Fehlplanungen und Versäumnisse prägen die Verkehrspolitik des Bundes der vergangenen Jahrzehnte. Unzählige Projekte zum Aus- und Neubau von Straßen
- führen nicht zu mehr Mobilität, sondern nur zu mehr Verkehr,
- durchschneiden Landschaften, zerstören Ökosysteme und schaden der Biodiversität,
- verhindern, dass genug Geld in den Erhalt der bestehenden Infrastruktur und die Finanzierung von Projekten des öffentlichen Verkehrs fließt,
- schaden Umwelt- und Klimazielen und verbauen die Lebenschancen zukünftiger Generationen und
- resultieren in der Überforderung der Planungs- und Genehmigungsbehörden, was zu langen Umsetzungszeiten führt.
Der Bundesverkehrswegeplan 2030
Der Plan der Pläne
Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 ist das wichtigste verkehrspolitische Instrument des Bundes für die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur. Der Plan wurde federführend vom Verkehrsministerium erarbeitet, 2016 fertiggestellt und beinhaltet Listen von Straßen, Schienenwegen und Bundeswasserstraßen, die zukünftig gebaut werden sollen. Laut den Plänen des BVWP 2030 sollen über 850 Kilometer Autobahn und etwa 3000 Kilometer Bundesstraßen bis 2030 neugebaut sowie über 2000 Kilometer bestehender Straßen ausgebaut, sprich verbreitert werden. Die aus Sicht nachhaltiger Mobilität dringend notwendige Verlagerung von Personen- und Güterverkehr auf die Schiene wird nicht gefördert.
Fehlplanung mit Folgen
Die Planung basiert auf längst überholten Annahmen und richtet sich stärker nach Wünschen von Länder, Landrät*innen, Bürgermeister*innen und Bundestagsabgeordneten als nach Planungszielen. Alternativen für die Projekte und die Ausrichtung des gesamten Plans wurden nicht geprüft.
Der Bundesverkehrswegeplan 2030 erzeugt mehr Verkehr. Denn wenn Autofahren schneller und attraktiver wird, werden die Straßen häufiger genutzt. So sind mit dem gleichen Zeitaufwand längere Wege möglich und problemloser machbar. Das Phänomen nennt sich induzierter Verkehr. Zudem verschärft die Umsetzung des Plans die Biodiversitätskrise. Im eigens erstellten Umweltbericht wird bestätigt, dass der Bundesverkehrswegeplan elf von zwölf seiner selbstgesetzten Umweltziele verfehlt. Das kritisierte das Umweltbundesamt bereits 2016.
Sieben zentrale Fehler der bisherigen Bundesverkehrswegeplanung
Seit über 30 Jahren wurden zahllose Gesetze zur Planungsbeschleunigung verabschiedet. Sie führten jedoch nicht zur angestrebten Beschleunigung, weil sie am falschen Hebel ansetzten. Mit der empirisch nicht belegten Annahme, die Genehmigungsverfahren und die Gerichtsklagen der Umweltverbände seien maßgeblich verantwortlich für die Verzögerung, wurden Beteiligungsrechte und Rechtsschutzmöglichkeiten abgebaut. Diese Eingriffe führten jedoch nicht zur gewünschten Beschleunigung, sondern zu einer mangelnden Akzeptanz, die Verfahren sogar verlangsamen kann. Insgesamt wurden nur wenige Maßnahmen mit hohem Beschleunigungspotenzial eingeführt.
