Aquakultur – die richtige Antwort auf leere Meere?

Ist Aquakultur, also das gezielte Züchten von Meeresorganismen auf "Fischfarmen", das Heilmittel gegen die Überfischung? Der BUND ist skeptisch, denn Aquakultur birgt massive Risiken für die empfindlichen Ökosysteme an Küsten und Binnengewässern.

Lachsfarm in Chile; Foto: Wilfried Huismann Lachsfarm in Chile  (Wilfried Huismann)

Fast die Hälfte aller Fische, Krebse und Muscheln stammt heute aus einem Aquakulturbetrieb – weltweit insgesamt 82 Millionen Tonnen Tiere. Und die Aquakulturproduktion wächst weiter rasant, seit dem Jahr 2000 hat sie sich fast verdreifacht. Über 600 Tierarten werden in Aquakulturen gehalten, vom Lachs bis zur Seegurke. Muscheln, Schnecken und Algen werden nicht nur für den Verzehr gezüchtet, sondern dienen auch als Zusatzstoffe für Nahrungsmittel (Alginat) oder für Kosmetika und als Schmuck (Perlen).

In Zukunft will die EU die Aquakultur europaweit stärker fördern. So sollen die Meere vermeintlich vor der Überfischung bewahrt und der europäische Markt unabhängiger von Importen, hauptsächlich aus Asien, werden. Doch diese Strategie birgt massive Risiken für die empfindlichen Ökosysteme an Küsten und Binnengewässern.

Probleme in der Aquakultur

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Einleitung nährstoffreicher Abwässer

Nährstoffe aus Kot, Urin und Futterresten der Fische gelangen mit den Abwässern in die Flüsse bzw. ins Meer. Viele Aquakulturen halten Fische in Netzgehegen im Meer - dort gelangen die Abfälle durch die Netze direkt in die Umgebung. Von den eingetragenen zusätzlichen Nährstoffen profitieren vor allem Algen, die sich dann in Massen entwickeln. Nach der "Algenblüte" sterben die Algen ab und es kommt zu einer starken Sauerstoffzehrung beim bakteriellen Abbau des organischen Materials, was schlimmstenfalls zum Ersticken aller Tiere führen kann. Man nennt diese Überdüngung auch Eutrophierung.

Verluste von wertvollen Habitaten durch Fischfarmen

Da die gehaltenen Tiere sauberes Wasser benötigen, werden Aquakulturanlagen oft in Gebiete gebaut, die auch wertvolle und empfindliche Habitate für viele Tiere und Pflanzen sind. So wurden für die großen Shrimp-Farmen in Asien und Mittelamerika Mangrovenwälder gerodet.

Verbreitung von neuen Arten sowie Krankheiten und Parasiten

Oft brechen Tiere aus Zuchtbetrieben aus und gelangen in die freie Natur. Finden diese Arten dort gute Bedingungen vor, steht ihrer weiteren Ausbreitung nichts mehr im Wege. So können einheimischen Arten verdrängt oder gefressen werden, weil sie nicht an die neue Konkurrenz angepasst sind. Beispiele für solche invasiven Arten in unseren Gewässern vor der Haustür sind zum Beispiel die pazifische Auster, der Kamberkrebs und die Regenbogenforelle.

Mit den Zuchttieren werden häufig neue Krankheitserreger und Parasiten eingeschleppt, die sich dann massiv unter den einheimischen Tieren ausbreiten und ganze Populationen auslöschen können. Aber auch schon vorhandene Parasiten finden oft ideale Brutstätten in den Aquakulturanlagen, da die Tiere dort auf unnatürlich engem Raum gehalten werden Bei der Lachsaquakultur ist die “Lachslaus” ein großes Problem: Bis zu 100 Stück der kleinen Parasiten können sich in den Körper eines einzigen Lachses festbeißen. Da die Parasiten durch die offenen Netzgehege ganz leicht ins offene Meer gelangen werden häufig auch Wildlachse, die sich in den Küstengewässern nahe der Lachsfarmen aufhalten, befallen.

Chemikalien und Medikamentenrückstände

Aufgrund der Dichte der Tiere in den Käfigen kommen Krankheiten und Parasitenbefall häufig vor, die mit Medikamenten behandelt bzw. mit Chemikalien verhindert werden sollen. Reste und Abbauprodukte gelangen häufig mit dem Abwasser in die Umwelt und wirken dort weiter.

Fang von Jungtieren

Bei einigen Arten ist es bisher nicht gelungen oder zu kompliziert, die Jungtiere in Gefangenschaft aufzuziehen. Deswegen werden Jungtiere in der Wildnis eingefangen und anschließend in Aquakulturen so lange mästet, bis sie groß genug sind, um geschlachtet zu werden. Dies ist besonders bei Arten kritisch, deren Wildbestände gefährdet sind, wie beim europäischen Aal oder verschiedenen Thunfischarten.

