AKW in Deutschland

In Deutschland sind die letzten drei Atomkraftwerke (AKW) Mitte April 2023 vom Netz gegangen. Stilllegung, Rückbau und Umgang mit dem Atommüll kostet Milliarden und wird noch unzählige Generationen beschäftigen. Schon deshalb hat Atomkraft keine Zukunft.

Stromversorgung auch ohne Atomkraft sicher

Atomkraft wird weder zur Versorgungssicherheit noch zur Stromnetzstabilität in Deutschland gebraucht. Die zuletzt drei noch laufenden Reaktoren im Streckbetrieb lieferten lediglich sechs Prozent des deutschen Strombedarfs. Erneuerbare Energien hatten im Jahr 2022 einen Anteil von 49,6 Prozent (Netto) im Strommix und sind somit die wichtigsten Stromlieferanten in Deutschland.
In diesem Video beantworten wir eure Fragen rund zum Atomausstieg. 

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Atomausstieg nicht vollendet

Auch nach dem Aus für AKW laufen Atomanlagen in Deutschland weiter. In der Brennelementefabrik in Lingen werden weiter unbegrenzt Brennstoffe für ausländische AKW produziert. In Gronau wird angereichertes Uran hergestellt und ebenfalls exportiert, um in europäischen Schrottreaktoren als Brennstoff genutzt zu werden. In Garching bei München wird ein Forschungsreaktor mit atomwaffenfähigem Uran betrieben. Im Rahmen der nuklearen Teilhabe sind sogar Atomwaffen in Deutschland stationiert. Deutschland bleibt also trotz „Atomausstieg“ Teil des internationalen nuklearen Systems.Der Rückbau der Atomkraftwerke in Deutschland wird uns noch mindestens bis in die 2060er Jahre hinein beschäftigen. Gleichzeitig wird in Deutschland, trotz "Atomausstieg", Uran angereichert werden. Auch Brennstäbe werden für den weltweiten Einsatz in AKW hergestellt und Forschungsreaktoren betrieben.

Ehemalige Atomkraftwerke in Deutschland

Deutschlandkarte mit Standorten der Kernkraftwerke.  (Lencer/Wikimedia, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1704331)

Gründe gegen eine Laufzeitverlängerung

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Weiterbetrieb der AKW: Tor zum Wiedereinstieg

Für ein Weiterlaufen der deutschen AKW wurde der sogenannte „Streckbetrieb“ beschlossen.  Beim  Streckbetrieb wird die Einsatzdauer der Brennstäbe im Reaktor um einige Monate verlängert, indem die Leistung des Reaktors sukzessive bis auf etwa 60 Prozent reduziert wird. Der Reaktor produziert auf diese Weise länger Strom. Bei steigenden Strompreisen bringt das den Betreibern höhere Gewinne. Oftmals fahren die Betreiber ihrer Reaktoren am Ende der Betriebsdauer ohnehin im Streckbetrieb. Der Streckbetrieb lohnt sich lediglich zur Gewinnmaximierung und verlängert ansonsten die Risiken, die mit dem Betrieb der Atomkraftwerke einhergehen. Die Debatte um den Streckbetrieb hat gezeigt, dass auch für eine kurze Laufzeitverlängerung die Änderung des Atomgesetzes erforderlich war. Jede Debatte um einen Weiterbetrieb, auch die um den Streckbetrieb, ist daher das politische und juristische Einfallstor für weitere Laufzeitverlängerungen. 

Periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ): Herzstück der Sicherheitsphilosophie

Atomkraftwerke müssen nach deutschem und europäischem Recht alle zehn Jahre eine sogenannte "Periodische Sicherheitsüberprüfung" (PSÜ) durchlaufen. Die PSÜ ist eine umfängliche über mehrere Jahre dauernde Prüfung. Sie hat die Aufgabe, die Anlage mit Methoden, die über die regelmäßige Überwachung hinausgehen, zu untersuchen. So sollen Sicherheitsdefizite aufgedeckt und beseitigt werden. Die drei deutschen AKW Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland hatten ihre letzte PSÜ vor 14 Jahren nach einem Regelwerk aus den frühen 1980er Jahren. Die deutschen AKW hinken dem Stand von Wissenschaft und Technik Jahrzehnte hinterher. Mit Blick auf den nahenden Abschalttermin wurde die seit 2019 fällige Prüfung ausgesetzt. Der Verzicht auf die PSÜ ist bereits jetzt ein eklatanter Bruch mit der deutschen und der europäischen Sicherheitsphilosophie. Eine weitere Ausdehnung der Sonderregelung ist ebenso verantwortungslos wie unzulässig.