Das neueste Beispiel für einen Beschleunigungsversuch ist der „Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich“ der Bundesregierung. Demnach soll bis zu 145 Fernstraßenprojekten ungeachtet ihrer Wirkungen auf Natur und Klima ein „überragendes öffentliches Interesse“ attestiert werden. Dies soll dazu führen, dass Umweltbelange im Genehmigungsverfahren als nachrangig gegenüber dem Verkehrsinteresse betrachtet werden können. Der Gesetzesentwurf lässt jedoch außer Acht, dass dies zu einer noch höheren Rechtsunsicherheit führen und die Projekte sogar verlangsamen kann. Andere Probleme, die zu langen Verfahrenszeiten führen, wurden hingegen nicht konsequent angegangen. Viel Zeit geht in den Verfahren verloren, weil zu viele Projekte parallel geplant werden, weder klar priorisiert noch ausfinanziert sind, zu geringe Planungs-, Verwaltungs- und Gerichtskapazitäten vorhanden sind oder die Qualität der Antragsunterlagen mangelhaft ist.
Das NÖFS-Rechtsgutachten von Dr. Franziska Heß und Dr. Eric Weiser-Saulin arbeitet die Defizite der bisherigen Naturschutzverfahren im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung detailliert auf und zeigt, dass erhebliche Beschleunigungspotenziale in einer vollen Integration des Umweltschutzes in die Planung bestehen.
Zwar enthält der BVWP 2030 eine Auflistung an verbal beschrieben und durchaus nachvollziehbaren Zielen. Es fehlt jedoch weitgehend an konkreten Zielwerten (z.B. Klimaschutzbeitrag, gewünschter Erhaltungszustand der Infrastruktur oder Mindestanforderungen zur Erreichbarkeit von Regionen), an denen sich der Plan und seine Umsetzung messen lassen können. Die Ziele sind für die Planung zudem nicht verbindlich und geben keine ausreichende Orientierung Ohne definierte Ziele ist keine Strategie denkbar. So kritisierte der Wissenschaftliche Beirat des Bundesverkehrsministeriums schon 2009, dass es der Bundesverkehrswegeplanung an einer klaren Strategie fehlt. Die Bundesstraßen- und Autobahnprojekte resultieren aus Wunschlisten der Bundesländer und nicht aus politisch abgestimmten Leitzielen für die ganzheitliche Entwicklung des bundesweiten Verkehrssystems. Auch orientiert sich die Planung nicht systematisch an den Korridoren der transeuropäischen Verkehrsnetze der EU.
Das zeigt sich auch an den tatsächlichen Prioritäten bei der Verteilung der Mittel. Zwar wurden die Schieneninvestitionen im Vergleich zum Vorgängerplan stärker an die Straßeninvestitionen angeglichen und auch mehr Mittel für den Erhalt der Infrastruktur bereitgestellt. Jedoch leidet die Schieneninfrastruktur noch immer unter jahrzehntelang unterlassenen Investitionen und Sparmaßnahmen (z. B. Ausbau von Weichen und Überholgleisen). In naher Zukunft kommen außerdem hohe Kosten für den Aufbau der Ladeinfrastruktur und die Digitalisierung der Verkehrswege hinzu, welche strategisch mitgeplant werden sollten.
