Nanotechnologie nachhaltig gestalten

Die Nanotechnologie gilt als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Die geringe Größe der Nanopartikel verleiht ihnen besondere Eigenschaften, die viele Produkte revolutionieren könnten. Doch eine neuartige Technologie wirft neue Fragen auf: Welche Auswirkungen haben Nanopartikel auf die Umwelt und unsere Gesundheit?

Nanopartikel werden bereits heute in vielen Bereichen eingesetzt – ob in Lebensmitteln, Verpackungen, Textilien, Düngemitteln, Autozubehör oder Kosmetika. Können wir die Nanotechnologie in allen Bereichen ethisch vertreten? Was sagt die Politik und welche Gesetze regeln die Nanotechnologie? Wie werden wir als Verbraucher*innen informiert und geschützt?

Was bedeutet "nano"?

Der Begriff "nano" kommt aus dem Griechischen und bedeutet Zwerg. Ein Nanometer (nm) ist ein Milliardstel eines Meters. Ein DNS-Strang ist 2,5 Nanometer, ein Proteinmolekül 5 Nanometer, ein rotes Blutkörperchen 7.000 Nanometer und ein menschliches Haar 80.000 Nanometer breit. Zum Vergleich: Ein Nanopartikel verhält sich in der Größe zu einem Fußball wie der Fußball zur Erde.

Durch die stark verkleinerte Partikelgröße kommt es bei Stoffen in Nanoform zu grundlegenden Änderungen der physikalisch-chemischen Eigenschaften. Im Vergleich zu größeren Partikeln gleicher chemischer Zusammensetzung weisen Nanoteilchen eine höhere chemische Reaktivität, eine größere biologische Aktivität und ein stärkeres katalytisches Verhalten auf. Ursache dafür ist die bei gleichbleibendem Gesamtvolumen stark vergrößerte Oberfläche von Nano-Stoffen.

Stoffe wie etwa Titandioxid (Weißpigment als Lebensmittelzusatz), Siliziumdioxid (Rieselhilfe in Salz) oder unlösliche Vitamine wie Koenzym Q10 reagieren viel schneller mit anderen Stoffen und sind plötzlich wasserlöslich, wenn sie als Nanopartikel hergestellt werden. Zudem können Nanopartikel aufgrund ihrer geringen Größe im Körper sogenannte Membranfenster von Darmauskleidungen, Lungenbläschen oder sogar Zellkernmembranen passieren.

Eine Frage der Definition: Was zählt zu Nanomaterialien?

Meist wird die Bezeichnung "nano" für Materialien, Systeme und Prozesse in einem Größenbereich von bis zu 100 Nanometern verwendet. Als Nanomaterialien werden dabei solche Stoffe definiert, deren Größe in einer oder mehreren Dimensionen (Höhe, Breite, Länge) 100 Nanometer oder weniger beträgt, wodurch ihr Verhalten und ihre Materialeigenschaften beeinflusst werden.

Diese Definition ist jedoch nicht unumstritten. Viele Regierungsbehörden, Forschungsinstitutionen und Wissenschaftler*innen beziehen sich auf abweichende Maße: So versteht die britische Regierung unter Nanomaterialien die Stoffe, die "in einer oder zwei Dimensionen bis zu 200 Nanometer" groß sind. Die US-amerikanische Lebensmittelbehörde (FDA) definierte Nanomaterialien als "Partikel mit Dimensionen unterhalb der Mikroskala, das heißt unter 1.000 Nanometer, die einzigartige Eigenschaften aufweisen".

Auch der BUND spricht sich gegen eine Begrenzung auf 100 Nanometer aus, da Partikel bis zu einer Größe von einigen Hundert Nanometern nanospezifische Eigenschaften aufweisen können. Partikel bis zu einer Größe von mindestens 300 Nanometern sollten deshalb als Nanopartikel behandelt werden. Gleiches gilt für Zusammenballungen von Nanopartikeln (Agglomerate und Aggregate), die eine Größe von 100 Nanometern überschreiten, da auch sie an ihrer Oberfläche häufig reaktive Einzelpartikel aufweisen.