Ausschlaggebend für den monatelangen Ausfall der halben Reaktorflotte in Frankreich sind maßgeblich Korrosionsschäden, die erst im Rahmen einer PSÜ an einem der Reaktoren aufgefallen sind. In der Folge wurde der Schaden auch an weiteren AKW festgestellt. Die Korrosion in den Rohrleitungen können im schlimmsten Fall zur Kernschmelze führen. Die PSÜ hat in Frankreich somit vielleicht einen Super-GAU verhindert. 

Hochrisikotechnik: Sicher bis zum Supergau

„Sicher“ bedeutet bei einer Hochrisikotechnik immer nur, dass eine Gesellschaft die mit dem Betrieb der Technik verbundenen Risiken akzeptiert. Deutschland hat 2011 in einem breiten gesellschaftlichen Konsens entschieden, die unkalkulierbaren Risiken der Atomkraftnutzung nicht mehr hinzunehmen. Der sukzessive Ausstieg mit dem gesetzlichen Abschalttermin für die letzten drei AKW Ende 2022 war ein politischer Kompromiss. Seitdem ist das Risiko sogar gestiegen, denn die Meiler sind mittlerweile 33 und 34 Jahre alt. Sie haben damit ein Alter erreicht, in dem das Störfallrisiko  deutlich steigt.

Allein in den vergangenen fünf Jahren hat es über 40 meldepflichtige Ereignisse in den noch laufenden deutschen AKW gegeben. Außerdem wurden mit Blick auf den Atomausstieg nicht nur Sicherheitsüberprüfungen ausgelassen, sondern auch kostenintensive sicherheitstechnische Nachrüstungen. In den AKW Neckarwestheim 2 und Emsland wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Risse in den Heizrohren der Dampferzeuger festgestellt. In Neckarwestheim 2 sind das mittlerweile mehr als 350 Rissen entdeckt worden. Bei Isar 2 sind entsprechende Prüfungen nicht erfolgt, daher ist nicht bekannt, ob dort ebenfalls Risse vorliegen, es ist aber wahrscheinlich. Der Schaden ist sicherheitsrelevant und kann bei Rohrabriss eine Kernschmelze verursachen.

Laufzeitverlängerungen helfen in diesem Winter nicht

Für den langfristigen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke sind neue Brennelemente notwendig. Expert*innen gehen davon aus, dass für eine Beschaffung der Brennelemente ab Bestellung mindestens zwölf bis 15 Monate benötigt werden. Zusätzliche Strommengen wären also erst im übernächsten Winter möglich und dann gleich für mehrere Jahre, denn sonst würde sich die Neubeladung nicht rechnen. Die jetzt schon alten Meiler benötigen neben der PSÜ auch umfangreiche Nachrüstungen. Insgesamt würden Laufzeitverlängerungen Investitionen in mehrstelliger Millionenhöhe erfordern.

Noch mehr Atomkraft, noch mehr Krise

Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA befürchtet aufgrund der ukrainischen AKW im Kriegsgebiet eine Atomkatastrophe in Europa. Es ist absurd, dass wir in Deutschland gleichzeitig über einen Weiterbetrieb der hiesigen AKW diskutieren. Auch Deutschland ist nicht sicher vor Terror und Krieg – je schneller wir das Gefährdungspotenzial durch AKW ausräumen, desto besser. 

Der Sommer 2022 hat sehr deutlich gezeigt, dass AKW den mit der Klimakatastrophe einhergehenden klimatischen Veränderungen nicht gewachsen sind. Vielfach müssen Reaktoren abgeschaltet werden, weil in der Hitzeperiode, Flüsse überhitzen oder zu wenig Wasser fahren für die Kühlung der AKW. Energiesicherheit funktioniert nicht mit Atomkraftwerken.

Energieversorgung: AKW sind kein Gasersatz

Mit einem Anteil von etwa sechs Prozent im Strommix und nur einem Prozent am Endenergieverbrauch spielen die drei deutschen AKW keine wesentliche Rolle für die Energieversorgung. Gaskraftwerke können sie ohnehin nicht ersetzen. Denn weit über 80 Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs wird nicht für Strom, sondern die Erzeugung von Wärme für Gebäude oder für Industrieprozesse benötigt. Und mehr noch: Gaskraftwerke sind häufig Kombi-Kraftwerke. Das heißt, sie haben – anders als AKW – eine Kraft-Wärme-Kopplung und erzeugen Strom und Wärme gleichzeitig. Dadurch steigern sie ihren Effizienzgrad. Gaskraftwerke haben bei der Stromerzeugung außerdem die Funktion, Leistungsschwankungen bei den Erneuerbaren auszugleichen. Atomkraftwerke dagegen funktionieren nach dem Grundlastprinzip und können nicht flexibel und bedarfsgerecht gesteuert werden, um Spitzenlasten oder Schwankungen auszugleichen. Auch das Wirtschaftsministerium räumte im Juli 2022 ein, dass das Einsparungspotenzial für Erdgas durch Atomstrom lediglich bei 0,5 bis 0,7 Prozent liegt.