Verkehrsprognosen in der Bundesverkehrswegeplanung sollen ermitteln, für welche Verkehre in Zukunft Straßen, Schienen und Wasserstraßen benötigt werden. Zu jedem BVWP und den regelmäßig stattfindenden Bedarfsplanüberprüfungen wurden bisher neue Prognosen erstellt (alle 5-10 Jahre). Regelmäßig kommen die Verkehrsprognosen des Bundesverkehrsministeriums zu dem Ergebnis, dass der Verkehr auch in Zukunft wächst. Das Bundesverkehrsministerium (BMDV) rechtfertigt mit diesem Ergebnis den Bau neuer Fernstraßen und Fahrspuren. Das Problem ist: Das Ministerium beauftragt trendorientierte Prognosen. Die dortigen Annahmen („Prämissen“) zu zukünftigen Entwicklungen beeinflussen die Ergebnisse maßgeblich und basieren auf einer Fortführung einer nicht nachhaltigen Verkehrspolitik. So wurde in den zurückliegenden und auch in den aktuellen Prognosen angenommen, dass sich Politik und Trends der Vergangenheit wie die Bevorzugung des Autoverkehrs fortsetzen (z. B. durch die Beibehaltung der Pendlerpauschale, Ausbleiben eines Tempolimits) und das Straßennetz weiter ausgebaut wird. Die gesetzlichen Klimavorgaben, wie auch Ziele zur Verdoppelung der Fahrgastzahl im Schienenverkehr und eine Erhöhung des Anteils des Schienengüterverkehrs, spielen in den Prognosen dagegen keine Rolle. Maßnahmen, die zur Erreichung der Ziele führen, werden entgegen den Prinzipen einer zielorientierten Verkehrsplanung nicht integriert. Doch Bundesverkehrsminister Wissing behandelt das Ergebnis der Prognose als wäre es ein Naturgesetz und fordert weiteren Straßenaus- und -neubau. Damit plant das Verkehrsministerium dem angekündigten Verkehrswachstum hinterher, welches durch induzierten Verkehr wiederum weiter angetrieben wird. Die Prognosen werden so zur selbsterfüllenden Prophezeiung.
Entscheidend für die Auswahl der Projekte des BVWP 2030 sind die Ergebnisse der „Nutzen-Kosten-Analyse“ (NKA). Das Verhältnis zwischen Nutzen und Kosten gibt den Ausschlag, ob der Bedarf für ein Projekt festgestellt wird und welcher Dringlichkeitskategorie es zugeordnet wird. Zur Ermittlung des Nutzens werden die Folgen der Projektumsetzung, wie zum Beispiel Zeit- und Betriebskosteneinsparungen, Änderungen der Verkehrssicherheit und der Treibhausgas-Emissionen, sowie Lärm- und Luftschadstoffbelastungen in fiktive Geldwerte umgerechnet. Sie werden dann den Planungs-, Bau- und Instandhaltungskosten eines Projekts gegenübergestellt. Übersteigt der Nutzen die Kosten, wurden Projekte im BVWP 2030 als Bedarf anerkannt. Über 1.000 Projekte wurden auf dieser Grundlage sogar in den Vordringlichen Bedarf eingestuft und sollen damit möglichst bis 2030 umgesetzt werden.
Bei näherer Betrachtung der Ergebnisse der Nutzen-Kosten-Analysen des BVWP 2030 zeigt sich, dass die Kriterien für Reisezeit- und Betriebskosteneinsparungen das Ergebnis der NKA maßgeblich bestimmen. Diese Faktoren machen knapp 90% der ermittelten Nutzen aus (siehe Abbildung 2). Das grundsätzliche Problem der NKA ist dabei, dass sie verschiedene Kriterien miteinander verrechnet. So können beispielsweise nicht rückgängig zu machende Klimaschäden mit potentiell eingesparten Zeitkosten ausgeglichen werden. Darüber hinaus werden Reisezeitgewinne überschätzt, aber Nutzen aus Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und höherer Resilienz der Verkehrsnetze unterschätzt. Diese und weitere methodische Schwächen der NKA führt das NÖFS-Gutachten von Prof. Dr. Werner Rothengatter aus.
Aspekte des Naturschutzes wurden außerhalb der NKA in der umwelt- und naturschutzfachlichen Beurteilung für die einzelnen Projekte bewertet. Doch die Ergebnisse hatten keinen nachvollziehbaren Einfluss darauf, ob ein Projekt als Bedarf anerkannt wurde und wie diese Bewertungen die Einstufung in den Vordringlichen Bedarf beeinflussten. Gleiches gilt für die raumordnerischen und städtebaulichen Beurteilungen. Auch die Bewertung der Strategischen Umweltprüfung liefen ins Leere und hatten keinen sichtbaren Einfluss auf die Projektauswahl.