Die Futterproblematik: Nicht alle Fische sind Vegetarier

Das Fischfutter für beliebte Speisefische wie Lachs oder Forelle besteht zu großen Teilen aus Fischmehl und -öl, denn diese Arten sind Räuber und ernähren sich von anderen Fischen. Das Problem: für Fischmehl- und öl werden Wildfische gefangen und weiterverarbeitet. Ganze Schwärme sogenannter "Industriefische" wie Heringe, Sprotten, Sardellen und Sandaale werden einzig zu diesem Zweck abgefischt. Diese kleinen Fischarten sind jedoch eine essentielle Futterquelle für andere Meerestiere und wichtig für das ökologische Gleichgewicht in den Meeren. Jeder 5. Fisch aus dem Meer wird heute zu Fischmehl- und öl verarbeitet, jedes Jahr fast 20 Millionen Tonnen. Rund 80 Prozent dieses Fischmehls- und öls wird für die Fütterung von Zuchtfischen verwendet.

Häufig findet der Fischfang zur Futtermittelproduktion in Regionen statt, in denen die lokale Küstenbevölkerung auf den Fisch als Nahrungsgrundlage direkt angewiesen ist. In Gambia zum Beispiel, wo die Menschen auf Fisch als Grundnahrungsmittel angewiesen sind, werden mehr als 40 Prozent aller gefangenen Fische zu Fischmehl verarbeitet, anstatt die lokale Bevölkerung damit zu ernähren.

Aufgrund der schrumpfenden Fischbestände in den Meeren wird immer mehr Fischmehl durch Pflanzenproteine, beispielsweise aus Soja oder Raps, ersetzt. Diese stammen oft aus Monokulturen, die durch den Einsatz von Pestiziden und häufig auch durch Gentechnik ebenfalls negative Auswirkungen auf die Umwelt haben. 

Nachhaltige Aquakultur ja – aber wie?

Aquaponik-System der US-amerikanischen Organisation Growing Power; Foto: ryan griffis / CC BY-SA 2.0 / wikimedia.org Aquaponik-System der US-amerikanischen Organisation Growing Power  (ryan griffis / CC BY-SA 2.0)

In Deutschland produzierten 2019 über 2.490 Betriebe insgesamt 38.000 Tonnen Fisch und Muscheln in Aquakulturen. Ein Großteil des Fischs stammt aus Teichwirtschaften und Durchflussanlagen an Flüssen im Binnenland. Hier werden meist Forellen und Karpfen gehalten. An den Küsten von Nord- und Ostsee sind Miesmuscheln das wichtigste Aquakulturprodukt.

Neue Techniken können sicherlich viele negative Folgen auf die Umwelt reduzieren. Aber auch wir Konsument*innen stehen in der Verantwortung: Wir müssen nicht nur grundsätzlich weniger Fisch essen, sondern auch unsere Vorliebe für Raubfische wie Lachs, Forelle und Zander aufgeben und auf pflanzen- oder allesfressende Fischarten wie Karpfen oder Wels umsteigen. Denn diese lassen sich ohne Fischmehl aus Wildfischen großziehen. Gerade Bio-Karpfen erfüllt die Kriterien, die für eine nachhaltige Aquakultur gelten sollten.

Siegel in der Aquakultur

Siegel mit strengen Umweltstandards und eine umfassende Deklaration auf den Verpackungen könnten uns dabei helfen die richtige Wahl zu treffen. Doch welches Siegel steht für was?

  • Das ASC-Siegel vom Aquaculture Stewardship Council soll für eine nachhaltige Aquakultur stehen. Dafür reicht es aus Sicht des BUND aufgrund seiner niedrigen Standards zurzeit nicht aus. So erlaubt das Siegel den Einsatz von Futter aus genmanipulierten Pflanzen und zu hohe Besatzdichten in den Fischbecken und -käfigen.
  • Das EU-Bio-Siegel lässt ebenfalls Fischmehl und -öl für die Zucht zu. Auch bei den zulässigen Besatzdichten und  beim Einsatz von Medikamenten sind die Regeln weniger streng als bei beispielsweise Bioland und Naturland.
  • Das Naturland- und das Bioland-Siegel garantieren hohe Umweltstandards. Auf Fischmehl und -öl aus Wildfischen wird verzichtet.

Der BUND fordert:

  • Kreisauflagen statt offene Systeme wie Netzgehege oder Durchflussanlagen;
  • ein Verbot der Fischerei auf "Industriefische" zur Fischfutterproduktion, stattdessen sollten Fischabfälle besser genutzt werden;
  • keine Aquakultur mit Arten, bei denen Jungtiere aus Wildbeständen gefangen werden müssen;
  • keine Gentechnik bei Tieren und Futtermitteln;
  • keine Aquakultur in Meeresschutzgebieten;
  • keine offenen Fisch-Aquakulturanlagen in der Nord- und Ostsee;
  • eine umfassende Kennzeichnung von Aquakulturprodukten (Art der Haltung, eingesetztes Futter).

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Nadja Ziebarth

Nadja Ziebarth

BUND-Meeresschutzbüro
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