Die neue Suche nach einem Atommüll-Lager – Neustart oder Irrweg?

Die neue Suche nach einem Lager für hochradioaktiven Müll in Deutschland ist gestartet. Das Verfahren und seine Umsetzung besitzen jedoch zahlreiche Schwachstellen und Mängel. Der BUND setzt sich für einen verantwortungsbewussten Umgang mit allen Arten von Atommüll ein. Und er fordert, dass das neue Suchverfahren die Versprechen bezüglich Wissenschaftlichkeit und Bürgerbeteiligung einhalten muss.

Nach dem Atomausstieg 2011 verkündete die Politik den Neustart der Suche nach einem Lager für hochradioaktive Abfälle und setzte ein neues Standortauswahlverfahren auf. Die Atommüll-Kommission im Deutschen Bundestag erarbeitete dieses Verfahren und sollte die Suche vom Kopf auf die Füße stellen. Auch der BUND hat an der Kommission konstruktiv mitgewirkt. Der Abschlussbericht enthielt viele sinnvolle Vorschläge, jedoch wies er auch zentrale und grundsätzliche Mängel auf. Deshalb hat der BUND ihm nicht zugestimmt und seine Kritikpunkte in einem Sondervotum verdeutlicht.

Im Herbst 2017 ist die erneute Suche offiziell mit dem Ziel gestartet, bis zum Jahr 2031 ein Atommüll-Lager in Salz-, Ton-, oder Granitvorkommen in Deutschland zu finden. Die gesetzlichen Ziele, "wissenschaftsbasiert, transparent und beteiligungsorientiert" vorzugehen, werden in der Realität jedoch nicht erfüllt: Obwohl die Geologie des jahrelang bevorzugten Standorts Gorleben keine Langzeitsicherheit garantiert, blieb der Standort weiterhin Teil der Suche. Die jahrelange Arbeit der Behörden hinter verschlossenen Türen gefährdet zudem schon jetzt die Offenheit und Nachvollziehbarkeit der Auswahl. Und die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Standortsuche kommt bisher nicht über Informationsveranstaltungen hinaus.

Trotz erster vielversprechender Ansätze belasten diese und weitere Mängel also das Verfahren und verspielen Vertrauen. Der BUND setzt sich daher für eine auf wissenschaftlichen Kriterien basierte Suche mit breiter Öffentlichkeitsbeteiligung ein. Für den BUND ist dabei eine tiefengeologische Lagerung nach aktuellem Stand der Wissenschaft und Technik die einzig sinnvolle Option. Grundvorrausetzung für die Standortauswahl ist der endgültige Atomausstieg.

Wie sehen die Phasen der neuen Suche im Detail aus und was fordert der BUND?

Im folgenden Abschnitt sind die zentralen Schritte kurz erklärt. Mehr Informationen und eine detaillierte Kritik finden Sie unter:

www.atommuell-lager-suche.de

Phase 1: Auswahl von Teilgebieten und Standortregionen

Phase 1: Auswahl von Teilgebieten und Standortregionen Phase 1: Auswahl von Teilgebieten und Standortregionen  (BUND)

Die erste Phase des neuen Suchverfahrens umfasst zwei Ziele: Zunächst sollen potenzielle Teilgebiete ausgewiesen werden. Anschließend sollen dann Standortregionen bestimmt werden.  

Auswahl von Teilgebieten 

Das aktuelle Verfahren startet mit der umstrittenen "weißen Landkarte", die einen Neuanfang ohne Vorfestlegungen symbolisieren soll. Der bisherige Kenntnisstand über geologische Eigenschaften von einigen Regionen in Deutschland und der jahrelang "untersuchte" Standort Gorleben färben die "weiße Landkarte" jedoch mit dunklen Flecken. Schon jetzt ist klar, dass einige Gebiete eher für ein Atommüll-Lager in Frage kommen als andere.  

Ausgehend von dieser "weißen Landkarte" begann die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die zu 100 Prozent ein staatliches Unternehmen und Vorhabenträger der Atommüll-Lagersuche ist, im Herbst 2017 mit der Suche. Die BGE forderte Daten der geologischen Landesämter zu Salz-, Ton und Granitvorkommen in ganz Deutschland an.

Anschließend bewertet das Unternehmen anhand von Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und Abwägungskriterien diese Daten und stellt in einem Bericht sogenannte "Teilgebiete" dar. Teilgebiete sind Regionen, die durch "günstige geologische Voraussetzungen" potenziell für ein Atommüll-Lager in Frage kommen können.

Gleichzeitig umfasst der Bericht Gebiete, zu denen es keine ausreichenden Daten gibt und Empfehlungen, wie man mit diesen Gebieten umgehen sollte. Der BUND fordert, dass alle Daten und die angewendeten Kriterien und Methoden, die für die Auswahl der potenziellen Standorte herangezogen wurden, vollständig und nachvollziehbar veröffentlicht werden. 

Mit Beginn der Suche ist auch das Nationale Begleitgremium (NBG) gestartet. Das Gremium besteht aus Bürger*innen und anerkannten Personen des öffentlichen Lebens und ist Teil der Öffentlichkeitsbeteiligung. Das NBG soll die gesamte Suche vermittelnd und unabhängig begleiten und besitzt beispielsweise Akteneinsichtsrechte. Über echte Mitspracherechte verfügt das Gremium jedoch nicht. 

Ähnlich geht es auch der "Fachkonferenz Teilgebiete", die nach der Bekanntgabe der Teilgebiete eingesetzt wird. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE, vormals BfE), die neue zentrale Atommüll-Behörde mit Kompetenzen im Bereich Genehmigung und Aufsicht, aber auch der Öffentlichkeitsbeteiligung, richtet diese Fachkonferenz ein.