Letztendlich fehlt hiermit eine Auseinandersetzung mit den internationalen und deutschen Klimavorgaben gänzlich. Deswegen hält ein Rechtsgutachten von Dr. Franziska Heß im Auftrag des BUND den Fernstraßenbedarfsplan für verfassungswidrig und für die Legitimation einzelner Neu- und Ausbauvorhaben nicht anwendbar.
Deutschlands Straßennetz ist sehr gut ausgebaut. Über 99 Prozent der Menschen in Deutschland erreichen innerhalb von maximal 30 Pkw-Minuten das nächste sogenannte Mittel- oder Oberzentrum zur Versorgung der Bevölkerung mit notwendigen Dienstleistungen und Gütern. Auch das NÖFS-Gutachten von Prof. Dr.-Ing. Klaus J. Beckmann legt dar, dass es keine strukturellen Defizite der Anbindung und Erreichbarkeit von Teilräumen in Deutschland mehr gibt, sondern allenfalls noch graduelle Qualitätsunterschiede. Dennoch sollen weiterhin zahlreiche Autobahnen und Bundesstraßen (aus)gebaut werden. Der Straßenausbau wird als Lösung für die Staubeseitigung oder die Förderung wirtschaftlicher schwacher Regionen präsentiert.
In der Realität ist die Staubeseitigung durch die Wirkungen des induzierten Verkehrs nur von begrenzter Dauer und der Verkehr auf Autobahnen rollt an wirtschaftlich schwachen Regionen eher vorbei, als dass er Wirtschaftswachstum bringt. Zur Lösung dieser Probleme braucht es jeweils passende Strategien und politische Maßnahmen. Der BVWP betrachtet jedoch fast ausschließlich Infrastrukturmaßnahmen und ignoriert andere Instrumente. Durch die permanente Deckung das laut den Verkehrsprognosen wachsenden Straßenverkehrsbedarfs wird der Autoverkehr attraktiver, seine Nachfrage steigt (Stichwort: induzierter Verkehr) und der Öffentliche Verkehr wird in immer mehr Regionen unwirtschaftlicher. Ein wirksameres Mittel gegen Staus wäre es, den Verkehr intelligent zu lenken. Hierzu eignen sich differenzierte Straßennutzungsgebühren für Pkw und Lkw, die sich bspw. nach der wirklich gefahrenen Strecke und der Uhrzeit richtet. Diese ermöglichen eine bessere Steuerung der Nachfrage und führen dazu, dass die Straßenkapazitäten effizienter genutzt und Staus reduziert werden.
Der BVWP dient als Vorlage für fünf-jährige Investitionsrahmenpläne, welche wiederum in die jährlichen Haushalte übersetzt werden. Der Plan selbst ist nicht bindend und damit jährlich von der Haushaltsentscheidungen abhängig. Die Planung geht von einem potenziellen Investitionsbudget aus. Doch bei der Verabschiedung des BVWP 2030 im Jahre 2016 war klar, dass die eigentlich bis 2030 umzusetzenden, prioritär eingestuften Projekte damit bei weitem nicht finanziert werden können. Über die Hälfte des gesamten Investitionsbedarfs für Projekte des Vordringlichen Bedarfs ist demnach erst nach 2030 finanzierbar. Hinzu kommt, dass sich die geschätzten Kosten für die bis dahin geplanten Fernstraßenprojekte des BVWP 2030 bereits bis 2021 um 90% erhöht hatten. Durch die starke Baukostensteigerung seit 2022 ist von weitaus höheren Kosten auszugehen. Die Planung der vordringlichen Projekte geht aber auch ohne gesicherte Finanzierung und realistische Umsetzungsperspektive weiter, da sie im geltenden Bedarfsplan stehen. Das bindet unnötig Planungskapazitäten und überfordert Verwaltungen. Das BVWP-Verfahren erlaubt es nicht, die Realisierungsmöglichkeiten oder -wahrscheinlichkeiten von Projekten zu beurteilen, wie Prof. Dr. Werner Rothengatter in seinem NÖFS-Gutachten näher ausführt.
