Milch: Was der Milchmarkt braucht, ist eine flexible Milchmengenregulierung

"Butterberge" und "Milchseen" liegen schon lange hinter uns, die Milchquote ist Ende 2015 ausgelaufen. Dennoch erlebten Milchbäuerinnen und Milchbauern gerade die dritte Preiskrise innerhalb weniger Jahre.

Bauer und seine Kühe. Foto: Agence Producteurs Locaux Damien Kühn / CC0 1.0 / unsplash.com Etlichen Milchbäuerinnen und -bauern droht der Verlust ihrer Höfe.  (Agence Producteurs Locaux Damien Kühn / unsplash.com)

Etliche Bäuerinnen und Bauern stehen mit dem Rücken an der Wand. Seit 2000 hat sich die Zahl der Milchviehhalter*innen in Deutschland auf rund 70.000 halbiert. Daran konnte auch die 1984 eingeführte Milchquote nichts ändern. Ihr Ziel war es, Überproduktion (die sogenannten "Milchseen" und "Butterberge"), Preisverfall und Strukturwandel zu begrenzen. So bekam jeder EU-Mitgliedstaat eine feste Produktionsquote, die in Deutschland auf die einzelnen milcher­zeugen­den Betriebe verteilt wurde. Wer mehr produzierte, musste eine Abgabe zahlen. Trotz der Milchquote mussten viele landwirt­schaftliche Betriebe aufgeben.

Butterberge und Milchseen liegen schon lange hinter uns. Aber wer den Preisverfall auf dem Milchmarkt betrachtet, kommt nicht umhin, sich der Frage der Milchüberproduktion kritisch zu stellen.

Die Milchbäuerinnen und -bauern erlebten zuletzt drei Preiskrisen innerhalb weniger Jahre. Das Angebot war hoch, die Nachfrage geringer als erwartet. 2015 wuchs die globale Milchmenge um 1,3 Prozent. Dies hat zu einem dramatischen Milch-Überschuss geführt. Der Ausstieg aus der Milchquote Ende 2015 verschärfte diese Situation.

Preisdruck, Höfesterben und eine Tierhaltung in immer größeren Ställen

Das alles wirkt sich negativ auf Tier- und Umweltschutz aus. Der niedrige Erzeu­gerpreis trifft fast alle Betriebe. Der Strukturwandel – das Wegbrechen von Betrieben und bäuerlichen Existenzen – wird durch die schlechten Erzeugerpreise weiter beschleunigt. Besonders die kleinen Betriebe mit weniger als 50 Milchkühen können diesem Preisdruck nicht standhalten. Doch selbst die "großen Vorzeigebetriebe" kommen in Schwierigkeiten.

Exportausrichtung ist der falsche Weg

Milchkannen. Foto: Didgeman / CC0 1.0 / pixabay.com Die globale Milchmenge wächst, die Nachfrage ist jedoch niedriger als erwartet.  (Didgeman / pixabay.com)

Bauernverband und Bundesregierung scheint das wenig zu stören. Sie prophezeiten für die Zeit nach der ungeliebten Milchquote goldene Aussichten für die Milchviehbetriebe und predigten in erster Linie eine auf den Export orientierte Agrarpolitik. Der Ausstieg aus der Milchquote und der Einstieg in den scheinbar unendlichen Wachstumsmarkt wurden bejubelt. Die Krise war absehbar. Das Ergebnis: Die Milchmenge steigt, Milchviehbetriebe geben auf und die Erzeugerpreise sind im Keller.

Kaum ein Betrieb konnte 2015 und 2016 seine Kosten von 30 bis 60 Cent pro Liter decken. Bis zu 1.000 Euro Verlust pro Kuh kann das ausmachen. Doch die Agrarpolitik ändert sich nicht. Stattdessen wird weiterhin prognostiziert, dass längerfristig gute Zukunftsaussichten am Milchmarkt bestünden.

Die Preise richten sich nicht an den realen Kosten im Betrieb aus, sondern an den globalen Bedingungen des Weltmarktes. Extreme Schwankungen sind die Folge. Das Sicherheitsnetz im EU-Milchmarkt reicht nicht aus, um im Krisenfall den Milchmarkt zu stabilisieren. Sehr geringe Erzeuger­preise können weder vermieden noch schnell abgemildert werden.

