Das Salz-Schlickgras ist ein auffälliges Gras mit einer Wuchshöhe von oft über einem Meter, scharfkantigen Blättern und hoch hinausragenden Blütenständen. Durch ein ausgeprägtes Luftleitgewebe zur Sauerstoffversorgung der Wurzeln und Drüsen zur Salzausscheidung, ist es sowohl an langzeitige Überflutungen als auch an hohe Salzkonzentration im Boden angepasst.
Die Entstehungsgeschichte des Salz-Schlickgrases liest sich abenteuerlich und stellt ein Musterbeispiel für die schnelle, jüngere Evolution der Arten dar. Ihren Ursprung hat die Art an der Kanalküste Englands, wo durch natürliche Kreuzung zweier anderer Schlickgras-Arten – Spartina maritima und Spartina alterniflora – zunächst der 1881 erstmals beschriebene unfruchtbare Hybrid Spartina x townsendii entstand.
Während die Elternart Spartina maritima an der englischen Küste heimisch ist, wurde Spartina alterniflora um 1800 mit Ballastwasser von Schiffen aus Nordamerika eingeschleppt. Durch Verdopplung des Chromosomensatzes entstand relativ kurze Zeit später aus dem unfruchtbaren Hybrid Spartina x townsendii der fruchtbare Hybrid Spartina anglica, das Salz-Schlickgras, welches 1892 erstmals beschrieben wurde.
Nutzen und Folgen der Schlickgras-Expansion
Die neu entstandene Art breitete sich rapide an der englischen Küste aus und erwies sich als effektiver Sedimentfänger, der eine starke Auflandung von bewachsenen Flächen bewirkte. Das Salz-Schlickgras wurde deshalb bald für Küstenschutzzwecke in alle Welt exportiert. Im Wattenmeer wurde es erstmals in den 1920er Jahren gezielt angepflanzt, zunächst in den Niederlanden, weniger Jahre später auch entlang der deutschen und dänischen Küste.
Der wirtschaftliche Nutzen dieser Maßnahme und der darauffolgenden schnellen Expansion der Art im Wattenmeer wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Zum einen wird argumentiert, dass es häufig zu partiellen Auskolkungen neben Schlickgras-Beständen kommt. Zum anderen trägt das Salz-Schlickgras stark zum stetigen Anwachsen der Wattenmeer-Salzwiesen bei und erhöht somit sämtliche ökonomisch relevanten Leistungen dieser Ökosysteme, inklusive Küstenschutz durch Wellendämpfung und CO2-Speicherung.
Auch die ökologischen Konsequenzen der Schlickgras-Expansion im Wattenmeer sind nicht einfach zu bewerten. Einerseits ist Spartina anglica in Deutschland die bestimmende Art des FFH-Lebensraumtyps der Schlickgrasbestände und somit die Schlüsselart eines "natürlichen Lebensraums von gemeinschaftlichem Interesse". Andererseits befindet sie sich auf der Liste der 100 weltweit problematischsten invasiven Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN).
So kann die Schlickgras-Invasion in Watt- und Seegrasflächen zu einer starken Veränderung und Verdrängung der dort vorkommenden benthischen Flora und Fauna führen, was sich auch negativ auf das Nahrungsangebot einiger Watvögel auswirkt. Gleichzeitig bildet das produktive Gras die Grundlage vieler anderer Nahrungsnetze. So sind die nährstoffreichen Überwinterungsorgane eine wichtige Nahrungsquelle für Zugvögel.
Salz-Schlickgras schafft natürliche Salzwiesen
Durch das effiziente Einfangen von Sedimenten weisen Schlickgrasflächen oft ein besonders schnelles Höhenwachstum auf. Dies begünstigt eine sukzessive Besiedlung weiterer Salzwiesenpflanzen oft innerhalb nur weniger Jahre. Zunächst sind dies die Arten der unteren Salzwiese wie Strandaster und Andel, später die Arten der oberen Salzwiese wie Rotschwingel und Strandquecke.
Im Gegensatz zu den etablierten Salzwiesen der Festlandküste mit einer regelmäßigen Struktur von künstlich angelegten Entwässerungsgräben bilden die neu gewachsenen Schlickgras-Flächen zumeist ein natürlich mäandrierendes Prielsystem. Die Etablierung des Salz-Schlickgrases initiiert somit die natürliche Entwicklung von strukturreichen und dynamischen Salzwiesen-Ökosystemen in einer ansonsten stark anthropogen überprägten Salzwiesen-Landschaft.
Der BUND setzt sich mit seinen ehrenamtlichen Gruppen aktiv für den Schutz von Salzwiesen und natürliche Überflutungsräumen ein. Und damit für einen dynamischen Naturschutz in Zeiten des Meerespiegelanstiegs.