Bisphenol A: Hormongift mit fatalen Folgen
Bisphenol A (BPA) gehört zu den hormonellen Schadstoffen, die bereits in winzigen Mengen in unseren Hormonhaushalt eingreifen können. BPA ist ein gutes Beispiel dafür, wie wenig die traditionelle Risikobewertung nach der Faustregel „Die Dosis macht das Gift“ noch geeignet ist, tatsächliche Schäden zu erfassen: BPA ist vermutlich unter bestimmten Bedingungen durch eine direkte Einwirkung auf Hormonrezeptoren in geringeren Konzentrationen schädlicher als in größeren Mengen. Folgen von Bisphenol A können Schwächung des Immunsystems, erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Fettleibigkeit sowie hormonell bedingte Krebsarten wie Brust- und Hodenkrebs sein. Als mögliche Folgen werden außerdem Frühreife, eine reduzierte Spermienzahl und Verhaltensstörungen diskutiert.
Bisphenol A: Hohe Konzentrationen im menschlichen Blut und Urin
Innerhalb Deutschlands werden jährlich ca. 410.000 Tonnen Bisphenol A (BPA) vermarktet. BPA kann sich bei Kontakt mit Lebensmitteln aus dem Produkt lösen und ist dann in diesen nachweisbar. Der mittlere Gehalt an Bisphenol A im menschlichen Blut ist mittlerweile höher als die Konzentration, die bei Mäusen zu einer Beeinträchtigung der Sexualentwicklung führen kann. Die Europäische Umweltagentur hat im Jahr 2023 in elf europäischen Ländern den Urin auf Biospheonal A (BPA) untersucht. Insgesamt wurden bei 92 Prozent der Teilnehmer*innen BPA im Urin nachgewiesen.
Stiftung Warentest: BPA in vielen Lebensmittelkonserven
Im April 2024 hat Stiftung Warentest 58 Lebensmittelkonserven auf BPA getestet. In 51 der 58 Proben wurde BPA nachgewiesen. Ähnliche Ergebnisse zeigte eine Stichprobe des BUND aus dem Jahr 2017. Untersucht wurden Konserven mit Thunfisch, Tomaten, Kokosmilch sowie Mais und Sauerkraut. Das Ergebnis ist erschreckend: knapp 74 Prozent der untersuchten Lebensmittelproben waren belastet. Der BUND hat die gesundheitsschädliche Chemikalie in häufig konsumierten Thunfisch-, Tomaten- und Kokosmilchkonserven aus den Regalen der großen Handelsketten Lidl, Rewe, Aldi, Edeka, Netto und Penny nachgewiesen.
Aus für Bisphenol A in der EU
Die EU-Mitgliedstaaten billigten im Juni 2024 einen Vorschlag der Kommission zum Verbot von Bisphenol A (BPA) in Kunststoff-Materialien, die mit Lebensmitteln und Getränken in Berührung kommen. Demnach darf BPA nach Ablauf einer Übergangsfrist von 18 Monaten nicht mehr in der Innenbeschichtung von Konserven- oder Getränkedosen, wiederbefüllbaren Trinkflaschen oder Plastikverpackungen verwendet werden. Das Verbot trat im Dezember 2024 in Kraft und ist ein wichtiger Schritt zum Schutz von Verbraucher*innen und Umwelt.Davor gab es auf EU-Ebene lediglich BPA-Verbote für Babyfläschchen (2011) sowie Kassenbons und andere Produkte aus Thermopapier (2020).
Ersatz durch andere Bisphenole
Erfreulicherweise gilt das neue Verbot in Lebensmittelkontaktmaterialien erstmals auch für das häufig als BPA-Ersatz genutzte Bisphenol S und einer Handvoll Bisphenol A-Derivaten. Denn BPA ist nur eine von vielen ähnlich strukturierten Verbindungen aus der Gruppe der Bisphenole. Sie wurde häufig durch Bisphenol S oder F ersetzt, die eine ähnlich schädliche Wirkung haben, aber weniger gut untersucht sind. Daher ist beim Hinweis „BPA-frei“ Vorsicht geboten, denn es bedeutet nicht unbedingt auch „Bisphenol-frei“. Im Jahr 2020 untersuchte das Umweltbundesamt 44 mögliche Ersatzstoffe für BPA und stufte 43 davon aufgrund ihrer hormonellen Wirkung oder fehlender Daten als nicht empfehlenswert ein.
Bisphenol A: BUND fordert Ersatz durch sichere Alternativen
Am Beispiel Bisphenol A wird auch deutlich, wie wichtig eine von der Industrie unabhängig finanzierte Risikobewertung ist. So wiesen alle Ergebnisse unabhängiger wissenschaftlicher Untersuchungen der vergangenen Jahre auf eine Gesundheitsgefährdung hin, wohingegen alle von der Industrie durchgeführten Studien Entwarnung gaben.
Unterschiedliche Einstufungen
2007 setzt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die bis dahin geltende tolerierbare tägliche Aufnahmemenge für BPA um das Fünffache auf 50 Mikrogramm je Kilogramm Körpergewicht und Tag heraufsetzte. 2015 nahm die EFSA eine Neubewertung von BPA vor und senkte den TDI-Wert um mehr als das zehnfache auf vier Mikrogramm je Kilogramm Körpergewicht. Im Jahr 2022 kam die EFSA dann nach Auswertung weiterer Daten zu dem Schluss, dass BPA insbesondere für das Immunsystem wesentlich größere Risiken birgt und senkte den TDI gleich um das 20.000-fache, von vier Mikrogramm (vier Millionstel Gramm) auf 0,2 Nanogramm (0,2 Milliardstel Gramm) pro Kilogramm Körpergewicht und Tag.
Im Rahmen der Umsetzung des Chemikaliengesetzes REACH fordert der BUND ein Verbot des Stoffes in allen Anwendungsbereichen, wo sichere Alternativen vorhanden sind.
Einstufung von BPA als "besonders besorgniserregend"
2016 stimmte der REACH-Regelungsausschuss dem Vorschlag Frankreichs für eine Einstufung von Bisphenol A als reproduktionstoxisch der Kategorie 1B. Damit waren die Voraussetzungen erfüllt, um BPA, ähnlich wie auch krebserregende oder erbgutverändernde Stoffe der Kategorie 1, nach Artikel 57(c) der EU-Chemikalienverordnung REACH in die "Kandidatenliste" für besonders besorgniserregende Stoffe (Substances of Very High Concern, SVHC) aufzunehmen, die 2017 erfolgte.
Im Juni 2017 stimmte der Regelungsausschuss einem weiteren Antrag Frankreichs zu, BPA auch wegen seiner hormonellen Wirkungen beim Menschen als besonders gefährlichen Stoff einzustufen. Im Dezember desselben Jahres folgte dann auf Antrag Deutschlands die Zustimmung für die Einstufung von BPA als SVHC wegen seiner hormonellen Wirkungen auf Organismen in der Umwelt.
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