Es gibt Alternativen für die Milcherzeuger

Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) hat frühzeitig seine Vorstellungen zur Regulierung der Milchmenge zur Diskussion gestellt. Dabei handelt sich nicht um eine "Milchquote 2.0" und auch nicht um absolut stabile Milchpreise, sondern um einen anderen, aus Sicht des BUND erfolgver­sprechen­den Ansatz.

Zentraler Baustein des "Milchmarkt-Krisenmanagement-Konzept" ist ein "Marktverantwortungsprogramm". Dieses beinhaltet ein dreistufiges Frühwarnsystem. Dabei handelt es sich um keine generelle Steuerung, wie es die uneffektive Milchquote war, sondern um ein optionales Maßnahmenbündel, eine Marktbeobachtung und Monitoringstelle.

Auf allen drei Stufen des Frühwarnsystems gibt es unterschiedliche Formen der Milchmengenregulierung, etwa durch die private Lagerhaltung oder reduzierte Milchproduktion bis zur staatlichen Intervention. Damit möchte der BDM im Krisenfall die Milcherzeugerpreise wieder in den Griff bekommen.

Der BUND fordert

Aus Sicht des BUND brauchen die Bäuerinnen und Bauern dringend eine Steuerung am Milchmarkt, die sich an den realen, regionalen Bedarfen und nicht an den Exportstrategien der Großmolkereien ausrichtet. Der Selbstversorgungsgrad Deutschlands beträgt bei Milch und Käse ca. 120 Prozent. Während die Konzerne ihren Weltmarktanteil ausbauen, müssen Landwirt*innen draufzahlen. Höfe werden in den Ruin getrieben, Existenzen zerstört.

Was der Milchmarkt braucht, ist eine flexible Milchmengenregulierung. Schnellstmöglich muss sich auf ein flexibles System zur Steuerung der Milchmenge geeinigt werden. Dieses sollte sich am realen Bedarf der EU und nicht an den Wachstums- und Exportfantasien der Ernährungsindustrie orientieren. Das Schlagen der Werbetrommel für Agrarexporte muss endlich beendet werden.

Tierwohl nicht gefährden

Auch das Wohl der Tiere droht durch diese Agrarpolitik unter die Räder zu kommen. Die vollständige Industrialisierung der Milchviehhaltung wäre die Konsequenz, wenn der ruinöse Preiskampf weitergeht. Der Leistungsdruck auf Mensch und Tier nimmt weiter zu. Ein Großteil der Tiere wird bereits auf Hochleistung gezüchtet und anstatt mit regionalen Futtermitteln wie Gras oder Heu mit Mais und importierter Soja – oftmals Gentech-Soja – gefüttert.

Klare Kennzeichnung

Um die Bauernhöfe zu unterstützen, die durch ihre Weidehaltung wertvolle und artenreiche Kultur­land­schaften erhalten, fordert der BUND eine klare und deutliche Kennzeichnung der Milch­produkte. Es kann nicht sein, dass eine weidende Kuh auf einer Milchpackung abgebildet wird, wenn das Tier niemals auf einer Weide stand. Das ist Verbrauchertäuschung!

Eine solche Kennzeichnung würde erheblich zur Stärkung der bäuerlichen und ökologischen Tierhaltung in Deutschland beitragen. Darüber hinaus muss erkenntlich sein, wenn Gentech-Futter im Trog war. Das könnte dazu beitragen, wieder vermehrt auf regionale Futtermittel zu setzen oder gentechnikfrei gekennzeichnete Sojaimporte zu verfüttern.

Neben der Kennzeichnung ist der Handel in der Pflicht, seinen Beitrag zu fairen Erzeugerpreisen zu leisten. Selbst ohne die Einführung des oben beschriebenen Mengenregulierungssystems hätten Aldi und Co. es in der Hand, zusammen mit den Großmolkereien für faire Preise zu sorgen.

Darüber hinaus sollte der Gesetzgeber dafür sorgen, dass die durchschnittlichen Erzeugerkosten als nicht zu unterschreitender Mindestpreis festgelegt werden. Dabei geht es nicht um unangemessene Fantasie­löhne, sondern um Respekt denjenigen gegenüber, die wertvollen und regionalen Lebens­mittel produzieren.

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