Umweltministerin Lemke im Interview: "Klimakrise und Artensterben sind gleich dramatisch und bedrohlich"

18. Februar 2022 | Energiewende, Flüsse & Gewässer, Klimawandel, Lebensräume, Ressourcen & Technik

Das BUNDmagazin sprach mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke über Natur- und Artenschutz, den Bundesverkehrswegeplan, die Energiewende und den Ressourcenschutz. Welche Ziele verfolgt die neue Bundesumweltministerin?

Steffi Lemke spricht sich für ein Recht auf Reparatur aus.  (Bundesregierung/Steffen Kugler)

Zum Klimaschutz hat sich die Regierung bekannt. Verfolgt sie den Naturschutz als gleichrangiges Ziel?

Im Koalitionsvertrag haben wir den Schutz der biologischen Vielfalt mit Maßnahmen und Finanzen unterlegt. Wie bedrohlich das Artensterben für uns ist, scheint mir aber im öffentlichen Bewusstsein noch nicht so verankert wie die Klimakrise. Das zu ändern wird eine meiner Aufgaben als Ministerin sein. Beim Klimaschutz hat es 30 Jahre gedauert, bis die Warnungen der Wissenschaft im Regierungshandeln angekommen sind. Die Zeit haben wir beim Naturschutz nicht mehr.

Der BUND fordert die Erneuerbaren rasch auszubauen, ohne geschützte Lebensräume und Arten zu belasten. Teilen Sie unsere Forderung, dass beim Ausbau der Windkraft der Schutz gefährdeter Tiere nicht verhandelbar sein darf?

Die Klimakrise und das Artensterben sind gleich dramatisch und bedrohlich. Weil so viel Zeit versäumt wurde, müssen wir diese Krisen nun parallel lösen. Wir dürfen nicht zulassen, dass der Natur- und Klimaschutz gegeneinander ausgespielt werden. Der Teufel steckt natürlich im Detail: Nicht verhandelbar sind für mich – und die Koalition – die FFH- und Vogelschutz-Richtlinie mit ihrem Netz von Schutzgebieten. Ansonsten müssen wir sehen, wie Planung und Ausbau der Erneuerbaren nun beschleunigt werden können. Der Naturschutz sollte sich aber nicht allein auf die Energiewende konzentrieren. Größter Treiber des Artenverlustes bleibt vorläufig die industrielle Landwirtschaft. Mein Ziel ist es Natur wiederherzustellen – Auen zu renaturieren oder alte Wälder aus der Holznutzung zu nehmen und als Naturreservoir, als Wasserspeicher und Kohlenstoffsenke zu erhalten. Und der biologischen Vielfalt im Boden mehr Beachtung zu schenken.

Der BUND fordert auch einen Großteil der wenig ergiebigen Kleinwasserkraftwerke zurückzubauen, um viele Fließgewässer wiederzubeleben.

Unsere Gewässer sind fast flächendeckend massiv geschädigt. Frei fließende Flüsse sind mir schon lange ein Herzensanliegen. Natürliche Bäche und Flüsse bleiben ein ganz wichtiges Ziel, auch wenn es nicht explizit im Koalitionsvertrag steht.

Der Bundesverkehrswegeplan enthält über eintausend Fernstraßenprojekte. Der Koalitionsvertrag sagt eine "gemeinsame Abstimmung" dieser Projekte zu.

Wir haben vereinbart, den Plan auf den Prüfstand zu stellen, auch um Eingriffe in die Natur und Landschaft möglichst zu vermeiden. Das empfinde ich als großen Fortschritt. Ich hoffe, dass es gelingt, Straßenprojekte mit gravierenden Folgen für den Natur- und Klimaschutz umzugestalten oder ganz davon Abstand zu nehmen.

Energiesparen ist die wohl wichtigste Säule, um die Energiewende naturverträglich umzusetzen. Wie wird sich Ihr Ministerium hier einsetzen?

Die neue Zuständigkeit für Verbraucherschutz stärkt das Umweltministerium. Jetzt können wir uns noch wirksamer für den nachhaltigen Umgang mit Energie und Ressourcen einsetzen. Vor 15 Jahren wurde darüber viel intensiver diskutiert. Diese Debatte möchte ich wiederbeleben: Wie finden wir raus aus der Wegwerfgesellschaft?

Ich will, dass langlebige Produkte Standard sind. Daher setze ich mich für ein Recht auf Reparatur ein, damit Konsumartikel länger genutzt und nicht so schnell durch Neuware ersetzt werden. So sparen wir Energie und wertvolle Ressourcen und stärken zugleich Verbraucherrechte.

Was zum Schwerpunkt dieser Ausgabe führt. Der BUND fordert ein Gesetz zum Ressourcenschutz. Unterstützen Sie das?

Die neue Bundesregierung hat die Kreislaufwirtschaft zu einem zentralen Anliegen gemacht. Wir wollen weniger Primärrohstoffe verbrauchen und mehr Abfälle als Rohstoff für neue Produkte nutzen. Das schützt Klima und Ressourcen und treibt die nachhaltige Entwicklung unserer Volkswirtschaft voran. Die verschiedenen Optionen für dieses Ziel prüfen wir sehr genau. Auch gesetzliche Änderungen wollen wir vornehmen, gegen achtloses Wegwerfen von Einwegplastik, zum Umgang mit Batterien und Verpackungen.

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