Zehn gute Beispiele für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik von oben

03. März 2018 | Mobilität, Nachhaltigkeit, Suffizienz

Es ist schon seltsam, dass gerade im Bereich der Mobilität auf Bundesebene bislang Stillstand herrscht. Während sich in vielen Bereichen etwas bewegt und die CO2-Emissionen in Deutschland insgesamt rückläufig sind, steigen sie im Verkehrssektor aktuell sogar noch an.

Städtische Mobilität. Foto: M. Schlegel / BUND Mehr Lebensqualität in unseren Städten? Wir stellen zehn Ansätze vor.  (M. Schlegel / BUND)

Dabei gibt es gute Ideen und zahlreiche Bei­spie­le, was sich umsetzen lässt – nicht nur durch eine Fahrradpolitik von unten, sondern auch für eine klima- und gesundheits­freund­liche Verkehrspolitik von oben. Hier stellen wir Ihnen ein paar Ansätze vor, die insbesondere in unseren Städten für mehr Lebensqualität sorgen könnten:

1. Mailand: Die Erfindung der Fahr­radprämie

Die Stau- und Feinstaub-geplagte Stadt plant, allen Bewohner*innen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, eine Geldprämie zu zahlen. Insgesamt 35 Millionen Euro will Mailand investieren, damit die Menschen ihre Autos in Zukunft häufiger stehen lassen.

2. Wien: verständliche Traufstruktur im ÖV

Ein Jungle aus verschiedensten Tarifen schreckt potentielle ÖV-Nutzer*innen oft ab. Das hat Wien mit seinem 356 €-Jahresticket geändert. Einen Euro pro Tag, das versteht Jede*r.

3. Kostenlose Jobtickets

Einen anderen Weg um mehr Menschen in den ÖV zu locken schlug man in Hessen ein, wo ein kostenloses Jobticket für alle Landesbediensteten eingeführt wurde. Nachahmer sind ausdrücklich erwünscht!

4. Sharing is Caring

Bereits heute schaffen "Mobilitätspunkte" in Bremen eine Alternative zum privaten Pkw-Besitz. <link aktuelles detail-aktuelles news luft-zum-atmen-bremen-schafft-mit-carsharing-neuen-platz _blank>Die Straßen werden freier, denn hier ersetzt ein geteiltes Auto jetzt zehn private. Das Konzept "nutzen statt besitzen" – sofern richtig eingesetzt – ist ein wichtiger Baustein für die Mobilität der Zukunft. In fast allen Städten nehmen seit Jahren auch Leihfahrräder und Lastenräder zu.

5. Freie Fahrt für Fahrräder

Ein Blick nach Kopenhagen oder Amsterdam lässt uns grün vor Neid werden. Auch in Deutschland können Kommunen eine bessere Fahrradinfrastruktur inklusive sicherer Radwege und Radschnell­we­ge schaffen und für verbesserte Möglich­kei­ten der Fahrradmitnahme im ÖPNV sorgen. In einigen Bundesländern dürfen Fahrräder zum Beispiel kostenlos in Regionalzügen mitgenommen werden: in Sachsen-Anhalt, Thüringen, mit dem Hessenticket sowie in Rheinland-Pfalz und im Saarland – mit zeitl. Einschränkungen.

Wer das alles finanzieren soll? Die Bundesregierung könnte die jährlich rund 28,6 Milliarden umweltschädlicher Verkehrssubventionen abbauen und stattdessen klimafreundliche Mobilität fördern, indem sie eine Investitionsoffensive für den Rad- und Fußverkehr startet und die Bundesmittel zur Radverkehrsförderung auf mindestens 25 Euro pro Kopf und Jahr verdoppelt.

6. Das Dienstrad

In England können Arbeitgeber, die ihren Angestellten Fahrräder für den Arbeitsweg bereit stellen, diese bereits seit 1999 von der Steuer absetzen. "Cyle to Work Scheme" nennt sich diese Initiative. In Deutschland haben die Finanzminister mittlerweile auch beschlossen, dass Unternehmen ihren Mitarbeiter*innen Dienstfahrräder statt Dienstwagen zur Verfügung stellen können. Nun muss nur noch das Dienstwagenprivileg abgeschafft werden!

