"VW ist nach wie vor mittendrin im Dieselskandal"

13. Mai 2019 | Mobilität

Rede von BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg bei der Hauptversammlung der Volkswagen AG am 14.5.2019 in Berlin. Es gilt das gesprochene Wort!

Jens Hilgenberg BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg  (Bild: Simone Neumann)

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat,
meine Damen und Herren,

mein Name ist Jens Hilgenberg und ich spreche hier und heute für den BUND e.V. und den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V.

Wir beantragen heute sowohl dem Vorstand, als auch dem Aufsichtsrat der Volkswagen AG die Entlastung für das Geschäftsjahr 2018 zu verweigern. Der entsprechende Gegenantrag wurde fristgerecht eingereicht und ist auf der VW-Konzernwebsite veröffentlicht.

Rund 30 Milliarden Euro hat der Diesel-Abgasskandal die Volkswagen AG bislang gekostet, davon rund 5,5 Milliarden im letzten Geschäftsjahr. Darunter Bußgelder, Entschädigungen sowie Kosten für technische Umrüstungen. Der Konzern ist also nach wie vor mittendrin im Dieselskandal. Bußgelder im hohen dreistelligen Millionenbereich, wie zuletzt gegen Porsche, werden auffallend schnell akzeptiert. Wohl, weil der Konzern weiß, dass er damit noch recht glimpflich davonkommen könnte. Das eigentlich angemessene Verhalten der Volkswagen AG – nämlich alle vom Konzern verkauften Dieselfahrzeuge so nachzurüsten, dass diese ihre gesetzlichen Stickstoffdioxidwerte auch im Realbetrieb auf der Straße einhalten –, wäre mit deutlich höheren Kosten verbunden.

Hier leugnet der Konzern noch immer seine Verantwortung. Und die Aussage von Frau Werner, ihres Zeichens Konzernvorstand für Recht und Integrität, spricht Bände. Sie lässt sich öffentlich wie folgt zitieren: "Nach unserer Auffassung haben die Kunden weder Verluste noch Schäden erlitten." Offenbar hat Frau Werner länger nicht mit Dieselbesitzer*innen gesprochen, die denken nämlich ganz anders. Das belegen auch die 60.000 Verfahren, die allein in Deutschland aktuell gegen den Konzern laufen.

Und wir sprechen in diesem Zusammenhang nicht nur von den oft erwähnten "älteren", sprich Euro-5-Dieseln. In meiner letztjährigen Rede habe ich auf die Probleme bei Euro-6-Dieseln hingewiesen, die nicht der neuesten Abgasnorm 6d oder zumindest 6d-TEMP entsprechen.

Ein großer Teil der Strafen und Rückrufe des letzten Geschäftsjahres bezogen sich auf eben solche Euro-6-Diesel, die auch 2018, also drei Jahre nach Bekanntwerden des Abgasskandals vom Konzern noch als Neuwagen verkauft wurden. Als Indiz hierfür kann der letztes Jahr ausgesprochene Verkaufsstopp von Porsche Neufahrzeugen mit Dieselmotor durch das Kraftfahrtbundesamt angesehen werden. Zwar wurde dieser im Nachgang vom Konzern als "vorläufige Angebotseinschränkung" tituliert, aber diese Einschränkung wurde nie wieder aufgehoben – und kurze Zeit später gab Porsche den Komplettausstieg aus dem Diesel bekannt.

Grundsätzlich gilt: Der Vorstand der Volkswagen AG muss gewährleisten, dass alle Fahrzeuge des Konzerns so ausgestattet sind, nachgerüstet oder nachgebessert werden, dass sie alle gesetzlichen Schadstoffgrenzwerte auch beim Realbetrieb auf der Straße einhalten.

Ein weiterer Punkt, der unseren Antrag auf Verweigerung der Entlastung des Vorstands untermauert, ist das Vorgehen des Konzerns bei der Umstellung des gesetzlichen Messzyklus von NEFZ auf WLTP. Dem Vorstand war mit ausreichender Vorlaufzeit bekannt, dass diese Umstellung erfolgen muss und er hätte die entsprechenden Vorbereitungen und Investitionen tätigen müssen, um eine reibungslose Umstellung gewährleisten zu können. Da dies nicht geschehen ist, kam es 2018 zu weitreichenden und langanhaltenden Angebotseinschränkungen, die vor allem bei der Konzerntochter Audi aktuell noch immer anhalten. Darüber, ob der Konzernvorstand bei seiner diesbezüglichen Planung darauf spekuliert hat, dass eine entsprechende Lobbyarbeit in Brüssel die Umstellung auf WLTP noch verhindern oder zumindest zeitlich verzögert, möchte ich hier nicht spekulieren. 

Und auch bei der Modellpolitik wurden 2018 weiter Fehler begangen. Wobei ich vorab klarmachen will, dass ich die Richtungsentscheidung zu Gunsten batteriebetriebener Fahrzeuge gut und richtig finde. Vor allem die Tatsache, dass jetzt an mehreren Standorten in Deutschland und Europa für die Zukunft investiert wird, findet meine volle Zustimmung. Diesbezüglich ein Lob – vor allem auch an die IG Metall, die sich sehr für den Umbau der bestehenden Standorte einsetzt.

Auf welche Art E-Autos der Konzern zukünftig setzt, ist aus meiner Sicht aber weniger verständlich. Statt sich auf die Konzern-DNA zu konzentrieren und VOLKSwagen, also Fahrzeuge für alle Bedürfnisse und Geldbeutel zu bauen, konzentriert man sich mehr und mehr auf den Bau hochpreisiger Fahrzeuge. Das günstigste E-Auto soll es "unter 30.000 Euro" geben, also wohl im Bereich deutlich über 25.000 Euro. Modelle wie dem up! oder dem Polo werden keine elektrischen Zukunftschancen eingeräumt, gleichzeitig werden Modelle im Bereich von Q7 und Touareg präsentiert.

Es ist eine mehr als zweifelhafte Strategie, die Herausforderungen in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit mit immer größeren Fahrzeugen meistern zu wollen, auch wenn diese zumindest teilweise elektrisch fahren sollen. Vor allem Fahrzeuge mit Plug-in Hybrid-Technologie sind dabei lediglich einen Scheinlösung. Der Konzernvorstand sollte tunlichst vermeiden, diese Fahrzeuge "grüner" zu rechnen als sie sind. Je nach Fahrprofil der Nutzenden liegt der tatsächliche Kraftstoffverbrauch der Plug-in Hybride bei einem Mehrfachen des offiziellen Normverbrauchs. Solche Modelle können dann im Betrieb sogar mehr CO2 ausstoßen als sparsame Verbrennervarianten des gleichen Modells. Darauf müssen auch die Kund*innen klar hingewiesen werden, sonst droht der nächste, massive Imageverlust.

Vielen Dank!

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