Eine gute Planung zeichnet sich dadurch aus, dass Alternativen für den gesamten Plan auf Netzebene, d.h. für die gesamten Straßen-, Schienen- und Wasserstraßennetzen und deren zusammenhängenden Wirkungen, und auch für die einzelne Vorhaben untersucht werden. Dazu müssen Betroffene und Interessenverbände gehört und angemessen beteiligt werden. Beides gelingt bei der Bundesverkehrswegeplanung bisher nicht. Die wenig transparenten Prozesse und unverständlichen Planungsdokumente erschweren eine konstruktive Beteiligung. Dies mindert die Qualität der Planung, schadet letztendlich der gesellschaftlichen Akzeptanz der Projekte und führt in späteren Planungsphasen zu Widerständen, Klagen und Verzögerungen.
Zudem lässt der BVWP 2030 eine Prüfung echter Planalternativen auf Netzebene mit angemessener Öffentlichkeitsbeteiligung vermissen. Deswegen hält ein Rechtsgutachten von Dr. Franziska Heß im Auftrag des BUND den Fernstraßen-Bedarfsplan sogar für europarechtswidrig, weil laut Richtlinie zur Strategischen Umweltprüfung vernünftige Alternativen geprüft und die Öffentlichkeit beteiligt werden muss. Alternativen für einzelne Projekte wurden ebenso nicht ausreichend geprüft und einbezogen. So reichten BUND-Gruppen bereits 2013 zur Projektanmeldung der Länder und 2016 bei der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Strategischen Umweltprüfung Projektalternativen ein. Sie fanden jedoch keine Berücksichtigung.
Auch nach Fertigstellung und bei der Umsetzung des Plans ist für die Bundesverkehrswegeplanung keine systematische Evaluation hinsichtlich ihrer Umsetzung, Wirkungen und Kosten vorgesehen. So werden beispielsweise die Umweltwirkungen im Verlauf der Umsetzung des BVWP 2030 bisher nicht untersucht. Weiterhin kritisiert der Bundesrechnungshof, dass die Kosten der Projekte nicht regelmäßig überprüft und die Nutzen-Kosten-Analyse trotz deutlich steigender Kosten nicht angepasst werden.
Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen
Der Plan, der sich am BVWP orientiert
Der Deutsche Bundestag hat am 2. Dezember 2016 das sechste Gesetz zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes verabschiedet. In der Anlage zu finden ist ein weiterer Plan, der gesetzlich festlegt, welche Verkehrsprojekte mit welcher Dringlichkeit geplant und aus dem Bundeshaushalt finanziert werden sollen: der Fernstraßen-Bedarfsplan, dem der BVWP als Grundlage dient.
Überprüfung des Fernstraßen-Bedarfsplans
Laut § 4 des Fernstraßenausbaugesetzes muss der Bundesverkehrsminister "nach Ablauf von jeweils fünf Jahren" prüfen, ob der Fernstraßen-Bedarfsplan vom 23.12.2016, der auf dem Bundesverkehrswegeplan 2030 basiert, "der Verkehrsentwicklung anzupassen ist". In die Prüfung sind die "berührten Belange, insbesondere die der Raumordnung, des Umweltschutzes und des Städtebaus einzubeziehen". Zuständig ist der Bundestag: "Die Anpassung geschieht durch Gesetz."
Bei bisherigen Bedarfsplanüberprüfungen stand die Anpassung an die Verkehrsentwicklung exklusiv im Fokus. Es wurde voll auf eine Fortschreibung bestehender Trends und damit auf weiteres Verkehrswachstum gesetzt. Dass Straßenbau selbst Straßenverkehr "induziert" und somit entscheidend zum Verkehrswachstum beiträgt, wurde nicht beachtet oder problematisiert.