Risiken häufig eingesetzter Nanomaterialien

Die gleichen veränderten Eigenschaften, die Stoffe in Nanogröße so interessant für Forschung und Entwicklung machen, könnten auch neue Gefahren für Gesundheit und Umwelt mit sich bringen. Bisher hinkt die Erforschung der Risiken und Nebenwirkungen der Vermarktung von Nano-Produkten jedoch noch stark hinterher. 

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Erste Studien umreißen bereits mögliche Risiken bestimmter häufig eingesetzter Nanomaterialien

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Nano-Siliziumdioxid kann das Erbgut stören

Siliziumdioxid in Nanogröße wird im Lebensmittelbereich etwa als Rieselhilfe in Salz oder Kaffeeweißer verwendet. Auch in Lebensmittelverpackungen, wo es den Gasaustausch zwischen Ware und Außenluft verhindern soll, kommt es zum Einsatz. Siliziumdioxid-Nanopartikel könnten daher über die Nahrung in den Magen-Darm-Trakt und von dort in den Blutkreislauf gelangen.
Siliziumdioxid wird schon seit vielen Jahren in Lebensmitteln verwendet. Die bisherige Bewertung der Wirkung dieses Stoffes basiert auf Studien aus den Jahren 1958 bis 1981, in denen nicht auf unterschiedliche Partikelgrößen eingegangen wird.

Während Siliziumdioxid in größerer Form biologisch nicht aktiv ist, zeigen neuere Studien ein Gefährdungspotenzial durch Siliziumdioxid in Nanogröße. So wurde in Zellkulturen gezeigt, dass Siliziumdioxid-Nanopartikel Funktionen des Zellkerns und damit des Erbgutes stören können.

Nano-Titandioxid und Nano-Zinkoxid

Titandioxid- und Zinkoxidpartikel von einigen Hundert Nanometern sind als Lebensmittelzusatz etwa zum Bleichen oder Haltbarmachen verbreitet. Kleinere Nanopartikel werden als antimikrobieller Zusatz in Lebensmittelverpackungen und Aufbewahrungsgefäßen verwendet. In Kosmetika kommen Nano-Titandioxid und Nano-Zinkoxid als UV-Schutz zum Einsatz. Nano-Titandioxid ist neben Nano-Silber derzeit eines der am häufigsten eingesetzten Nanomaterialien.

Im Tierversuch löste Nano-Titandioxid nach Aufnahme hoher Dosen über die Atemwege Lungenkrebs aus. Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation stuft Nano-Titandioxid deshalb auch als möglicherweise krebserregend für den Menschen ein. Zudem konnte im Tierversuch mit Mäusen nachgewiesen werden, dass Nano-Titandioxid von schwangeren Mäusen an ihren Nachwuchs weitergegeben wird, was bei diesem Schädigungen des Hirns und des Nervensystems verursachte. Bei den männlichen Nachkommen war eine reduzierte Spermienproduktion die Folge. Außerdem ist Nano-Titandioxid – insbesondere nach Einwirkung von UV-Licht – giftig für Algen und Wasserflöhe. Letztere gelten als Merkmal intakter Ökosysteme.

Auch Nano-Zinkoxid kann toxisch auf Algen und Wasserflöhe wirken. In Fütterungsversuchen mit Mäusen beschädigten Zinkoxidpartikel mit einer Größe von 120 Nanometern Magen, Leber, Herz und Milz. Kleinere Partikel schädigten Leber, Milz und Bauchspeicheldrüse. Bereits sehr niedrige Dosierungen von 19 Nanometer großen Zinkoxidpartikeln wirkten giftig auf Zellkulturen von Mensch und Ratte.

Verschiedene wissenschaftliche Studien kamen außerdem zu dem Ergebnis, dass Nano-Titandioxid und Nano-Zinkoxid photoaktiv sind und freie Radikale produzieren. Diese können DNA-Schäden in menschlichen Zellen verursachen, insbesondere, wenn die Haut UV-Licht ausgesetzt ist.

