haben eine Flugzeit von nur vier bis sechs Wochen, bevor sie sterben.
Wie und wo nisten Wildbienen?
Rund drei Viertel der in Deutschland vorkommenden Wildbienenarten baut seine Nester in gegrabenen Gängen im Erdboden. Aber auch vorhandene Hohlräume in Totholz, hohle Pflanzenstängel oder Fels- und Mauerspalten werden von verschiedenen Arten zum Nestbau genutzt. Mit selbst gebauten Nisthilfen können Sie Wildbienen unterstützen.
Wie überwintern Wildbienen?
Manche Arten überwintern als Puppe. Einige Arten, zum Beispiel die Keulhornbienen und die Holzbienen, überwintern als voll entwickelte Insekten in geschützten Hohlräumen wie Pflanzenstängeln, Holz- oder Felsspalten.
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