7. Mehr Platz für Fahrräder

Sobald die Sonne scheint, gibt es kaum noch Abstellmöglichkeiten für das Fahrrad – von sicheren ganz zu schweigen. Wer jedoch erst in den Keller gehen muss, bevor er oder sie mit dem Fahrrad losfahren kann und dann noch Angst haben muss, dass das Fahrrad vorm Bahnhof geklaut der demoliert wird, steigt vielleicht doch lieber ins Auto. Wie vorbildliche Kommunen von Bielefeld bis Leipzig an Lösungen arbeiten, zeigt der VCD.

Auch über das Baurecht können die Bundesländer eine Veränderung erwirken. So schreibt beispielswei­se Baden-Württem­berg seit März 2015 für jede neue Wohnung zwei wettergeschützte und leicht zugängliche Fahrradab­stell­plätze vor und vier Abstellplätze können einen der vorgeschriebenen Autostellplätze ersetzen.

In Kopenhagen und in Zürich wurden sogar Parkplätze zurückgebaut und um jährlich 2% reduziert. Ein richtiger Schritt hin zu lebenswerteren Städten. Was mit dem gewonnen Platz alles entstehen könnte…!

8. Sicherheit für Fußgänger

Fußverkehr schadet niemandem, ist gesund und belebt das Stadtbild. So hat sich Berlin vorge­nom­men, zu einer fußverkehrsfreundlichen Stadt zu werden und dazu gehören "vor allem attraktive, barrierefreie und sichere Verbindungen, besonders dort, wo die Fahrbahnen des Autoverkehrs überquert werden müssen - mit oder ohne Ampel. Besonderes Augenmerk verdienen die Einkaufsstraßen, die Wege zu den Läden der Nahversorgung sowie zu den Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel."

9. Mobil auf dem Land

Gerade im ländlichen Raum ist mangelnde Infrastruktur häufig der Grund dafür, dass die Bewoh­ner*innen auf private Pkw angewiesen sind. Doch es gibt auch hier Alterna­tiven: Bürgerbusse fahren nach bedarfsorientierten Fahrplänen, meist mit ehrenamtlichen Fahrern und ermöglichen es Bewohner*innen von dünn besiedelten Gebieten zum Einkaufen, zum Arzt, zu Freizeitein­rich­tungen oder zur nächsten ÖPNV-Haltestelle zu gelangen. Inzwischen setzen auch öffentliche Verkehrsbe­trie­be – wie der Verkehrsver­bund Bremen/Niedersach­sen oder die Overhavel Ver­kehrsge­sell­schaft – Bürgerbus­se, Rufbusse oder Linientaxis ein. Im ländlichen Raum werden Angebote für regelmäßige und unregelmäßige Mitfahrgelegenheiten in privaten Pkw eine zunehmend größere Rolle spielen: Sie machen Privatautos zu öffentlichen Autos und die Mitnahme kann mit Hilfe von Smartphones oder digitalen Plattformen organisiert werden.

10. Abkehr vom Verbrennungsmotor

Großbritannien und Frankreich haben beschlossen ab 2040 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. Bei Begleitung durch die richtigen politischen Weichenstellungen, kann das ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu kleineren, saubereren, sparsameren und vor allem weniger motorisierten Fahrzeuge in unseren Städten sein. Die Dominanz der Autos muss beenden und der öffentliche Raum fair aufgeteilt werden. Eine Halbierung des motorisierten Verkehrs ist möglich.

Wie Klima- und Gesundheitsschutz im Verkehr mit echter Überzeugung angepackt werden kann, zeigen einige unserer Nachbarländer. Eines muss uns allen klar sein: Wenn wir die Klimaziele erst nehmen, muss der Verkehr bis 2050 vollständig dekarbonisiert sein und gleichzeitig der Energiebedarf deutlich gesenkt werden.

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