Derzeit laufen erste Arbeiten zur Bedarfsplanüberprüfung an. Eine neue Verkehrsprognose 2040 wurde in Auftrag gegeben. Diese Basisprognose soll Ende 2023 vorliegen. Allerdings werden die Fehler der Vergangenheit wiederholt. So sind die Bewertungs- und Planungsmethoden des Bundesverkehrswegeplans 2030 nicht dafür geeignet, einen Plan zu erarbeiten, der gesellschaftliche Ziele wie Klimaschutz, Naturschutz und Mobilitätssicherung optimal vereint. Hingegen steht die Beschleunigung des Verkehrs (Stichwort: Reisezeitgewinne) im Zentrum. Das ist umso problematischer, da erhebliche rechtliche Zweifel an der Bindungswirkung der vom BVWP 2030 abgeleiteten Bedarfsplangesetze für Einzelprojekte bestehen. Das geht aus dem BUND-Rechtsgutachten: "Bundesverkehrswegeplan ist verfassungswidrig – neue Bundesregierung muss Fernstraßenbau sofort stoppen" hervor. Österreich hat bereits vorgemacht, wie Straßenbauprojekte auf ihre Klimaverträglichkeit und andere Umweltkriterien geprüft werden können.
Die Bedarfsplanüberprüfung muss unserer Ansicht daher dazu führen, dass die klima- und naturschädliche Projekte ein für alle Mal aus dem Fernstraßenbedarfsplan gestrichen werden. Nur so können ehrlich neue Prioritäten festgelegt werden: Erhalt statt Aus- und Neubau, Schiene statt Straße.
Für die Bedarfsplanüberprüfung empfehlen wir daher folgende Schritte:
- Infrastrukturdialog ernst nehmen: Das BMDV führt einen Infrastrukturdialog mit Verbänden durch. Die Ergebnisse sollten als verbindliche Vorgaben in die Bedarfsplanüberprüfung eingehen (lesen Sie hierzu unsere gemeinsam mit anderen Verbänden formulierten Forderungen).
- Trendprognose darf nicht Grundlage der Überprüfung sein: Nicht eine Trendprognose darf Grundlage der Bedarfsplanüberprüfung sein, sondern ein Gestaltungsszenario, dass sich an Klimazielen orientiert.
- Bewertung Klimawirkungen: Die Klimawirkungen der gesamten Bedarfspläne und der Einzelprojekte müssen umfassend bilanziert. Hierbei sind insbesondere die bisher vernachlässigten induzierten Verkehre und auch Klimagase aus beeinträchtigt Treibhausgas-Speichern (z. B. Mooren) zu berücksichtigen.
- Bewertung Naturkonflikte: Die Wirkungen des Fernstraßen-Bedarfsplans auf die Natur müssen anhand aktueller Naturschutz- und Biodiversitätsziele neu bewertet werden.
- Kostenüberprüfung: Die Kosten und Budgets für die Entwicklung der Verkehrsnetze sind zu überprüfen. Zuerst muss der Infrastrukturerhalt gesichert werden.
- Klima- und naturverträgliche Bedarfspläne: Auf Basis der Untersuchungen und Bewertungen müssen alternative Ausgestaltungen der Bedarfspläne entwickelt werden, die die Ziele des Klimaschutzes einhalten und budgetkonform realisierbar sind.
- Entscheidung Bundestag: Der Bundestag muss letztendlich über eine bevorzugte Alternative der Bedarfspläne (Für welche Projekte gibt es wirklich Bedarf in einem zukünftig klimaverträglichen Verkehrssystem?) entscheiden und die Bedarfspläne per Gesetz anpassen.
- Neues Programm zur Wiedervernetzung: Parallel zum Prozess der Bedarfsplanüberprüfung sollte ein neues Programm zur Wiedervernetzung vom Verkehr zerschnittener Naturräume entwickelt und beschlossen werden.