Nanosilber: Der Glanz täuscht

Nanosilber wird bereits in vielen verschiedenen Bereichen als keimtötende (biozide) Substanz verwendet – mit stark steigender Tendenz. Vor allem in Lebensmittelverpackungen und Küchenutensilien, in Sportbekleidung, Waschmaschinen, Wandanstrichen und Kosmetika kommt es zum Einsatz. Auch im medizinischen Bereich wird Nanosilber genutzt und findet sich zum Beispiel in Wundauflagen und -pflastern.

Wie viele Produkte mit Nanosilber bereits auf dem Markt sind, lässt sich wegen fehlender Kennzeichnungs- und Registrierungspflichten nicht genau ermitteln. Allerdings wird davon ausgegangen, dass der Stoff neben Nano-Titandioxid derzeit eines der am häufigsten eingesetzten Nanomaterialien ist.

Gesteigerte keimtötende Wirkung mit giftigen Nebeneffekten

Die biozide Wirkung von Silber in Makroform ist hinreichend bekannt. Studien zeigen, dass Nanosilber diese Wirkung in gesteigertem Maß besitzt. Bei Ratten führte die Aufnahme von Nansilber über die Atemluft zu organschädigenden Entzündungsprozessen der Lunge. Diese traten bei deutlich geringeren Konzentrationen im Vergleich zu größeren Silberpartikeln auf.  Bei Versuchen an Zellkulturen wirkten 15 Nanometer große Silber-Partikel giftig auf Stammzellen von Mäusen und Gehirnzellen von Ratten. 100 Nanometer große Partikel waren giftig für die Leberzellen von Ratten.

Natürliches Gleichgewicht in Gefahr

Zudem bewirkt Nanosilber die Abtötung von Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilzen. Auch wenn sie einen schlechten Ruf haben: In unserer Umwelt sind Mikroorganismen ein unersetzlicher Bestandteil des natürlichen Gleichgewichts. Bei einem breiten Einsatz von Nanosilber besteht daher die Gefahr, dass zum Beispiel Gewässerökosysteme aus dem Gleichgewicht gebracht werden.

Mehr gefährliche Keime durch Resistenzbildungen

Ein weiteres Problem stellt die mögliche Resistenzbildung von Keimen gegenüber Nanosilber dar. Erste resistente Stämme existieren bereits. Die breite Anwendung von Nanosilber in Alltagsprodukten könnte dazu führen, dass Silber seine natürliche Wirkung gegenüber vielen für den Menschen gefährlichen Erregern verliert. Dadurch wird der sinnvolle Einsatz im medizinischen Bereich gefährdet. Dies ist besonders besorgniserregend, da schon heute viele Antibiotika wegen der Bildung von Resistenzen nur noch eingeschränkt verwendet werden können.

Kohlenstoff-Nanokugeln (Fullerene)

Fußballförmige Kohlenstoffmoleküle – Fullerene oder auch Bucky Balls genannt – sind genau wie Kohlenstoff-Nanoröhrchen eine Eigenheit der "Nano-Welt". Sie sind nicht einfach eine verkleinerte Form größerer Kohlenstoffmoleküle, sondern existieren nur in Nanogröße. Neben Diamant und Graphit bilden Fullerene eine weitere Modifikation von Kohlenstoff.

Aufgrund ihrer Fähigkeit, die für die Hautalterung verantwortlich gemachten freien Radikale zu binden, werden sie beispielsweise Antifaltencremes zugesetzt. Da sie zudem Wirkstoffe zielgenau transportieren können, sind sie auch für medizinische Anwendungen interessant.

Die Risiken von Fullerenen sind bisher nur unzureichend erforscht. Es gibt allerdings einige Studien, die zu beunruhigenden Ergebnissen kommen: Sie werden sehr leicht vom Körper aufgenommen und können auch gesunde Haut passieren. Schon in geringen Dosen erwiesen sie sich als giftig für menschliche Leberzellen. Zudem können sie möglicherweise Entzündungen verursachen, die zu Schäden an der Erbsubstanz führen. In weiteren Versuchen schädigten sie das Gehirn von Fischen und wirkten tödlich auf Wasserflöhe.

Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT)

Kohlenstoff-Nanoröhrchen (engl. Carbon-Nanotubes, kurz: CNT) sind röhrenförmige Gebilde aus wabenförmig angeordneten Kohlenstoffatomen. CNT haben in der Regel einen Durchmesser von einem bis zu 50 Nanometern. Sie sind extrem stabil, gleichzeitig sind sie leicht und leiten Strom und Wärme sehr gut. Nanoröhrchen können verschiedene Strukturen besitzen, etwa ein- oder mehrwandig und offen oder geschlossen sein.

CNT werden bereits in zahlreichen Produkten verwendet. So machen sie Elektroden von Laptop-Akkus leistungsfähiger und Tennisschläger bei gleichem Gewicht bruchfester. Auch in der Auto- und Bauindustrie werden sie eingesetzt. Ende Januar 2009 haben sich in Leverkusen 80 Partner aus Industrie und Forschung zur Innovationsallianz Carbon Nanotubes zusammengeschlossen. Im selben Monat hat die Bayer AG den Grundstein für die weltgrößte Produktionsanlage für Nanotubes gelegt, die 200 Tonnen jährlich produzieren soll.

So gefährlich wie Asbest?

Die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit wurden bisher noch nicht hinreichend erforscht. Bestimmte Nanoröhrchen stehen im Verdacht, ähnlich wie Asbest im Körper Entzündungen auszulösen, die zu Tumoren führen können. Im akuten Test bei Regenbogenforellen lösten CNTs Reizungssymptome an den Kiemenoberflächen und Schleimabsonderungen sowie eine Erhöhung der Atemfrequenz aus. Da Nanoröhrchen langlebig und nicht wasserlöslich sind, haben sie das Potenzial, sich in der Umwelt und in lebenden Organismen anzureichern. Zu den Bedingungen der Verteilung und Anreicherung ist aufgrund fehlender gängiger Messverfahren allerdings bisher nur wenig bekannt.

Verpackung von Wirkstoffen in Nanokapseln

Der Begriff "Nano-Verkapselung" umschreibt das Verpacken von Wirkstoffen, z.B. Vitamine, Konservierungsstoffe und Enzyme, in einer nanogroßen Kapsel wie einer Mizelle.

Nanokapseln finden in Lebensmitteln, Kosmetika, Medikamenten und Agro-Chemikalien Verwendung. Durch die Verkapselung sollen Wirkstoffe gezielter eingesetzt werden können. Die Kapseln können so beschaffen sein, dass sie sich im Körper erst unter bestimmten Bedingungen öffnen. Dadurch kann z.b. der unangenehme Geschmack eines zugesetzten Wirkstoffs in Lebensmitteln kaschiert werden.

In anderen Fällen macht die Verkapselung die Verwendung eines bestimmten Stoffes in dem vorgesehen Anwendungsbereich überhaupt erst möglich. Durch Nanokapseln lassen sich wasserunlösliche Wirkstoffe in Wasser lösen. Konservierungsstoffe wie Benzoesäure und Sorbinsäure, die bisher nur in sauren Lebensmitteln eingesetzt werden konnten, sind durch den Einschluss in Nano-Mizellen auch im neutralen Bereich einsatzfähig.

Gesundheitsschäden durch Überdosierung?

Bisher ist unklar, wie sich die immer breitere Verwendung von Nanokapseln auf die menschliche Gesundheit auswirken wird. Es besteht zumindest die Gefahr einer Überdosierung von Substanzen, die in geringer Dosis als gesundheitsförderlich oder zumindest harmlos gelten. Dies trifft beispielsweise für verschiedene Vitamine zu, die mit Hilfe von Nanokapseln Lebensmitteln oder Getränken zugesetzt werden und in überhöhten Mengen gesundheitsschädlich sind. 

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Wo steckt Nano drin?

Nanotechnologie  (PeteLinforth / pixabay.com)

Umweltschäden von Anfang an vermeiden

23.02.2017 | Rolf Buschmann, www.nanoportal-bw.de

Zu den Zukunftsvisionen der Nanotechnologien gehört auch ihr möglicher Nutzen für die Umwelt. Zugleich stehen zu den Auswirkungen der heute schon eingesetzten Nanomaterialien auf die Umwelt noch eine Menge Fragen im Raum. Offen ist, wie die Nanotechnologien und Umweltschutz wirklich zusammengehen könnten.

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