Freigabe von schwach radioaktiven Stoffen: Atommüll auf der Müllkippe

Die im Auftrag des BUND erstellte "Stellungnahme zu Defiziten der Regelung von Freigaben radioaktiver Stoffe in der Bundesrepublik Deutschland" von Wolfgang Neumann beleuchtet das verdrängte Problem beim Rückbau von Atomkraftwerken.

Mülldeponie; Foto: Prylarer / CC0 / pixabay.com Eine Mülldeponie: der geeignete Ort, um radioaktiven Abfall zu lagern?  (pixabay/Prylarer)

In Deutschland existiert die Möglichkeit, schwach radioaktive Reststoffe und Abfälle aus dem Zuständigkeitsbereich von Atomgesetz und Strahlenschutzverordnung in den konventionellen Bereich zu entlassen ("Freigabe"). Dies bedeutet, dass Materialien aus einem Atomkraftwerk, das rückgebaut wird, nach so einer "Freimessung" auf einer normalen Hausmülldeponie landen können oder als Wertstoff wiederverwendet werden.

Bei einer Stilllegung von Atomkraftwerken fällt eine besonders große Menge solcher Materialien an. Wegen der derzeit anstehenden gleichzeitigen Stilllegung von acht Reaktoren können die freigegebenen Mengen so groß sein, dass die Einhaltung des Strahlenschutzzieles für die Bevölkerung durch Freigaben gefährdet ist.

Radioaktivität wird unterschätzt – mehr Kontrolle nötig

Durch die großen jährlichen Freigabemassen und die unterstellte Verteilung auf viele Deponien wird die auf einer Deponie abgelagerte Radioaktivität unterschätzt. Daraus folgt, dass die Freigabewerte zur Deponierung im Sinne eines vorbeugenden Strahlenschutzes zu hoch sind.

Deshalb muss die Entlassung von Reststoffen und Abfällen in den konventionellen Bereich auf jeden Fall stärker überwacht und reglementiert werden. Ein weitergehender Schutz der Bevölkerung wäre durch die Aufgabe der Freigaberegelung und die Verfolgung des französischen Konzepts mit einem gesonderten Entsorgungsweg für schwächer radioaktive Stoffe möglich.

Es muss dringend geprüft werden, ob eine Konzentration dieser Stoffe in einem die notwendigen Rückhalteanforderungen erfüllenden oberflächennahen Endlager sinnvoller ist als die Verteilung der Radioaktivität in verschiedenen Hausmülldeponien und Gegenständen für den menschlichen Umgang.

Der BUND lehnt grundsätzlich jegliche Freigaberegelungen, wie sie in der Strahlenschutzverordnung vorgesehen sind, ab. Dies hat zuletzt die Bundesdelegiertenversammlung des BUND im Jahr 2000 bestätigt.

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Bis zu tausendfach höheres Strahlenrisiko bei der Freigabe von Atommüll aus dem Abriss von Atomkraftwerken

Das Freigabekonzept erweist sich bei eingehender Prüfung der Kriterien, Annahmen und Voraussetzungen als Kartenhaus auf tönernen Füßen. Ein zentraler Aspekt des Abbaukonzeptes stillgelegter Atomkraftwerke beruht darauf, dass ein großer Anteil von über 80 und 90 Prozent der abzubauenden Materialien, die mit Radioaktivität aktiviert oder kontaminiert sind, aus dem Kontrollbereich des Atomgesetzes durch das Verfahren der "Freigabe" gemäß Paragraph 29 der Strahlenschutzverordnung (sowie damit verbundener Anhänge, in denen die Anforderungen der Freigabe festgelegt sind) entlassen werden.

Am Beispiel des Antrags der RWE Power AG auf Genehmigung zur Stilllegung und zu einer ersten Genehmigung zum Abbau von Anlagenteilen der Kernkraftwerksblöcke Biblis A und B zeigt der BUND, dass die Freigaberegelung nach dem in der deutschen Strahlenschutzverordnung festgeschriebenen zehn Mikrosievert-Konzept auf tönernen Füßen steht und inakzeptabel ist.

Ihre Ansprechpartnerin

Juliane Dickel

BUND-Expertin für Energiepolitik, Klima und Atom
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