Bundesmobilitätsplan 2040
Neue Planung schnellstmöglich erarbeiten und den BVWP 2030 ablösen
Die Bedarfsplanüberprüfung mit Anpassung der Pläne kann nur ein erster Schritt sein. Denn die Probleme der Bundesverkehrswegeplanung sind tief in ihrer DNA verankert. Daher braucht es den Mut, den nicht mehr zeitgemäßen Planungsansatz zu überwinden. Botschaft: Der nächste Plan wird gerade erarbeitet, und der muss noch besser sein.
Pläne der Bundesregierung
Im Koalitionsvertrag heißt es: "Wir werden auf Basis neuer Kriterien einen neuen Bundesverkehrswege- und -mobilitätsplan 2040 auf den Weg bringen." Im Kern verfolgt ein Bundesmobilitätsplan es im Gegensatz zu bisherigen Bundesverkehrswegeplänen einen integrierten, umfassenden und zielgerichteten Planungsansatz. Dabei werden zum einen alle Verkehrsträger und -mittel (Fuß, Rad, ÖPNV, Güter- und Personenzüge, PKW, LKW, Schiffe etc.) gemeinsam betrachtet.
Zum anderen setzt ein Mobilitätsplan klare Ziele und Prioritäten. Er zeigt auf, wie die formulierten Ziele erreicht werden können. Hierbei kennt er mehr und wirksamere Instrumente als den reinen Ausbau der Infrastruktur, wie zum Beispiel die Verbesserung des Angebots im Öffentlichen Verkehr, Tempolimits oder eine Pkw- und Lkw-Maut. Das ermöglicht einerseits Mobilität in Zukunft klimaverträglich zu gestalten und andererseits immer drängender werdenden Problemen zu begegnen.
Beispielsweise brechen dem Statt Einnahmen durch die Kraftstoffsteuern weg, wenn immer mehr Elektrofahrzeuge genutzt werden. Entsprechend müssen Strategien entwickelt werden, die dennoch finanzierbar sind. Bisher ist allerdings noch völlig offen, wie sich die amtierende Regierung den "Bundesverkehrswege- und -mobilitätsplan 2040" vorstellt.
Planung neu denken
Um eine solche Planung umzusetzen, müssen jetzt die passenden Verfahren und Bewertungsmethoden entwickelt werden. Der BUND hat hierfür im Rahmen des Projekte „Neuausrichtung und Ökologisierung der Fernstraßenplanung in Deutschland“ mehrere Gutachten mit entsprechenden Lösungsvorschlägen beauftragt und eigene Vorschläge formuliert (diese finden Sie hier). Zentral sind aus unserer Sicht folgende Eckpunkte für den neuen Planungsansatz:
- Öffentlichkeit und Interessenträger wirksam einbeziehen:
- Klare Ziele für die Entwicklung des Verkehrssystems der Zukunft festlegen
- Mobilitätsstrategie als Kernstück des Plans entwickeln
- Bedarfspläne für Infrastrukturprojekte auf Grundlage der Mobilitätsstrategie erarbeiten
- Umsetzung der Projekte konsequent priorisieren
- Planungen kontinuierlich evaluieren und anpassen
- Synergien für Regionen und Städte schaffen
- Verwaltungs- und Finanzierungsstrukturen für eine effiziente und schnelle Planung etablieren
Ihre Spende für die Mobilitätswende
In einer Zeit, in der nur noch jeder fünfte Baum gesund ist und die Klimakrise unsere Existenz bedroht, müssen wir dringendst CO2 einsparen, statt noch mehr Verkehr zu produzieren. Darum arbeitet der BUND seit Jahren intensiv an einer Mobilitätswende. Und dafür brauchen wir Sie. Wir sind unabhängig, lassen uns nicht sponsern, unser Logo gibt es nicht gegen Geld. Darum sind private Spenden die Voraussetzung für unserer verkehrspolitisches Engagement. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!