Energieunabhängigkeit von Russland: Nicht mit Atomkraft

Laut Aussagen von Preussen-Elektra stammt der Großteil des Urans, mit dem das AKW Isar 2 betrieben wird aus Russland und Kasachstan. Isar 2 ist keine Ausnahme. Die EU deckt etwa 20 Prozent ihres Bedarfs an Natururan mit Lieferungen aus Russland. Weitere 20 Prozent stammen von Russlands Verbündeten Kasachstan. Darüber bezieht die EU 26 Prozent des bereits angereicherten Urans ebenfalls aus Russland. Der russische Staatskonzern Rosatom ist ein zentraler Player entlang der gesamten nuklearen Produktionskette. Atomkraft würde die Abhängigkeit von autoritären Staaten weiter steigern, statt Energieunabhängigkeit zu fördern.

In den vergangenen Jahren hat Putin seinen Einfluss im Atombereich weltweit erfolgreich ausgebaut. Dass die EU ebenso wie die USA im Nuklearsektor bislang keine Sanktionen gegen Russland verhängt hat, liegt nicht an der Bedeutungslosigkeit sondern an der großen Abhängigkeit. Russland hat die Atomindustrie fest im Griff. Seit Kriegsbeginn sind mindestens drei Brennelemente-Lieferungen – per Flugzeug – zu europäischen AKW erfolgt. Insgesamt sind 18 europäische Reaktoren vollständig von russischen Brennelementen abhängig.

Laufzeitverlängerungen: Rückschlag für die Energiewende

Atomkraftwerke können nicht bedarfsgerecht und flexibel gesteuert werden. Ein effizientes Zusammenspiel mit erneuerbaren Energiequellen ist daher nicht möglich. Im Gegenteil: Atomstrom und Ökostrom konkurrieren im Stromnetz. Dies kommt dann zum Tragen, wenn Erneuerbare viel Strom produzieren und ins Netz einspeisen könnten. Sie werden dann jedoch oftmals abgeregelt, damit die Netze nicht überlastet werden. Atomstrom verdrängt somit Ökostrom aus dem Netz. Auf diese Weise ist bereits jede Menge Ökostrom verschwendet worden. Und mehr noch: Der Ausbau der Erneuerbaren wurde durch den Betrieb von AKW blockiert und gedeckelt. Laufzeitverlängerungen würden die Umstellung auf Erneuerbare Energien und ein flexibles Netzmanagement weiter behindern und wären daher ein massiver Rückschlag für die Energiewende.

Atommüll-Lager-Suche scheitert

Der Atomausstieg ist die Grundlage des laufenden Suchverfahrens für eine dauerhafte Lagerstätte für die in Deutschland verursachten hochradioaktiven Abfälle. Das Verfahren verliert seine Glaubwürdigkeit und die Akzeptanz in der Bevölkerung, sobald es nicht mehr dem Zweck dient, in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess einen verantwortungsvollen Umgang mit der entstandenen atomaren Erblast zu finden, sondern neuen Atommüll zu produzieren, der nachkommende Generationen gefährdet. Mit einer Laufzeitverlängerung bzw. dem Ausstieg aus dem Atomausstieg wäre dies der Fall – das laufende Suchverfahren wäre gescheitert.
 

Warum unsere Arbeit gegen Atomkraft weiter geht:

Die letzten AKW sind vom Netz. Endlich. Doch die Gefahr schwelt weiter. Zum Beispiel in 16 unzu­rei­chend gesicherten Zwischenla­gern für hochradioaktive Ab­fäl­le. In Lingen und Gronau werden weiterhin Brennstoffe für ausländische AKW produziert.

Der BUND setzt sich weiter ein: gegen die Atomlob­by, für sichere Zwischenla­ger und ein Ende der Brennelemente-Produktion! Ihre Spende hilft dabei.

Atomausstieg: Ein großer Erfolg der Anti-Atom-Bewegung

Protestkundgebung des BUND mit dem BUND-Vorsitzenden Hubert Weinzierl am 4.2.1985 auf dem Marktplatz in Schwandorf

Nach vielen Jahrzehnten Widerstand ist es geschafft. Die letzten Atomkraftwerke (AKW) in Deutschland werden am 15.4. abgeschaltet. Ein großer Erfolg der Anti-Atom-Bewegung, in der sich auch der BUND stark engagiert hat. Unsere Themenseite wirft einen Blick zurück auf 60 Jahre Anti-AKW-Bewegung, inklusive einer historischen Bildergalerie und Meilensteine der Atomproteste.

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Ihre Ansprechpartnerin

Juliane Dickel

BUND-Expertin für Energiepolitik, Klima und Atom
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