Das Gremium ist Teil der neuen Öffentlichkeitsbeteiligung und soll alle Bürger*innen, Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen, die Wissenschaft und Vertreter*innen der Gemeinden und Kommunen an der Suche beteiligen. Die Teilnehmenden können den Bericht der BGE zu den Teilgebieten kommentieren, allerdings ist für wirksame Beteiligung nur wenig Zeit: Im Gesetz sind lediglich sechs Monate und drei Termine vorgesehen. Welchen Einfluss die Kommentierung hat, ist noch völlig unklar – echte Mitsprache ist nicht vorgesehen. 

Festlegung von Standortregionen 

Anschließend grenzt die BGE die Regionen (durch die erneute Anwendung der bereits erwähnten sowie weiterer planungswissenschaftlicher Kriterien) weiter ein und stellt Standortregionen vor. Die vorgeschlagenen Standortregionen sollen dann in Phase 2 übertägig erkundet werden.

In jeder Standortregion richtet das BASE Regionalkonferenzen ein. Diese Beteiligungsgremien können Nachprüfanträge zu den Ergebnissen der BGE stellen. Bisher ist allerdings unklar, wie die Beteiligung konkret aussieht und welche Wirkung sie hat.

Anschließend übermittelt das BASE einen Vorschlag für übertägig zu erkundende Standortregionen an die Bundesregierung. Die Phase endet mit einer Entscheidung des Deutschen Bundestags und einem Bundesgesetz. Nach Abschluss der ersten Phase besteht keine Möglichkeit mehr, das bisherige Verfahren rechtlich überprüfen zu lassen.

Phase 2: Eingrenzung von Standorten

Phase 2: Eingrenzung von Standorten Phase 2: Eingrenzung von Standorten  (BUND)

In der zweiten Phase werden die zuvor ausgewählten Standortregionen durch die BGE übertägig erkundet. Dies erfolgt etwa durch seismische Messungen oder Bohrungen.

Anschließend macht die BGE Vorschläge für Standorte, die weiter erkundet werden sollen. Die betroffenen Regionalkonferenzen diskutieren diese Vorschläge und stellen gegebenenfalls Nachprüfanträge. Der "Rat der Regionen", ein weiteres Beteiligungsgremium, vernetzt die Standortregionen. In dem Gremium beraten Vertreter*innen aus jeder Regionalkonferenz. Ein Mitsprachrechte hat der "Rat der Regionen" jedoch nicht.

Anschließend beantwortet das BASE die Nachprüfungsaufträge der Regionalkonferenzen und es finden Termine zu Stellungnahmen und Erörterungen statt. Die Phase endet mit einem Bundestagsbeschluss zu den übertägig zu erkundenden Standorten.

Phase 3: Festlegung eines Standortes

Phase 3: Festlegung eines Standortes Phase 3: Festlegung eines Standortes  (BUND)

In dieser Phase werden die mindestens zwei verbleibenden Standorte untertage durch die BGE erkundet und ein geeigneter Standort identifiziert. Dazu werden Erkundungsbergwerke aufgefahren. Anschließend macht die BGE einen Vorschlag für einen Standort.

Die betroffene Regionalkonferenz hat die Möglichkeit, einen Nachprüfantrag zu stellen. Das BASE bearbeitet den Antrag und übermittelt schließlich den Vorschlag an die Bundesregierung. Der Bundestag entscheidet über den Standort und schließt eine Standortvereinbarung.

Der BUND fordert einen verantwortungsbewussten Umgang mit Atommüll:

  • Grundlage für die Suche nach einem Atommüll-Lager muss der endgültige und sofortige Atomausstieg sein. Noch immer wird täglich strahlender Müll produziert, ohne einen Umgang für ihn gefunden zu haben. Der BUND fordert daher, den Atomausstieg im Grundgesetz zu verankern und den Ausstieg deutlich zu beschleunigen. 
  • Das wichtigste Kriterium für Auswahl und Genehmigung eines Atommüll-Lagers ist die möglichst hohe Sicherheit und damit verbunden die Einhaltung von strengen Strahlenschutzgrenzwerten. Die Auswahl eines Lagers muss auf wissenschaftlich begründeten Kriterien beruhen. Eine erneute, politisch motivierte Entscheidung – wie im Fall Gorleben – ist unzulässig.
  • Der BUND fordert, das Versprechen nach einer echten Öffentlichkeitsbeteiligung wahr zu machen und ein transparentes und offenes Verfahren zu gestalten. Betroffene brauchen echte Mitgestaltungsmöglichkeiten und keinen Scheindialog! Dazu gehört es auch, den Betroffenen ausreichend Klagemöglichkeiten einzuräumen.
  • Nicht nur ans Ende denken: Das Verfahren muss auch die aktuelle Situation in Zwischenlagern einbeziehen. Der BUND fordert eine Überprüfung des bisherigen Atommüll-Zwischenlager-Konzepts. 
  • Der BUND fordert, das Exportverbot von Atommüll strikt einzuhalten. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit dem Müll muss in Deutschland stattfinden. Geplante Exporte etwa in die USA sind unzulässig und verstoßen gegen das Exportverbot.
  • Es braucht Klarheit, welcher Müll in das neue Lager verbracht werden soll und wie mit den anderen strahlenden Abfällen – etwa aus der Asse oder der Urananreicherung – umgegangen werden soll. Der BUND fordert ein eigenes Suchverfahren für die anderen Müllarten.

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Ihre Ansprechpartnerin

Juliane Dickel

BUND-Expertin für Energiepolitik, Klima und Atom
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